Ein Herz für Tiere

Tiefsee-Welten

Anpassung ist alles Und noch einen Sonderling findet man hier – den Tiefseevampir (Vampyroteuthis infernalis), eine Art Tintenfisch, der durch eine besondere Überlebenstaktik bekannt ist: Er beschießt seine Feinde mit leuchtenden Photobakterien. Mit die- ser Farbbeutelattacke sorgt er hinterrücks dafür, dass seine Räuber nun von anderen Tieren gese- hen werden – und so entweder selbst zur Beute werden oder verhungern müssen, weil sie von ihren Beutetieren rechtzeitig entdeckt werden und diese abhauen können. Die unterste Zone der Tiefseegräben lieben Tiefseeasseln, Borstenwürmer, Floh- und Zehn- fußkrebse, Seegurken, aber auch der Scheiben- bauch (Pseudoliparis swirei). Letzterer ist ein zarter, gläsern wirkender, rosafarbener Fisch und nur etwa doppelt so lang wie eine Zigarre. 2014 wurde er am tiefsten Punkt des Meeres in 8000 Metern Tiefe im Marianengraben erstmals entdeckt. Er ist ein absoluter Rekordhalter unter den Fischen: Man kennt bis heute keinen anderen Fisch, der in so großen Meerestiefen leben kann wie er. Denn er hält einem Wasserdruck stand, der dem Gewicht von 1600 Elefanten entspricht! Höhen und Tiefen Unter Wasser ist nicht alles eben und gleich. Wie auf dem Land gibt es Berge und Täler – in Form von Tiefseegräben (z. B. Marianengraben) und Bergketten (z. B. Mittelatlantischer Rücken). Es gibt aber auch Seeberge im Arktischen Ozean. Auf diesen Gipfeln erloschener Vulkanberge in der arktischen Tiefsee gedeihen, unter ständig von Eis bedecktem Wasser, sogar riesige Schwammgärten. Die dichten Schwammgründe auf dem nördlichen Langseth-Rücken stellen ein erstaunlich üppiges, dicht besiedeltes Ökosystem dar, gelten als ein- zigartiger Hotspot des Lebens und wurden jüngst während einer „Polarstern“-Expedition völlig un- erwartet entdeckt. Die Schwämme ernähren sich mithilfe von Mikroorganismen wohl von den Überresten frü-

• Die Ozeane dieser Welt enthalten etwa 1.337.323.000 Kubik- kilometer Wasser. Mehr als 70 Prozent der Erde sind von Ozea- nen bedeckt, fast 90 Prozent des Meeresgrundes liegen in der Tiefsee. Eigentlich sind alle Ozeane miteinander verbunden und bilden ein riesiges, zusammenhängendes Meer. • Das tiefste und größte der drei Weltmeere ist der Pazifische Ozean. In ihm liegen der Westpazifische und der Mittelozea- nische Rücken sowie das Westpazifische Grabensystem, in dem sich auch der Marianengraben befindet. Das zweitgrößte und zweittiefste Weltmeer ist der Atlantische Ozean. In ihm liegt der Mittelatlantische Rücken, der bis zu 3000 Meter über dem Mee- resboden aufragt. Der kleinste Ozean ist der Indische Ozean. • Die Tiefsee nimmt den meisten Platz auf unserem Planeten ein. Sie beginnt 200 Meter unter der Meeresoberfläche – dort, wo die lichtreiche Zone (das Epipelagial) endet und die Däm- merzone (das Mesopelagial) beginnt. Sie geht – ab 1000 Metern – in die Mitternachtszone (das Bathypelagial) über. Ab 4000 Metern beginnt das Abyssopelagial, das ab 6000 Metern Was- sertiefe in die Zone der Tiefseegräben (Hadopelagial) mündet. • Die tiefste Stelle der Tiefsee, die ein Mensch je erreicht hat, liegt im Marianengraben, 10.994 Meter unter der Meeresoberfläche. • In 4000 Metern Meerestiefe ist der Druck etwa 400 Mal höher als an der Wasseroberfläche.

GESPENSTERFISCH Er wird auch Hoch- gucker genannt. Seine Familie be- steht aus 20 Arten

WEISSE RAUCHER Mehrere Unterwasser- vulkane, die in 3000 Me- tern Tiefe vorkommen

BIOLUMINESZENZ nennt man die Fähigkeit, selbst- ständig Licht zu erzeugen. Das Licht entsteht dadurch, dass zwei Stoffe, das Luciferin, eine Säure, und die Luciferase, ein Enzym, miteinander reagieren. Mithilfe von Sauerstoff und Energie aus den körpereigenen Zellen wird das Licht angeknipst. An Land kennt man diese Technik auch von Glühwürmchen. Die müssen sich dazu allerdings keine Bakterien hal- ten, sondern schaffen das magische Leuchten ganz alleine.

herer, inzwischen aus- gestorbener Bewohner der Seeberge, wie Wis- senschaftler in einer ak- tuellen Studie vermuten. Und dann gibt es noch die Schwarzen und Wei- ßen Raucher – Unterwas- servulkane, von deren Existenz in 3000 Metern Wassertiefe man erst seit 1977 weiß, als ein kleines U-Boot namens Alvin im Ostpazifik erstmals For- scher zu ihnen führte.

20 EIN HERZ FÜR TIERE / JUNI/JULI 2022

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