Einblicke in die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland.
Länderinformationen UK
Einblicke in die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland
Expertise
Einleitung
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK) ist seit vielen Jahren ein wichtiger Part- ner für den Jugend- und Fachkräfteaustausch. Vor dem Rückgang internationaler Austauschaktivitäten als Folge der Coronapandemie und dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU lagen die statistisch erfassten bilateralen Jugendbegegnungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich unter den ersten 10 der Partnerländer mit dem höchsten Austauschaufkommen. Die 2023 durch IJAB im Auftrag des Auswärtigen Amts (AA) durchgeführte Untersuchung zur „Förderung des deutsch-britischen Jugendaustauschs“ bestätigt: Eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich im Rahmen der bila- teralen Jugendarbeit wird von Fachkräften und jungen Menschen auf beiden Seiten befürwortet und gefordert. Die befragten Organisationen, Fachkräfte und Jugendli- chen sind sich einig, dass deutsch-britische Austausch- aktivitäten einen Beitrag zur gegenseitigen Verständi- gung, aber auch zur Bearbeitung gemeinsamer Themen wie Inklusion, Demokratiebildung, Jugendpartizipation und sozialem Zusammenhalt leisten können. Besonders im Hinblick auf die aktuellen globalen Herausforderun- gen, denen sich unsere Gesellschaft und vor allem junge Menschen, derzeit gegenübersehen, gilt es den Zusam- menhalt und Austausch zwischen allen Ländern in Euro- pa zu stärken. Dass sich die Lebensrealitäten junger Menschen in beiden Ländern unterscheiden, ist nicht zu bestreiten. Trotzdem eint sie im Kern das gleiche Bestreben: Teilha- be und Selbstbestimmung. Frieden und Sicherheit. Pers- pektive und Zukunft.
Mit den „Länderinformationen UK“ möchte IJAB insbeson- dere deutschen Fachkräften den Einstieg in den Jugend- austausch mit dem Vereinigten Königreich erleichtern, aber auch diejenigen mit weiterführenden Informatio- nen versorgen, die bereits aktiv in der deutsch-britischen Zusammenarbeit engagiert sind. Die Länderinformatio- nen richten sich an alle freien und öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und geben einen Einblick in die Strukturen der Kinder- und Jugend- hilfe und das Aufwachsen von Jugendlichen im Verei- nigten Königreich. Sie sind entstanden im Rahmen der vertieften deutsch-britischen Zusammenarbeit im Kon- text der UK-German Connection, die bereits seit über 20 Jahren den deutsch-britischen Jugend- und Schüleraus- tausch finanziert und begleitet. Die vorliegenden Länderinformationen erlauben ein strukturiertes Auseinandersetzen mit den aufbereiteten Themen, welche für die Zusammenarbeit mit allen vier Ländern des Vereinigten Königreichs sehr hilfreich sein können und in dieser Form ansonsten nur schwer zu- gänglich bzw. nur bedingt auffindbar sind. IJAB-Länder informationen werden in regelmäßigen Abständen erneuert und an aktuelle Themen und Gegebenheiten angepasst.
Ihr Redaktionsteam
Sabine Brodesser, Cathrin Piesche
Inhalt
Rahmen und Strukturen in Nordirland Akteure der politischen Gestaltung
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Einleitung
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1. Allgemeine Länderinformationen
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Gesetzgebung und Politik
Was ist das Vereinigte Königreich? Regierung und Verwaltung im Vereinigten Königreich
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Finanzierung
Rahmen und Strukturen in Schottland Akteure der politischen Gestaltung
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Nationale Ebene Kommunale Ebene
Gesetzgebung und Politik
Finanzierung
Überblick über die Bevölkerung
Rahmen und Strukturen in Wales Akteure der politischen Gestaltung
Bevölkerung
Sprachen 7 Reisen von Deutschland ins Vereinigte Königreich 8 2. Aufwachsen im Vereinigten Königreich 10 Jugend 10 Familien- und Haushaltsstrukturen 12 Alltägliches Leben 12 Soziale Schicht, Einkommen und Bildung 13 Einkommen 14 Bildungsniveaus 15 Häufig gewählte Berufe 15 Ethnische Zugehörigkeit 16 Religion 18 LGBTQIA+ 18 Junge Menschen mit Behinderungen 19 Anliegen der Jugend im Vereinigten Königreich 20 Langfristige Anliegen junger Menschen 20 Meinungen junger Menschen zum Brexit 20 Auswirkungen der Coronapandemie 20 Die „Cost of Living“ Krise 20 Psychische Gesundheit junger Menschen 21 3. Rahmen und Strukturen der Jugendpolitik 22 Allgemeiner Kontext 23 Durchführung und Finanzierung von Jugend programmen und -angeboten 24 Rahmen und Strukturen in England 25 Akteure der politischen Gestaltung 25 Gesetzgebung und Politik 25 Finanzierung 26
Gesetzgebung und Politik
Finanzierung
Strukturen der Jugendvertretung
4. Bildung und Beschäftigung
Schulen
Colleges (Oberstufe)
Universitäten
Politische Bildung
Jugendbeschäftigung
5. Jugendarbeit und Jugendangebote
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Überblick über die Jugendarbeit
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Uniformtragende Organisationen und konfessionelle Organisationen Stimme, Partizipation und soziales Engagement der Jugend Jugend, Digitalisierung und Medien Inklusion und Unterstützung marginalisierter junger Menschen
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Impressum
6. Organisationen und Ressourcen Nationale Infrastrukturstellen für den Jugendsektor Internationale Austauschprogramme Träger der Jugendarbeit und Jugend- organisationen
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49 49
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Ressourcen der Jugendarbeit
Impressum
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Allgemeine Länder- informationen 1
Hinweis: Die in dieser Publikation vorgestellten Informationen wurden von einem Autor aus dem Vereinigten Königreich verfasst. Sie sind nur als Ausschnitt zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinweise und Ergänzungs- wünsche nimmt die Redaktion gerne entgegen.
