PORTRÄT
WOHLBEFINDEN
Als «Parfumeur créateur» ist Daniel André für diverse Lusxusmarken tätig und weiss bei jedem Auftrag neue Horizonte zu eröffnen. Eine Begegnung in seinem Labor in Genf.
Was ist der erste Geruch, an den Sie sich erinnern können?
Sofort in den Sinn kommt mir etwas aus meiner Kind- heit: der Duft von gemähtem
Gras, als ich auf dem Rasen spielte. Ebenso erinnere ich mich an den Geruch meiner Grossmutter, auch wenn ich sie kaum kannte. Von all unseren Sinnen ist ja das Geruchsgedächtnis der genaueste, der am meisten Emo- tionen vermittelt. Gerüche versetzen uns auf der Stelle in einen genauen Sinnes- und Gefühlskontext. Wir haben doch alle unser Madeleine, wie Proust damals … In einem Parfumeur-Labor an Flakons zu schnuppern, das ist wie eine Psychoanalyse-Sitzung, an der einem Momente aus dem eigenen Leben wiederbegegnen, die einen im Innersten berührt haben. Da werden Erinnerun- gen wach, die nur einem allein gehören und die sich positiv oder auch negativ eingeprägt haben.
Können Düfte uns beim Einschlafen helfen?
Lavendel etwa gilt als ent spannend. Bei meinen Töch- tern wiederum hat Mandarine
sehr gut gewirkt. Umgekehrt könnte man sich auch Weck- Düfte vorstellen, entwickelt für das Ende der Nacht, wenn der Schlaf weniger tief ist, und mit denen man sanft aufwachen kann.
Sie selbst träumen von Düften, wie Sie sagten. Das interessiert uns …
Genau so, wie Musiker von Musik träumen, träume ich von Düften. Das können solche
sein, die ich bereits gerochen habe, aber auch erträumte. Ich habe meine Geruchsfantasie so trainiert – indem ich versucht habe, an einen Duft zu denken, bis ich ihn real gespürt habe –, dass das bei mir heute ganz von selbst geht. Aber jeder und jede kann sich das beibringen: Studien haben gezeigt, dass sich diese Fähigkeit antrainieren lässt.
Appelliert auch der Duft einer Marke, ihre Geruchs-Signatur, an unsere Gefühle?
Ja, er erlaubt es, eine Botschaft und selbst Werte auf ganz an- dere Weise zu vermitteln als mit herkömmlichem Marke-
ting. Weil er den Gesuchssinn anspricht, sind Emotionen garantiert. Für Elite sollte dieser Duft reale Gefühle wie das Wohlbefinden nach einer entspannten Nacht oder den Komfort evozieren. Doch mir war gleich bewusst, dass Elite der Umgang mit Menschen ebenso wichtig ist, die Freundlichkeit … gute Kundenpflege eben. Ebenso die Arbeit der Handwerker, welche diese schönen Produkte erschaffen; all dies hat mich inspiriert.
Schwebt Ihnen aktuell ein Parfum vor, das Sie entwickeln wollen?
Ständig! Täglich stelle ich meine Duftreihen zusammen und übe, Flakons wiederzuer- kennen und zu entdecken.
Auch wenn ich tausend-, zweitausendmal am selben Pro- dukt geschnuppert habe, hoffe ich doch stets auf eine Über- raschung! Man neigt dazu, etwas zu riechen und zu denken: Ist ja nur ein Geruch. Dabei setzt er sich aus Dutzenden, ja Hunderten vonMolekülen zusammen. Ein Duft ist nicht, wie viele annehmen, nur eindimenional – er hat einen Körper, eine eigene, einzigartige Form. Wenn man ihn dreht, sieht man Unebenheiten; sie sind es, die einem zeigen, wie seine verschiedenen Ausgangsstoffe miteinander verbunden sind. Und auch, wie man sie zusammensetzt … sie vereinigt.
Wie setzt man solche Vorstell ungen und Werte in Düfte um?
Im Vokabular der Düfte sind es die blumigen Noten, die Wohlbefinden, Naturgefühle
hervorrufen. Holznoten ihrerseits können Assoziationen an die traditionelle Fertigung wecken. Dann entsteht daraus eine Art Partitur: Alles zusammen soll gut klingen… und beimWahrnehmen Wohlgefallen auslösen. Natürlich muss es auch Charakter haben, um wiedererkennbar zu sein … Das Wichtigste aber ist, dass dieser Duft nicht aggressiv und aufdringlich daherkommt, sondern subtil, raffiniert und zart …
Haben Sie für diesen perfekten Geruchssinn eine Veranlagung?
Für das Riechen sicher; aber hier geht es ums Training. Ich hatte das Glück, einmal Givaudan in Genf zu besuchen.
Einer ihrer Parfumeure hielt damals einen aussergewöhn- lichen Vortrag, nach dem wir alle, noch Studenten, dieses Metier ausüben wollten. Damals war Givaudan ja die einzige «Riech»-Schule weltweit. Und wieder hatte ich Glück: Ich wurde als einer von nur drei Schülern in diese sehr rare Ausbildung aufgenommen. Was mir dort gefiel, war, wie sich die Welten der Wissenschaft und der Kunst ineinander verwoben. Das naturwissenschaftliche Studium fand ich toll und faszinierend, dennoch fehlte mir dort etwas; ich konnte mir schwer vorstellen, ein Leben lang nur Chemi- ker zu sein, das erfüllte mich einfach nicht. Ich hielt mich ohnehin immer für einen unechten Wissenschaftler. Mein Kopf war in denWolken, wo er doch auf demPapier, bei den Formeln, sein sollte. Dieses neue Metier hingegenmachte es mir möglich, quasi auf zwei Hochzeiten zu tanzen …
ET SI NOUS AVIONS LE POUVOIR DE FAÇONNER VOTRE SOMMEIL ?
DIE SCHLÜSSEL DES MORPHEUS
«Les clefs de Morphée» (Die Schlüssel des Morpheus), die von Parfumeur Daniel André kreierte Duft-Signatur, gibt sich frisch (durch die Extraktion aus Zitrus-Zesten), blumig, holzig und schillernd. Sie enth lt Eisenkraut, Bergamotte, Pfeffer, Jasmin, Iris und Baumwolle (Baumwollessenz für die Weichheit). Hinzu kommen Moschusnoten, Kumarin (Auszug aus Medizinalpflanzen), Seerosenblüten sowie eine Blüte, die nachts blüht und die Daniel Andrè «Fleur de lune» (Mondblüte) nennt.
WAS WÄRE, WENN WIR UNSEREN SCHLAF BEEINFLUSSEN KÖNNTEN?
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