IHK-Global Business Ausgabe 5/2024

EUROPÄISCHE UNION

Negativbeispiel dafür ist die seit 2021 geltende Medical Device Richtlinie MDR. Ziel der Regulierung war es, einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt für Medizinprodukte sicherzustellen, der ein hohes Niveau an Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet. Eine Umfrage, die die DIHK, die Clusterinitiative Medical Mountains und der Industriever- band SPECTARIS zwei Jahre nach Geltungsbeginn der Verordnung bei deutschen Herstellern von Medizin- produkten durchführten, zeigt, dass das Gegenteil erreicht wurde. Die hohen Anforderungen und Dokumen- tationen, die die Regulierung vor- sieht, sind mit so großem Aufwand verbunden, dass viele Medizinpro- dukte vom EU-Markt verschwanden und Innovationsprojekte auf Eis gelegt wurden, da Nischenprodukte nicht mehr wirtschaftlich vermarktet werden können. Europäische Fachkräfte gesucht Der Fachkräftemangel stellt aus Sicht deutscher Unternehmen eines der drei größten Risiken für ihre Ge- schäftsentwicklung dar. 56 Prozent der 27.000 Unternehmen, die sich an der DIHK-Konjunktur-Umfrage zu Jahresbeginn 2024 beteiligten, bezeichneten den Fachkräftemangel als eines der größten Risiken für ihr Unternehmen.

gangs zum Binnenmarkt groß (gerin- ger Nutzen: 26 Prozent). 53 Prozent profitieren besonders von einheitli- chen EU-Normen und Standards, weil sie Produkte und Leistungen nicht aufwändig für jedes EU-Land einzeln anpassen müssen. Doch noch ist der Binnenmarkt nicht vollendet. So gibt es zum Bei- spiel bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen noch immer zahlreiche Hürden. Die Entsenderichtlinie, die seit dem 30. Juli 2020 in Kraft ist, sieht vor, dass auch bei kurzen grenzüber- schreitenden Einsätzen die nationa- len, tariflich festgelegten, Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden müssen. Dafür haben die Mitgliedsstaaten Meldeportale ein- gerichtet, die allerdings von Land zu Land variieren und oft sogar nur in der Landessprache zugänglich sind. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter auch nur zu kurzen Wartungs- oder Reparatureinsätzen ins EU-Ausland entsenden, müssen sich vor jedem Einsatz mit den Regulatorien und Lohn- und Arbeitsbedingungen des entsprechenden Landes auseinander- setzen, was gerade für kleinere und mittlere Unternehmen eine große Hürde darstellt. Auch die notwendigen Qualifikatio- nen zur Erbringung von Dienstleis- tungen sind in der EU nicht einheit- lich geregelt. Dadurch ist es häufig

sehr aufwendig zu ermitteln, welche Qualifikationen in welchem Mit- gliedsstaat notwendig sind und wie diese nachgewiesen werden können. Die Anerkennung von Qualifikatio- nen, Ausbildung und Erfahrung in- nerhalb der Mitgliedsstaaten erweist sich ebenfalls noch als sehr schwierig und ist häufig mit aufwendigen Nach- weispflichten verbunden. Level Playing Field notwendig Der Auswahlmöglichkeit „Weniger Wettbewerbsverzerrungen“ ordnet ein Drittel der Unternehmen einen hohen und weitere 31 Prozent zumindest einen geringen Nutzen zu. Bei den auslandsaktiven Unternehmen sehen 44 Prozent der Unternehmen einen großen Nutzen in geringeren Wett- bewerbsverzerrungen im heutigen EU-Binnenmarkt. Die Harmonisie- rung von Regelungen und Standards in der EU kann mit dazu beitragen, ein „Level Playing Field“ für Unter- nehmen zu schaffen. Harmonisierung des Rechts allein genügt jedoch nicht, um EU-weit gleiche Wettbewerbs- bedingungen zu schaffen. Es braucht auch eine vergleichbare Rechtsdurch- setzung. Allerdings darf Harmonisierung nationaler Standards nicht zu über- bordender Regulatorik führen und dadurch den Binnenmarkt sogar behindern, statt ihn zu fördern. Ein

Was haben Unternehmen von der EU? Zieht Ihr Unternehmen Nutzen aus einem der folgenden Aspekte der Europäischen Integration? Angaben in Prozent.

Politische Stabilität

58

24

8

10

Gemeinsamer Währungsraum, Wegfall von Wechselkursen

55

21

8

16

Einheitliche EU-Normen und Standards

38

30

14

18

Zugang zu europäischen Märkten

41

25

10

24

Weniger Wettbewerbsverzerrungen

33

31

17

19

Fachkräftegewinnung aus anderen EU-Mitgliedstaaten

26

35

21

18

Gemeinsame Handelspolitik

33

24

16

27

Zugang zu EU-Förderprogrammen

19

35

23

23

Zugang zu europaweiten Finanzierungsmöglichkeiten 0

12

30

30

39

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

ja, großer Nutzen

ja, geringer Nutzen

nein, kein Nutzen

nicht betroffen

QUELLE: IHK-UNTERNEHMENSBAROMETER ZUR EU-WAHL 2024

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IHK Global Business 05/2024

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