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Länderinformationen UK
Schottland
Vereinigtes Königreich, Nordirland
Shetland
England
Wales
Schottland
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Nord- irland
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England
Wales
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Hauptstädte 1. Edinburgh
2. London 3. Cardiff 4. Belfast
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Allgemeine Länderinformationen
Was ist das Vereinigte Königreich? Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist ein Staat, der aus vier Län- dern besteht: England, Nordir- land, Schottland und Wales. Die korrekte Kurzform lautet Verei- nigtes Königreich („United King- dom“) und das Länderkürzel ist
Regierung und Verwaltung im Vereinigten Königreich Nationale Ebene
UK oder GB. Letzteres steht für die häufig verwendete Bezeichnung Großbritannien, die aber die offizielle Kol - lektivbezeichnung für England, Schottland und Wales mit den dazugehörigen Inseln ist und somit Nordirland nicht miteinschließt. In der bilateralen Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich nutzen wir die Bezeich- nung deutsch-britisch, z. B. im Rahmen des deutsch-bri- tischen Jugendaustauschs. Die Bezeichnung „britisch“ schließt im deutschen Sprachgebrauch alle vier Länder (England, Nordirland, Schottland und Wales) mit ein. Im englischen Sprachgebrauch sollte jedoch immer „UK“ verwendet werden, da sich das englische „British“ häu- fig nur auf England bezieht bzw. damit assoziiert wird. Jedes der vier Länder hat eine eigene Flagge. Die Flag- ge des Vereinigten Königreichs ist der „Union Jack“. Je- des Land hat auch seine eigene Hauptstadt; das heißt es gibt im Vereinigten Königreich vier Hauptstädte: London (England), Belfast (Nordirland), Edinburgh (Schottland) und Cardiff (Wales). Junge Menschen im Vereinigten Kö - nigreich bezeichnen sich selbst – je nach dem Land ihrer Herkunft und ihren politischen Überzeugungen – als bri- tisch, englisch, schottisch, irisch, nordirisch oder walisisch. Das Vereinigte Königreich besteht aus einer vielfältigen Mischung von großen und kleinen Städten und ländli- chen Regionen. In London, der größten Stadt des Lan- des, leben wesentlich mehr Menschen als in anderen Städten wie Manchester, Birmingham oder Leeds. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte im Vereinigten Königreich liegt bei 279 Personen pro Quadratkilometer. Die Spanne reicht jedoch von 5.640 Menschen pro Qua - dratkilometer in London bis 242 Menschen pro Quadrat - kilometer in Südwestengland. 1
Das Vereinigte Königreich ist eine konstitutionelle Mo- narchie, das heißt die britische Königin oder der briti - sche König (derzeit König Charles III.) ist Souverän und Staatsoberhaupt. Der Monarch beziehungsweise die Monarchin spielt jedoch keine politische Rolle mehr und ist nicht Regierungsoberhaupt. Dennoch hat die Monarchie für viele Menschen im Vereinigten König- reich eine symbolische Bedeutung, und Krone und Staat sind nach wie vor durch verschiedene Traditio- nen miteinander verbunden. So ist der letzte Schritt vor der Verabschiedung eines Gesetzes beispielsweise die Unterschrift des Monarchen beziehungsweise der Mo- narchin, mit der das Gesetz die königliche Zustimmung erhält. In der Praxis ist es jedoch das gewählte Parlament, das Gesetze ausarbeitet und verabschiedet. Im Vereinigten Königreich tagen vier verschiedene Parlamente: Das Parlament des Vereinigten Königreichs ist das obers- te Gesetzgebungsorgan des Landes und kann alle Geset- ze erlassen oder aufheben. Es trifft Entscheidungen in Angelegenheiten, die das gesamte Vereinigte Königreich betreffen, zum Beispiel Verteidigung, Außenpolitik und Einwanderung. Darüber hinaus trifft es Entscheidungen in Bereichen wie Bildung, Umwelt, Gesundheit und Ver- kehr, die nur für England gelten. Das Parlament besteht aus dem Unterhaus („House of Commons“) und dem Oberhaus („House of Lords“). Den Parlamenten beziehungsweise Versammlungen von Schottland, Wales und Nordirland wurden verschiedene Befugnisse übertragen. So sind das schottische und das
1 Website des Office for National Statistics (2024), Statistical Bulletin, Population estimates for the UK, England, Wales, Scotland, and Northern Ireland: mid-2022
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Länderinformationen UK
Überblick über die Bevölkerung
walisische Parlament sowie die Nordirland-Versamm- lung für viele innenpolitische Belange ihres jeweiligen Landes zuständig, darunter Gesundheit, Bildung, Kul- tur, Umwelt und Verkehr. Für diese Belange besitzen sie auch gesetzgebende Befugnisse. Die Wahlen zum Parlament des Vereinigten Königreichs finden im gesamten Vereinigten Königreich statt, die Wahlen zum schottischen und walisischen Parlament sowie zur Nordirland-Versammlung in den einzelnen Ländern. Jedem der vier Parlamente ist eine Regierung zugeordnet, die von der politischen Partei gebildet wird, die bei den Wahlen die meisten Sitze gewonnen hat. Kommunale Ebene England, Schottland und Wales sind in Kommunalbezirke unterteilt, die von Kommunalbehörden verwaltet wer- den. Diese Kommunalverwaltungen haben begrenzte Gesetzgebungsbefugnisse. Sie sind für die Erbringung verschiedener Dienstleistungen für die Menschen und Unternehmen in ihrem jeweiligen Bezirk zuständig. Die Struktur und die Befugnisse der Kommunalverwaltungen sind von Region zu Region unterschiedlich; in einigen Re- gionen gibt es mehrstufige Kommunalverwaltungen. Die örtliche Bevölkerung bezeichnet ihre Kommunalverwal- tung umgangssprachlich oft als „Council“ (Rat), da die Be- hörde in der Regel aus einem Rat besteht, dessen Mitglie- der in öffentlichen Kommunalwahlen gewählt werden. Nordirland ist in 11 Kommunalbezirke unterteilt. Die Kommunalverwaltungen in Nordirland haben im All- gemeinen weniger Befugnisse und Zuständigkeiten als die Kommunalverwaltungen im übrigen Vereinigten Kö- nigreich. Die Mitglieder der Kommunalverwaltungen in Nordirland werden in allgemeinen Kommunalwahlen gewählt. Viele Kommunalbezirke und -verwaltungen haben zwar Bürgermeister*innen, aber dieses Amt ist meistens rein zeremoniell und wird nicht durch direkte Wahlen besetzt. Zehn Großstädte in verschiedenen Regionen Englands haben jedoch gewählte „Metro-Bürgermeister*innen“, die Kommunalverwaltungen mit mehreren Bezirken lei- ten. Diese Ämter sind mit erweiterten Führungsbefug- nissen für die jeweiligen Kommunalverwaltungen ver- bunden.
