USA-Special 2022: Deutsch-US-Amerikanischer Jugendaustausch

Jugend in den USA

insgesamt 110 junge Menschen aus dem Rhein-Main- Gebiet und über 200 junge Native Americans teil. Dabei wurden im Rahmen der Begegnungsaktionen Instru- mente und sonstiges Musikzubehör im Wert von über 50.000 US-Dollar als Spenden übergeben, damit die dor- tigen Kids jederzeit rocken und rappen können. Lebenslagen- und Lebensweltorien­ tierung als konzeptionelle Grundlagen Mehrjährige Erfahrungen im Bereich internationaler sowie interkultureller Jugendarbeit lag bei dem Offen - bacher Team bereits vor, u. a. auch in Kooperation mit Arbeit und Leben Hessen. Ein Projekt in den USA, und hier gezielt im indigenen Amerika, war allerdings für alle Neuland. Die Reisen 2000 und 2002 sowie die ehrenamt- liche Menschenrechtsarbeit boten jedoch ausreichend Vorerfahrungen und Wissen zu Lebenslagen, Lebens- perspektiven und Interessen junger Bewohner*innen der Pine Ridge Reservation , an die konzeptionell angeknüpft werden konnte. Außerdem fand seit 2002 auch ein reger Austausch zwischen Sozialarbeiter*innen und Lehrkräften der Pine Ridge Reservation und dem Offen - bacher Team statt. Die Pine Ridge Reservation 2 ist jenes Gebiet, das den Oglala-Lakota Ende des 19. Jahrhunderts durch die US-Regierung in South Dakota zugewiesen wurde. Sie gilt als eines der ärmsten Counties der USA. Für junge Menschen bedeutet dies u. a. Aufwachsen mit Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, rassis- tischen Diskriminierungen und existentieller Unterver- sorgung. Hinzu kommt, dass die Pine Ridge Reservation in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht nur einer jener Orte war, an denen sich Native Americans gegen die anhaltende Repression und Diskriminierung mit spekta- kulären Aktionen erhoben. Die Pine Ridge Reservation war zugleich Ort bürgerkriegsähnlicher Zustände aufgrund der Schreckensherrschaft eines korrupten Stammes- präsidenten der Oglala, der mit Hilfe staatlicher Institu- tionen seine eigene Bevölkerung terrorisierte. 3 Addiert man die traumatischen Folgen jahrhundertelanger Kolo- nialisierungs-, Genozid- und Ethnozidgeschichte 4 hinzu, dürfte es kaum verwundern, dass sich dies alles psy- chisch bei vielen (jungen) Indigenen in Formen (auto-) destruktiver Gewalt manifestiert. Gleichzeitig gibt es aber auch ein enormes Potenzial an Kreativität, künst- lerischem Geschick und sportlichem Engagement: Gleich ob Rock- oder Hip-Hop-Musik, Tanz, Malerei, Medien- produktionen oder Skulpturen, ob beim Reiten, Basket- ball oder in der Leichtathletik – Sport und Kultur waren

und sind für viele junge Natives wichtige Ausdrucks- mittel ihrer Stärke und ihres Ungebrochenseins. Dem- entsprechend lag also nichts näher, als das Programm der geplanten Jugendbegegnungen entsprechend zu gestalten, wohlwissend, dass Musik, Medien und Sport auch zu den Top-Freizeitpräferenzen der in Deutschland lebenden Jugendlichen zählen. Zum Projektaufbau und -ablauf Beim Projektaufbau wurden unterschiedliche metho- dische Elemente einer erlebnisorientierten Jugend- arbeit berücksichtigt: internationale Jugendarbeit, Jugendkulturarbeit, politische Bildung, Sport Erlebnis- pädagogik, Medienpädagogik und Gruppenarbeit. 5 Aus diesen Elementen entstand ein spannender Mix aus Workshops, Projektbesuchen, Vorträgen, Sport, Dis- kussionen und Exkursionen, wobei jede Tour unter einem eigenen Themenschwerpunkt stattfand (z. B. Save Mother Earth , Native Lives Matter ). Die ca. 28 teil- nehmenden Jugendlichen absolvierten in den zwei- wöchigen Begegnungsaktionen täglich einen bis zu 16 Stunden langen Aktionsparcours. In den unverplanten Phasen des Zusammenseins tauschten sich die jungen Teilnehmer*innen über alles Mögliche aus: Mode und Musik, Zukunftsträume, Sport und Filme, Freundschaft, das Leben in den jeweiligen Heimatländern. Eine nachhaltige Wirkung der Begegnungen – auf beiden Seiten Die teils sehr emotionalen Erfahrungen während der Begegnungen sensibilisierten vor allem die deutschen Projektteilnehmer*innen, sich längerfristig mit den Lebensrealitäten indigener Bevölkerungen auseinander- zusetzen. Viele Teilnehmer*innen brachten ihre Erfahrungen und ihr Wissen in schulischen Projekten und Abschlussprüfungen oder auch als spätere Diplomarbeits- themen an der Hochschule ein. Einzelne Teilnehmende begannen, sich in der Menschenrechtsarbeit zu engagie- ren, andere hielten die Kontakte viele Jahre über Social Media aufrecht und studierten später sogar in den USA. Bei den jungen Lakota gab es ähnliche Beobachtungen. Einige kamen später zu Besuch nach Deutschland, nah- men dort an gemeinsamen Projekten teil und besuchten auch ihre deutschen Freund*innen. Andere nahmen gleich über mehrere Jahre an den Begegnungen in den USA teil und engagierten sich später in dortigen Jugend- zentren als ehrenamtliche Musikteamer*innen.

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