Ein Herz für Tiere

Tiefsee-Welten

Die unglaubliche Intelligenz der Tintenfische

handeln sogar vorausschauend und tragen Kokosnussschalen mit sich herum, um sich bei Gefahr rasch da- rin verstecken zu können. Und sie ha- ben sogar einen Intelligenztest (den sog. Marshmallow-Test) bestanden, den die meisten Menschenkinder erst ab dem 4. Lebensjahr schaffen. Nicht nur als mächtigster aller Kraken, sondern auch als intelligentester gilt der Pazifische Riesenkrake (Enteroc- topus dofleini). Er löst auch schwie- rige Aufgaben, wie etwa Gläser mit verschiedenen Schraubverschlüssen öffnen oder Menschen unterschei- den, mit Bravour. Der Mimik-Oktopus (Thaumoctopus mimicus) hingegen besticht durch eine andere Leistung: Er kann bis zu 15 (!) andere Tierarten täuschend ähnlich imitieren – nicht nur in deren Aussehen, sondern auch in deren Verhalten. Kaum zu glauben, aber Kraken legen, obwohl sie meist

Egal ob die zehnfüßigen Kalmare, die achtfüßigen Kraken oder die Gewöhnlichen Tintenfische: Kopffü- ßer gehören zu den intelligentesten Lebewesen, die die Tierwelt bislang hervorgebracht hat. Sie besitzen ein überraschend komplexes Gehirn, können zählen und lernen von allei- ne, viele Probleme zu lösen. Manche

VERWECHSLUNGSGEFAHR Der Mimik-Oktopus imitiert andere Tiere täuschend ähnlich

als strikte Einzelgänger unterwegs sind, zu bestimmten Zeiten auch ein starkes Sozialleben und einen großen Fürsorgeinstinkt an den Tag. So falten Krakenmütter, nachdem sie ihre Eier gelegt haben, gemeinsam schützend die Arme über ihren Nachwuchs und bilden so eine Art Krakenkindergarten.

RECHENGENIE Der Pazifische Riesenkrake ist überaus intelligent

Fragiles Ökosystem Wir befinden uns gerade am Anfang der „UN- Dekade der Ozeanforschung 2021 bis 2030“. Ein Grund mehr, die Erforschung der Tiefsee kräftig voranzutreiben. Immer wieder gibt es dabei auch Neuentdeckungen zu feiern. Manchmal auch ku-

riose. So hatte eine neue Flohkrebsart bei ihrer Erstentdeckung vor zwei Jahren den Kunststoff PET in ihrem Körper. Das Erschreckende daran: Die Art lebt im Marianengraben in der Nähe der Philippinen – und damit an einer der tiefsten und abgelegensten Stellen der Erde. Um ein Zeichen gegen die Meeresverschmutzung und die massive Plastikflut in den Weltmeeren zu setzen, wurde der nur fünf Zentimeter großen Art der Name Euryhtenes plasticus gegeben. Leider müsste man viele Zeichen setzen, denn die Probleme, mit denen die Meere zu kämpfen haben, sind vielfältig. Neben Verschmutzung bedrohen auch Schleppnetze, zunehmender Tiefsee-Bergbau, Klimawandel und die Öl- und Gasausbeutung die Ozeane. Und so macht auch das globale Artensterben vor der Tiefsee nicht halt. Ein Viertel aller beschriebenen Arten ist durch menschliche Einflüsse vom Aussterben bedroht. Zahlreiche Arten sterben aus, bevor sie überhaupt entdeckt werden. Der Schutz der Meere und ihrer Schätze in ihren tiefsten Tiefen, die nachhaltige Nutzung und die Achtung der Kapazitätsgrenzen müssten mehr denn je an erster Stelle stehen. Denn Ozea- ne sind auch Hoffnungsträger: für Medikamente aus dem Meer, für Rohstoffe, fürs Klima. Und damit nicht zuletzt auch für den Fortbestand der Menschheit.

KREBSTIERCHEN Die Flohkrebse sind weltweit in Salz- sowie Süßgewässern zu finden

TIEFSEE-QUALLE Kranzquallen gehören zu den Schirmquallen und kommen in sehr großen Tiefen vor

24 EIN HERZ FÜR TIERE / JUNI/JULI 2022

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