Bevölkerung Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs wird auf 67,6 Millionen geschätzt, Tendenz steigend. In England, dem größten Land, leben mehr als 84,3 % der britischen Bevölkerung, gefolgt von Schottland (8,2 %), Wales (4,7 %) und Nordirland (2,8 %). Insgesamt altert die Bevölkerung: 2022 lag das Durch- schnittsalter bei 40,7 Jahren, gegenüber 39,6 Jahren im Jahr 2011. Etwa 15,5 % der Bevölkerung sind zwischen 13 und 25 Jahre alt. Der Anteil der jungen Bevölkerung hängt jedoch stark von der jeweiligen Region ab, und in den Städten ist die Bevölkerung im Allgemeinen jünger als auf dem Land. Jüngere Altersgruppen im Vereinigten Königreich zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie tendenziell einen höheren Anteil an Angehörigen ethni- scher Minderheiten aufweisen als ältere Altersgruppen. Dieser Unterschied ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass mehr Menschen einen gemischten ethnischen Hin- tergrund haben. 2 Knapp 20 % der 16- bis 24-Jährigen ge - hören einer ethnischen Minderheit an. Sprachen Britisches Englisch ist die am weitesten verbreitete Spra- che im Vereinigten Königreich und wird von fast allen Menschen fließend gesprochen. Die im Land gesproche - nen Dialekte unterscheiden sich sehr stark, und manche sind für Nicht-Muttersprachler*innen schwieriger zu ver- stehen als andere. In verschiedenen Teilen des Vereinig- ten Königreichs hört man auch die folgenden Sprachen: › Walisisch in Wales, › Gälisch und Schottisch in Schottland, › Irisch und Ulster-Schottisch in Nordirland, › südasiatische Sprachen wie Punjabi und Urdu, die in Gemeinschaften südasiatischer Herkunft gesprochen werden. Im Vereinigten Königreich gibt es drei einheimische Ge- bärdensprachen: die britische, die irische und die nordi- rische Gebärdensprache.
Junge Menschen im Vereinigten Königreich lernen Fremdsprachen im Allgemeinen auf einem viel niedrige-
Im Vereinigten Königreich gibt es derzeit keine föderale oder regionale Verwaltungsebene.
2 Website des Office for National Statistics, Population estimates for the UK, England, Wales, Scotland, and Northern Ireland: mid-2022
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Allgemeine Länderinformationen
ren Niveau als in anderen europäischen Ländern. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung sprechen ausschließlich Englisch. 3 Reisen von Deutschland ins Vereinigte Königreich Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Eu- ropäischen Union im Jahr 2020 haben sich viele Gesetze und Regelungen für Reisen von Deutschland ins Verei- nigte Königreich geändert. Weitere Änderungen sind auch künftig möglich. Visa und Grenzkontrollen: Zum Zeitpunkt der Erstel- lung dieser Informationen benötigen deutsche Staats- angehörige und EU-Bürger*innen für Urlaubs- und Ge- schäftsreisen von bis zu 6 Monaten kein Visum. Um ab dem 2. April 2025 ins Vereinigte Königreich einreisen zu dürfen, müssen deutsche Staatsangehörige jedoch nach aktuellem Kenntnisstand ein E-Visum, die so genann- te „Electronic Travel Authorisation (ETA)“, beantragen. Dies ist ab dem 5. März 2025 möglich. Für die Einreise ins Vereinigte Königreich benötigen deutsche Staatsan- gehörige zwingend einen Reisepass, der an der Grenze kontrolliert wird und für die gesamte Aufenthaltsdauer gültig sein muss. Der deutsche Personalausweis reicht nicht aus. Für andere Staatsangehörige können abweichende Re- gelungen gelten. 4 Wir empfehlen die Pflicht zur Beantra - gung eines Visums frühzeitig zu prüfen, insbesondere für in Deutschland lebende Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, z. B. mit Aufenthaltstitel, blauem Pass oder Passersatz. Viele Nationalitäten müssen ein Visum beantragen, um bereits ab dem 8. Januar 2025 einreisen zu dürfen. 5 Bei Reisen zwischen den vier Ländern des Vereinigten Königreichs gibt es keine Grenzkontrollen. Ein Reisepass kann jedoch auch für Flüge oder Fähren im Inland er- forderlich sein, um Tickets zu buchen oder an Bord zu gehen. Diesbezüglich gelten die Bestimmungen des je- weiligen Transportunternehmens. Es ist immer ratsam, vor Reiseantritt die aktuellen Infor- mationen zu prüfen. Diese finden Sie auf der Website der britischen Regierung . Aktuelle Reise- und Sicher-
heitshinweise finden Sie auf der Website des deutschen Auswärtigen Amtes .
Krankenversicherung: Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Informationen können EU-Bürger*innen, die während eines vorübergehenden Aufenthalts in England krank werden oder einen medizinischen Notfall erleiden, eine gültige, von ihrem Heimatland ausgestellte Europä- ische Krankenversicherungskarte (EKVK) verwenden, um medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Für deutsche Staatsangehörige ist die EKVK auf der Rück- seite der deutschen Krankenversichertenkarte aufge- druckt. Nach Angaben der britischen Regierung sollten Reisende jedoch zusätzlich eine Auslandskrankenversi- cherung abschließen. Es wird empfohlen, vor Reiseantritt die aktuellen Infor- mationen zur Krankenversicherung zu prüfen, die Sie hier auf der Website der britischen Regierung finden. Notfalldienste: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sind von jedem Telefon im Vereinigten Königreich unter der Nummer 999 oder 112 zu erreichen. Datenroaming: Die europäischen Regelungen zum Da- tenroaming bei der Nutzung von Mobiltelefonen gelten im Vereinigten Königreich nicht mehr. Bei der Nutzung eines in Deutschland registrierten Handys können zu- sätzliche Gebühren anfallen. Prepaid-Telefonkarten für kostengünstigere Auslandsgespräche sind in vielen Su- permärkten erhältlich.
3 British Council (2017), Languages For The Future 4 Website der Regierung des Vereinigten Königreichs, Check if you need a UK visa 5 Website der Regierung des Vereinigten Königreichs, Check when you can get an electronic travel authorisation (ETA)
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Länderinformationen UK
Währung: Die britische Währung ist das Pfund Sterling (£/GBP). England, Schottland und Nordirland geben un- terschiedlich gestaltete Banknoten aus, die aber alle als dieselbe Währung gelten. Die Banknoten der verschie- denen Länder sollten überall im Vereinigten Königreich als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert werden, aber in der Praxis nehmen manche englischen Einzelhänd- ler keine schottischen oder nordirischen Banknoten an. Andere Währungen als das Pfund Sterling, wie etwa der Euro, werden in der Regel nicht akzeptiert. Sowohl Bar- geld als auch Bankkarten sind im gesamten Vereinigten Königreich weit verbreitet. Stecker/Steckdosen: Steckdosen im Vereinigten König- reich sind dreipolig. Für den Anschluss von Geräten mit zweipoligen Eurosteckern wird ein Adapter benötigt. Öffnungszeiten von Geschäften, Supermärkten und Banken: Fast alle Geschäfte sind von Montag bis Sams- tag mindestens von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Vor al - lem in größeren Städten sind die Öffnungszeiten aber oft deutlich länger. Viele Supermärkte haben unter der Woche rund um die Uhr geöffnet. Sonntags sind die Öff - nungszeiten von Geschäften und Supermärkten einge- schränkt, oft auf 11:00 bis 16:00 Uhr. Kleinere Lebens- mittelgeschäfte dürfen jedoch länger geöffnet bleiben. Banken sind in der Regel montags bis freitags von 9:00
bis 17:00 Uhr geöffnet, manchmal auch samstags, aller - dings mit kürzeren Öffnungszeiten.
Führen von Fahrzeugen: Inhaber*innen eines EU-Füh- rerscheins dürfen im Vereinigten Königreich Fahrzeuge führen, für die sie eine Fahrerlaubnis haben und für die sie versichert sind. Die entsprechenden Anforderungen finden Sie hier . Im Vereinigten Königreich herrscht Links- verkehr. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden in Mei- len pro Stunde und nicht in Kilometern pro Stunde an- gegeben. Die Vorschriften zum Straßenverkehr und zu Fahrzeugen finden sich in der Straßenverkehrsordnung ( The Highway Code ).
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Aufwachsen im Vereinigten Königreich Jugend
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Alkohol: Der Verkauf von Alkohol an Minder- jährige unter 18 Jahren ist gesetzlich verboten. 16- und 17-Jährige dürfen jedoch in Begleitung einer erwachsenen Person Alkohol konsumie- ren, wenn dies Teil einer Mahlzeit in einem Restaurant oder Pub ist. Alkohol ist weithin in kleinen Spirituosengeschäften (so genannten „off licences“) und Supermärkten erhältlich. Träger im Vereinigten Königreich verlangen oft, dass Fachkräfte der Jugendarbeit und jun- ge Menschen bei ihren Veranstaltungen kei- nen Alkohol konsumieren. Schutzalter: Das Schutzalter liegt bei 16 Jah - ren. Für erwachsene Vertrauenspersonen über 18 Jahren (z. B. Lehrkräfte oder Fachkräf - te der Jugendarbeit) sind sexuelle Handlungen mit einer Person unter 18 Jahren strafbar. Konsum von Tabakwaren und E-Zigaretten: Der Verkauf von Tabak und E-Zigaretten an Minderjährige unter 18 Jahren ist gesetzlich verboten. Neue Gesetzesvorschläge, die der- zeit diskutiert werden, sehen vor, den Verkauf von Tabak und E-Zigaretten an alle Personen, die nach dem 1. Januar 2009 geboren wurden, zu verbieten. Damit steigt das Mindestalter für den Verkauf von Jahr zu Jahr, so dass der Kauf von Tabakprodukten für künftige Generati- onen unabhängig von ihrem Alter illegal sein wird.
Der Begriff „junge Menschen“ wird im Verei - nigten Königreich häufig für etwas jüngere Menschen verwendet als in anderen Teilen der Welt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er oft nur für Teenager verwendet, aber er kann sich auch auf junge Menschen in ihren frühen Zwanzigern beziehen. Die Altersgruppe der „Jugend“ ist in der britischen Politik nicht offizi - ell definiert (siehe Kapitel 3), aber es gibt einige wichtige gesetzliche Altersgrenzen: Aktives Wahlrecht: Das Mindestalter für die Teilnahme an den meisten Wahlen für das Vereinigte Königreich liegt bei 18 Jahren. Für die Wahlen zum schottischen und zum walisi- schen Parlament sowie für Kommunalwahlen in Schottland und Wales wurde das Wahlalter kürzlich auf 16 Jahre gesenkt. Passives Wahlrecht: Das passive Wahlrecht für das Parlament des Vereinigten Königreichs gilt ab dem Alter von 18 Jahren. Führerschein: Im Vereinigten Königreich dür- fen junge Menschen ab dem Alter von 17 Jah - ren Auto fahren.
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Aufwachsen im Vereinigten Königreich
Familien- und Haushaltsstrukturen
Im Durchschnitt haben Familien im Vereinigten Kö- nigreich 1,7 Kinder. In einem Fünftel aller Haushalte lebt mindestens ein junger Mensch im Alter von 10 bis 19 Jahren. Der Großteil der 10- bis 19-Jährigen (70,7 %) lebt in Familien mit beiden Elternteilen, das heißt die Eltern sind verheiratet, leben zusammen oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die meisten außer- halb dieser Gruppe leben bei einem alleinerziehenden Elternteil. 5 % der jungen Menschen in dieser Altersgrup - pe leben jedoch in anderen Situationen, zum Beispiel in Betreuungseinrichtungen oder in Unterkünften für Stu- dierende. 6 Immer mehr junge Menschen leben auch mit Anfang 20 noch bei ihren Eltern. Dies trifft derzeit auf 29 % der 20- bis 24-Jährigen zu, d. h. auf ein Drittel aller jungen Män - ner und ein Viertel aller jungen Frauen. 7 Es wird davon ausgegangen, dass dies auf steigende Lebenshaltungs- kosten zurückzuführen ist, insbesondere höhere Wohn- kosten, sowie auf einen länger dauernden Übergang von der Ausbildung in den Beruf. Alltägliches Leben Unter der Woche verbringen junge Menschen oft den Großteil ihrer Zeit in der Schule, in der Aus- oder Wei- terbildung oder bei der Arbeit. In der Sekundarstufe dauert der Schultag meistens von 8:30 oder 9:00 Uhr bis 15:30 oder 16:00 Uhr. An der Universität besuchen die Studierenden etwa 11 Stunden pro Woche Lehrver - anstaltungen, meist zwischen 9:00 und 17:00 Uhr. Junge Menschen in Büroberufen arbeiten in der Regel von 9:00 bis 17:00 Uhr. Hobbys, soziale, Freizeit- und Jugendaktivitäten finden meist abends und am Wochenende statt. Beliebt sind vor allem:
Schusswaffen: Schusswaffen unterliegen im Verei - nigten Königreich für alle Altersgruppen strengen Be- schränkungen. Personen unter 18 Jahren haben nur unter bestimmten Umständen Zugang zu Schusswaffen. Ausführliche Informationen finden Sie hier . Schulpflicht: In Nordirland, Schottland und Wales be- steht Schulpflicht bis zum Alter von 16 Jahren. In Eng - land besteht Schulpflicht bis zum Alter von 16 Jahren; danach müssen Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren verpflichtend eine schulische oder berufliche Vollzeitbil - dung, eine Ausbildung oder eine Kombination von Bil- dung und Freiwilligentätigkeit absolvieren.
Sport: Populäre Sportarten sind Fußball, Kricket, Rugby, Schwimmen und Leichtathletik.
Musik: Popmusik, ein wichtiger Teil der britischen Ju- gendkultur, umfasst eine große Vielfalt an Stilen und Genres. Neben kommerziellen Stilen wie Rock-, Pop- und Dance-Musik gibt es immer wieder neue Subgenres.
6 Website der Association of Young People’s Health, Key Data 2021: Living Circumstances 7 Website des Office for National Statistics, Data and Analysis from Census 2021 – Families
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Länderinformationen UK
Aktuell populäre Subgenres sind beispielsweise Grime, Drill (eine Londoner Version des Rap) und D‘n‘B (elekt- ronische Musik mit tiefen Bässen und schnellen Break- beats). Pub- und Clubkultur: Für viele junge Menschen über 18 Jahren sind Pubs, Bars und Clubs ein wichtiger Teil ihres Lebens. Traditionell haben britische Pubs bis 23:00 Uhr geöffnet. Sie sind Treffpunkte für einen entspannten Austausch. Bars und Clubs sind im Allgemeinen später geöffnet und mehr auf Musik und Tanzen ausgerichtet. Festivals: Die britische Musikfestivalszene ist sehr le- bendig; die meisten Veranstaltungen finden im Sommer statt. Das bekannteste Festival ist Glastonbury, aber es gibt auch Hunderte kleinere Festivals. Jugendaktivitäten: Jugendclubs und -projekte richten ihr Angebot insbesondere an junge Menschen unter 18 Jahren. Aktivitäten finden vor allem abends und am Wochenende statt (siehe Kapitel 5). Studentische Vereinigungen: Junge Studierende sind oft Mitglied in mehreren Vereinigungen, die mit ihrer Hochschule verbunden sind. Diese Vereinigungen sind
auf bestimmte Interessen ausgerichtet und bieten jun- gen Menschen die Möglichkeit, an vielfältigen themen- spezifischen Aktivitäten teilzunehmen. Die Themen können von Harry-Potter-Fanclubs bis hin zu Fremdspra- chen-, Sport- und Musikgruppen reichen. Soziale Schicht, Einkommen und Bildung Die soziale Klasse spielt im Leben junger Menschen im Vereinigten Königreich nach wie vor eine prägende Rolle. Historisch gesehen war die soziale Struktur des Landes hierarchisch gegliedert, wobei die Vererbung von Beruf, sozialem Status und politischem Einfluss eine wichtige Rolle spielte. Seit der Industrialisierung sind jedoch Fak- toren wie Bildung und Wohlstand für die Definition der sozialen Identität wichtiger geworden. Das traditionelle System von Ober-, Mittel- und Arbeiter- schicht hat sich weiterentwickelt. The Great British Class Survey , eine der umfangreichsten Studien zur Sozial- struktur im Vereinigten Königreich, geht davon aus, dass es heute sieben soziale Klassen gibt, was ein differenzier - teres Verständnis der sozialen Schichtung widerspiegelt. Diese Klassen basieren nicht nur auf dem wirtschaftli-
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Aufwachsen im Vereinigten Königreich
chen Status, sondern berücksichtigen auch soziale und kulturelle Dimensionen. Trotz dieser Veränderungen bezeichnen sich auch heute noch viele Menschen als Angehörige der Arbeiterklasse, der Mittelschicht oder der Oberschicht, und diese Begriffe sind für viele jun - ge Menschen nach wie vor ein wichtiger Teil ihrer briti- schen Identität. Die Rolle der sozialen Klasse für junge Menschen wird in der Forschung weiterhin diskutiert . Forschende untersuchen, wie sich junge Menschen in die neuen Strukturen einfügen, und setzen sich mit der Möglichkeit eines wachsenden Prekariats auseinander, das vor allem für die jüngeren Generationen durch Ar- beitsplatzunsicherheit gekennzeichnet ist. Unabhängig davon, wie Klasse definiert wird, gilt die Fest - stellung, dass die kulturellen und wirtschaftlichen Aspek- te des britischen Klassensystems einen starken Einfluss auf die Chancen junger Menschen haben. Der sozioöko- nomische Hintergrund der Eltern ist nach wie vor eng
mit den Chancen junger Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt und ihren Zukunftsaussichten verbunden. 8 Das Familieneinkommen wirkt sich auch auf andere As- pekte wie Gesundheit und Karrierevorstellungen aus. Einkommen Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist die Ein- kommensverteilung im Vereinigten Königreich sehr un- gleich. Auf der Liste der 38 OECD-Länder mit der größ - ten Einkommensungleichheit liegt das Land an neunter Stelle. 9 Schätzungen zufolge lebt mehr als ein Fünftel der Bevölkerung in Armut. 10 Das reichste Fünftel aller Haushalte verfügt über ein durchschnittliches Haus- haltseinkommen vor Steuern und Sozialleistungen von 117.500 GBP – mehr als 14-mal so viel wie das ärmste Fünftel (8.200 GBP). 11
Das Durchschnittseinkommen von Vollzeitbeschäftigten im Vereinigten Königreich beträgt 35.464 GBP vor Steu -
ern (ca. 42.000 EUR). Dieser Wert variiert jedoch stark je nach geogra- fischer Region und Beruf. 12 Der ge- setzliche Mindestlohn für Beschäf- tigte ab 21 Jahren beträgt 11,44 GBP pro Stunde (ca. 13,55 EUR) bezie - hungsweise 22.000 GBP pro Jahr (ca. 26.000 EUR), je nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. In Lon- don sind die Gehälter aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten in der Regel höher.
8 Website des Office for National Statistics, Young people in the labour market by socio-economic background, UK: 2014 to 2021 9 OECD-Website, Income inequality, (2021) 10 Joseph Roundtree Foundation, UK Poverty 2024: The essential guide to understanding poverty in the UK 11 Website des Office for National Statistics, Effects of taxes and benefits on UK household income: financial year ending 2022 12 Website des Office for National Statistics, Employee earnings in the UK: 2023
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Bildungsniveaus Auch bei den höchsten Bildungsabschlüssen gibt es im Vereinigten Königreich große Unterschiede. In England und Wales ist das häufigste Bildungsniveau ein Hoch - schulabschluss (oder ein gleichwertiger Abschluss): 33,8 % der Bevölkerung ab 16 Jahren besitzen eine sol - che Qualifikation. Mit 18,2 % der Bevölkerung stellen Menschen ohne Qualifikation jedoch den zweitgrößten Anteil. 13 Der Bildungserfolg und das erreichte Bildungsniveau sind im Vereinigten Königreich eng mit dem sozioökono- mischen Hintergrund verknüpft. Kinder und Jugendliche aus schwächeren finanziellen Verhältnissen schneiden im gesamten Bildungssystem tendenziell schlechter ab als Gleichaltrige aus stärkeren finanziellen Verhältnis - sen. Dieser Bildungsunterschied zeigt sich bereits in der frühen Kindheit und setzt sich in der Grund- und Sekun- darstufe fort. 14 Sozioökonomische Unterschiede beste- hen auch in der Hochschulbildung weiter: Studierende aus höheren sozioökonomischen Schichten erreichen häufiger einen Hochschulabschluss und erzielen besse - re Leistungen als Gleichaltrige aus niedrigeren sozioöko- nomischen Schichten. 15 Bildungsabschlüsse haben einen erheblichen Einfluss auf die künftigen Karriereaussichten junger Menschen. Wer einen Hochschulabschluss oder eine weiterfüh- rende Qualifikation anstrebt, hat später bessere Ver -
dienstaussichten. Für junge Menschen ohne Hochschul- abschluss ist der Weg in eine gut bezahlte und stabile Beschäftigung deutlich weniger klar. 16 Häufig gewählte Berufe In England und Wales arbeitet etwa ein Drittel der Be- schäftigten in fachlichen oder technischen Berufen (z. B. Erziehung und Bildung, Informationstechnologie, Ge- sundheits- und Krankenpflege, Marketing, Medienbe - rufe, Sozial- und Wohnungswesen usw.), die damit die häufigste Form der Beschäftigung darstellen. Darüber hinaus sind mehr als 10 % in führenden oder leitenden Positionen und etwa 10 % in qualifizierten Handwerks - berufen (z. B. in der Elektroinstallation) tätig. Die folgenden fünf Branchen beschäftigen die meisten Menschen: › Groß-, Einzel- und Kraftfahrzeughandel (15 % der Erwerbstätigen), › Gesundheits- und Sozialwesen (14,7 % der Erwerbs tätigen), › Erziehung und Bildung (9,8 % der Erwerbstätigen),
› Baugewerbe (8,7 % der Erwerbstätigen), › Fertigung (7,3 % der Erwerbstätigen). 17
13 Website des Office for National Statistics, Education, England and Wales: Census 2021 14 Institute for Fiscal Studies (2022), The UK education system preserves inequality 15 Institute for Fiscal Studies (2014), Socio-economic differences in university outcomes in the UK: drop-out, degree completion and degree class 16 Social Mobility Commission (2023), Labour market value of higher and further education qualifications: a summary report 17 Website des Office for National Statistics, Industry and occupation, England and Wales: Census 2021
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Ethnische Zugehörigkeit Das Vereinigte Königreich hat eine vielfältige und multi- kulturelle Gesellschaft, insbesondere unter jungen Men- schen. Das Konzept der britischen Identität ist komplex und dynamisch: Junge Menschen identifizieren sich auf unterschiedliche Weise hinsichtlich ihres nationalen Er- bes, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer Religion. Neben den Identitäten, die mit den vier Ländern des Vereinigten Königreichs verbunden sind, beeinflussen auch die lange Geschichte des Vereinigten Königreichs als Einwanderungsziel und die britische Geschichte als Kolonialmacht die Art und Weise, wie junge Menschen ihre persönliche britische Identität beschreiben. Viele junge Menschen knüpfen ihre Identität an ihre eth- nische Zugehörigkeit und bezeichnen sich als „Black“, „Asian“ oder „White“ (Schwarz, Asiatisch oder weiß) . Auch religiöse Identitäten werden herangezogen. Begriffe für Nationalität, ethnische Zugehörigkeit und Religion wer- den manchmal kombiniert, und Menschen beschreiben ihre Identität beispielsweise als „Black British“ ( Schwarz - Britisch), „White British“ ( Weiß -Britisch) oder „British Muslim“ (Britisch-Muslimisch) oder in einer Vielzahl an- derer Variationen.
Ethnische Zugehörigkeit und Einwanderung gelten in der Politik und Kultur des Vereinigten Königreichs als sepa- rate Konzepte. Viele junge Menschen im Vereinigten Kö- nigreich, insbesondere solche indischer, pakistanischer oder karibischer Herkunft, stammen aus Familien, die vor mehreren Generationen eingewandert sind. Ihre Eltern, Großeltern und vielleicht sogar Urgroßeltern wurden im Vereinigten Königreich geboren. Es ist unangebracht, diese Menschen als „Immigrants“ (Einwander*innen) zu bezeichnen und könnte als rassistisch empfunden werden. Der Begriff „Immigrants“ wird verwendet, um Personen zu beschreiben, die nicht auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs geboren wurden. In der Volkszählung des Vereinigten Königreichs werden Daten zur ethnischen Zugehörigkeit in verschiedenen Ka- tegorien erfasst. Die wichtigsten dieser Kategorien sind: „Asian“ oder „Asian British“: Dazu gehören Menschen indischer, pakistanischer, bangladeschischer, chinesi- scher und anderer asiatischer Herkunft. „Black“, „Black British“, „Caribbean“ oder „African“: Diese Kategorie umfasst Menschen karibischer, afrikani- scher und anderer Schwarzer Herkunft.
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Länderinformationen UK
› Im Vereinigten Königreich identifizieren sich 82,7 % der 16- bis 24-Jährigen als weiß . Dieser Anteil nimmt jedoch stetig ab, während ethnische Minder- heitsgruppen wachsen. 20 › Menschen aus Asiatischen ethnischen Gruppen stellen den zweitgrößten Anteil (9,3 %), gefolgt von den Kate gorien Schwarz (3,6 %), Mixed (2,6 %) und Sonstige (1,9 %). Innerhalb der Asiatischen Gruppe stellen indisch- und pakistanischstämmige Menschen den größten Anteil. 21 › Die ethnische Vielfalt im Vereinigten Königreich ist regional sehr unterschiedlich. In London, der Region mit der größten ethnischen Vielfalt, geben 46 % der Menschen ihre ethnische Herkunft als „non-white British“ ( Nichtweiß -Britisch) an. Im Nordosten Englands und in Wales dagegen ist der Anteil der Menschen, die sich als „White British“ bezeichnen, am höchsten (jeweils 90,6 %). 22 Junge Menschen aus vielen ethnischen Minderheiten- gruppen sind Herausforderungen wie Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und wirtschaftlicher Benachteili gung ausgesetzt. Sie werden häufiger aus der Schule ausgeschlossen, leben häufiger in Armut und sind in der Jugendstrafjustiz überrepräsentiert. 23 Obwohl sich die Bildungsunterschiede zwischen den ethnischen Grup- pen verringert haben, sehen sich junge Menschen aus ethnischen Minderheitengruppen im Vereinigten König- reich mit zahlreichen Hindernissen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. 24 Fast die Hälfte der jungen Menschen aus ethnischen Minderheitengruppen hat beim Eintritt in die Arbeitswelt Diskriminierung oder Vorurteile erfahren. 25
Gypsy, Traveller
„Mixed“: Dies sind Menschen, die ihre Herkunft als ge- mischt beschreiben, zum Beispiel wenn ihre Eltern oder Großeltern verschiedenen ethnischen Gruppen angehö- ren. „White“: Dazu gehören Menschen, die ihre Gruppenzu- gehörigkeit als Britisch, Irisch, Gypsy 18 , Irish Traveller 19 oder Rom*nja oder allgemein als weiß angeben. Der Begriff „ethnische Minderheit“ wird für alle ethni - schen Gruppen außer der weißen britischen Gruppe verwendet. Diese weiße ethnische Gruppe umfasst auch weiße Minderheiten, einschließlich Gypsy, Rom*nja und Irish Traveller, sowie weiße Menschen aus EU-Ländern. Im Vereinigten Königreich gilt der Begriff Gypsy nicht als rassistische Verunglimpfung, sofern er korrekt verwendet wird. Es wird üblicherweise unterschieden zwischen Gypsies (einschließlich englischer Gypsies, schottischer Gypsy/Travellers, walisischer Gypsies und anderer Roma), irischen Travellers, die spezifisch irische Wurzeln haben, und Roma, die als jüngere Mi granten aus Mittel- und Osteuropa verstanden werden. In Kontinentaleuropa werden jedoch alle Gruppen mit einer nomadischen Geschichte als „Roma“ kategori siert, ein sehr viel weiter gefasster Begriff, der zwar Gypsy und irische Travellers einschließt, aber nicht die Art und Weise ist, in der sich die meisten britischen Gemeinschaften selbst identifizieren würden.
18 Gypsies and Travellers 19 Tackling inequalities faced by Gypsy, Roma and Traveller communities 20 Website des Office for National Statistics, Young people by ethnicity in England and UK 2018 21 Ibidem 22 Website der britischen Regierung (2022), Regional ethnic diversity 23 Barnardos (2020), How systemic racism affects young people in the UK 24 Joseph Roundtree Foundation (2015), Supporting ethnic minority young people from education into work 25 Youth Futures Foundation (2024), Discrimination and work
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Aufwachsen im Vereinigten Königreich
Religion Die Staatsreligion des Vereinigten Königreichs ist das Christentum, und der Staat unterhält offizielle Beziehun - gen zur „Church of England“ und zur „Church of Scotland“ (beide protestantisch). Vor allem in Nordirland spielt die Religion eine zentrale und wichtige Rolle im Leben der Menschen. Dennoch ist die Gesellschaft im Vereinigten Königreich eine der säkularsten der Welt, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich keiner Religion zugehörig. Dieser Anteil ist bei jungen Menschen noch höher: 71 % der 18- bis 24-Jährigen geben an, keiner Re - ligion anzugehören. Der Anteil der Bevölkerung, der sich zum Christentum bekennt, ist in den letzten 20 Jahren drastisch zurück - gegangen. Nur 3 % der 18- bis 24-Jährigen bekennen
sich zur „Church of England“, 5 % geben an katholisch zu sein. Demgegenüber ist der Anteil der Menschen, die nichtchristlichen Religionen wie dem Islam, Hinduismus, Sikhismus und dem Judentum angehören, kontinuierlich gestiegen. Der Islam ist die zweitgrößte Religionsgruppe im Vereinigten Königreich, mit der sich rund 6 % der Be - völkerung identifizieren. 26 27 LGBTQIA+ Schätzungen zufolge identifizieren sich 3,3 % der Be - völkerung im Vereinigten Königreich ab 16 Jahren als lesbisch, schwul oder bisexuell. Etwa 0,5 % der Bevöl - kerung ab 16 Jahren geben an, dass ihr Geschlecht und / oder ihre Geschlechtsidentität („gender“) von dem bei ihrer Geburt eingetragenen Geschlecht („sex“) abweicht. 28
26 Curtice, J., et al. (eds.) (2019), British Social Attitudes: The 36th Report, London , The National Centre for Social Research 27 St Mary’s University, Twickenham, Europe’s Young Adults and Religion Findings from the European Social Survey (2014-16) to inform the 2018 Synod of Bishops 28 Website des Office for National Statistics, Sexual orientation, UK: 2021 and 2022
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Länderinformationen UK
Die Einstellungen zur Akzeptanz aller Sexualitäten und gleichgeschlechtlicher Beziehungen sind generell positiv, vor allem unter den jüngeren Generationen. Seit 2013 ist die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Die Lebenser fahrungen junger LGBTQIA+ im Vereinigten Königreich können jedoch, je nach ihren individuellen Umständen, ihrem Umfeld und den Gemeinschaften, in denen sie le- ben, sehr unterschiedlich sein. Die Möglichkeit, zu Hau- se offen mit der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität umzugehen, ist für viele junge Menschen nach wie vor ein großes Problem, und weniger als die Hälfte der jungen Menschen, die sich offen zu ihrer LGBTQIA+- Identität bekennen, fühlen sich von allen „akzeptiert“. Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Unsichtbarkeit von Personen aus der LGBTQIA+-Community in den Lehr - plänen der formalen Schulbildung, ihrer halbherzigen oder unangemessenen Repräsentation in schulischen Räumen und ihrer unterschiedlichen Akzeptanz am Ar- beitsplatz. Einstellungen gegenüber Transgender-Personen und Trans-Rechten sind weniger positiv, obwohl immer mehr junge Menschen akzeptiert werden, die verschiedene Gender leben. 29 Die Anerkennung verschiedener Gen- der und die Unterstützung für transsexuelle junge Men- schen sind derzeit Gegenstand intensiver öffentlicher und politischer Debatten. Das Tavistock Centre , das jun- gen Menschen Unterstützungsangebote zur Entwicklung ihrer Gender-Identität bereitstellte, wurde kürzlich nach aufsehenerregenden Gerichtsverfahren geschlossen. Junge Menschen mit Behinderungen 17,8 % der 16- bis 25-Jährigen in England und Wales ge - ben an, eine Behinderung zu haben. 30 Dieser Anteil ist steigend und es wird vermutet, dass dies auf die zuneh- mende Anerkennung psychisch bedingter Behinderun- gen zurückzuführen ist. 31 Die Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderun- gen sind im Allgemeinen positiv. Die meisten Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen Regelschulen und sind gut in den Unterricht integriert. Weniger als 10 % besuchen Sonderschulen. 32
Als junger Mensch mit einer Behinderung im Vereinigten Königreich aufzuwachsen, bedeutet jedoch, mit einer Reihe von Herausforderungen und Ausgrenzungsfakto- ren konfrontiert zu sein, insbesondere beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. Menschen mit Behin- derungen haben häufiger einen niedrigeren Bildungs - abschluss und sind seltener erwerbstätig als Menschen ohne Behinderungen. Wohneigentum ist unter Men- schen mit Behinderungen weniger verbreitet und sie leben häufiger in Sozialwohnungen. Das Wohlbefin - den von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Glücksempfinden und Lebenszufriedenheit, ist tenden - ziell geringer. Menschen mit Behinderungen beteiligen sich jedoch aktiver an staatsbürgerlichen Aktivitäten, zum Beispiel indem sie Petitionen unterzeichnen und an öffentlichen Kundgebungen teilnehmen. 33
Der Begriff „sonderpädagogischer Förder bedarf“ (special educational needs) wird im Bildungsbereich für alle Personen mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen verwendet.
29 Kantar (2020), Attitudes towards LGBTQ+ community and rights in UK society study 30 Website des Office For National Statistics, Disability, England and Wales: Census 2021 31 The Guardian (2023), Surge in young people declaring disability in England and Wales 32 Website von Mencap (2024), Learning Disability – Children and Young People Stats 33 Website des Office for National Statistics, Outcomes for disabled people in the UK: 2020
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Aufwachsen im Vereinigten Königreich
Anliegen der Jugend im Vereinigten Königreich Langfristige Anliegen junger Menschen Das britische Jugendparlament organisiert alle zwei Jah- re eine Veranstaltung mit dem Titel Make Your Mark , bei der fast eine halbe Million junge Menschen zwischen 11 und 18 Jahren über die Themen abstimmen, die ihnen am meisten am Herzen liegen. Die fünf am häufigsten genannten Themen zwischen 2011 und 2020 waren: › Wahlrecht ab 16, › ein schulischer Lehrplan mit Schwerpunkt auf Lebens- kompetenz und politische Bildung zur Vorbereitung junger Menschen auf das Leben, › Verbesserung der psychischen Gesundheit junger Menschen, › Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel, › Anhebung und Angleichung des Mindestlohns für junge Menschen. Meinungen junger Menschen zum Brexit Das Vereinigte Königreich ist nach einem Referendum am 23. Juni 2016 aus der Europäischen Union ausgetre - ten. Bei diesem Referendum stimmte die Mehrheit der 18- bis 34-Jährigen für den Verbleib in der EU, während die Mehrheit der über 55-Jährigen den Austritt unter- stützte. 34 Untersuchungen zeigen, dass viele junge Men schen nun frustriert über die Brexit-Entscheidung sind , die ihrer Meinung nach hauptsächlich von älteren Gene- rationen getroffen wurde. Die meisten sind besorgt über den Verlust von Chancen und sozialen Vorteilen der EU- Mitgliedschaft sowie über die negativen Auswirkungen des Brexits auf die britische Wirtschaft. Junge Menschen sind auch sehr besorgt über die negativen Auswirkungen des Brexits auf multiethnische Gemeinschaften in Form von wachsender Intoleranz, Diskriminierung und Rassis- mus. Da Nordirland eine Grenze mit der Republik Irland hat und viele junge Menschen grenzüberschreitende Bil- dungsangebote nutzen, sind junge Menschen in Nordir- land vom Brexit besonders stark betroffen.
Auswirkungen der Coronapandemie Wie in vielen anderen europäischen Ländern haben auch im Vereinigten Königreich junge Menschen die so- zialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie am stärksten zu spüren bekommen. Sie sind jetzt nicht nur mit den dauerhaften Folgen von Unterbrechungen ihrer Bildung und Erwerbstätigkeit konfrontiert, sondern leiden auch unter einer Verschlechterung ihrer psychi- schen Gesundheit. Die Pandemie hat nicht alle jungen Menschen gleichermaßen getroffen. Diejenigen, die in Nordengland leben oder aus weniger wohlhabenden Familien stammen, sind stärker von Arbeitsplatzverlus- ten betroffen. Darüber hinaus waren junge Menschen, die einer ethnischen Minderheit angehören, einem un- verhältnismäßig höheren Risiko ausgesetzt, nach dem Lockdown arbeitslos zu werden, und verloren doppelt so häufig ihren Arbeitsplatz. 35 Die „Cost of Living“ Krise Für junge Menschen im Vereinigten Königreich kamen der Brexit und die Coronapandemie dicht gefolgt und verschärften eine wirtschaftliche Situation, die für sie nach der Sparpolitik in der Folge der Bankenkrise von 2007–2008 bereits schwierig war. Im Jahr 2022, kurz nach der Coronapandemie, führte die konservative Re- gierung unter der damaligen Premierministerin Liz Truss eine radikale Wirtschaftspolitik ein, die einen rapiden Anstieg der Lebenshaltungskosten („cost of living“) nach sich zog. Heute geben 49 % der 16- bis 25-Jährigen im Vereinigten Königreich an, dass die Krise der Lebenshal-
34 Ipsos-Website (2016), How Britain voted in the 2016 EU referendum 35 The Health Foundation (2020), Generation COVID-19
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