Partner Hund

RÜTTER

„Sobald ein Hund aggressives Verhalten zeigt, werden die meisten Menschen hektisch“

malerweise nicht einfach so aufeinan- der zu, sie nähern sich respektvoll und meistens im Bogen aneinander an. Es ist unsere Aufgabe, unsere Hunde gut zu sozialisieren. Genauso sollte es selbstverständlich sein, dass man sei- nen Hund nicht ohne Absprache zu anderen Hunden lässt. Dennoch, nicht jeder Hund mag je- den anderen Hund, und so kann es, trotz guter Sozialisierung und erfolgter Absprache, dazu kommen, dass zwei Hunde sich nicht verstehen. Das sieht man in dem Fall aber schon vorher, also bevor es wirklich körperlich wird. Und das ist dann der Zeitpunkt, an dem man spätestens eingreifen sollte: Wenn der Hund steif wird, wenn die Hunde sich imponierend umkreisen und dabei fixieren. Kommt es zum Aufreiten, ist es für ein Eingreifen fast zu spät. Denn dann handelt es sich tatsächlich um dominantes Verhalten: Der aufreiten- de Hund schränkt den anderen Hund ein, er beherrscht ihn. Zumindest für den Augenblick. Vielleicht lässt sich der andere Hund auf den Boden fallen und unterwirft sich? Vielleicht lässt er sich auch nicht dominieren und es kommt zu einer heftigen Beißerei. Dies gilt es natürlich in jedem Fall zu verhindern. Und zwar, indem man selbst dominant ist und den anderen Hund herunterholt. Im Idealfall reicht es, wenn man sich dazu groß macht, über den Hund beugt, diesen fixiert und vehement anspricht. Aber Achtung, auch jetzt hat dieser Hund wieder mehrere Möglichkeiten offen, zu reagieren. Er kann die do- minante Drohung des Menschen ak- zeptieren und weggehen, er kann den Menschen ignorieren und weiter aufrei- ten oder aber die dominante Drohung nicht akzeptieren und sich gegen den Menschen wenden. Daher sollte man es nach Möglichkeit eben gar nicht erst so weit kommen lassen, sondern gleich einschreiten! Für viele Menschen ist es ernüch- ternd, wenn sie erfahren, dass das gesamte Konstrukt an Regeln, das sie glaubten, einhalten zu müssen, auf ein- mal keine Rolle mehr spielt. So einfach ist Hundeerziehung aber eben leider nicht. Welche Regeln man für das Zu- sammenleben zwischen Mensch und Hund aufstellt, muss immer individuell entschieden werden.

aus. Oder? Also in Situationen wie in unserem Beispiel mit Lilly? Erst heute noch musste ich selbst wieder auf der Freilauffläche einen „Tut-nix“ von mei- ner Hündin herunterpflücken. Er kam aus der Distanz angeschossen, rem- pelte meine Hündin an, woraufhin sie ihn drohend fixierte. Dies führte dazu, dass er sie erst frontal begrenzte, um sie herumlief und dann anfing, auf ihr aufzureiten. Natürlich hätte ich meine Hündin die Situation auch selbst klären lassen können. Doch was hätte sie ge- lernt? „Mein Mensch bringt mich in eine Gegend, in der hirnlose Raser sich bei einem Zusammentreffen distanz- und respektlos verhalten. Mein Mensch ist viel zu langsam, um eine Kollision zu verhindern. Und wenn es geknallt hat, erstarrt er und ist zu keiner sinnvollen Reaktion mehr in der Lage.“ Sie lernt also, dass sie zukünftig besser schon in Habachtstellung geht, wenn wir wieder einmal spazieren gehen, und dass sie sich in einer brenzligen Situation auf keinen Fall auf mich verlassen kann. Sie scheint in unserer Beziehung diejenige zu sein, die die Verantwortung trägt. Ach ja, und wie war das noch mal mit der Elternrolle … ? Genau! Das ist unser Part als Mensch. Wir bringen den Hund irgendwohin, dann sind wir auch in der Pflicht, uns um seine Sicherheit zu kümmern. Hunde müssen nichts mit- einander klären, jedenfalls nicht, wenn sie nicht zusammenleben. Und wenn andere Haltende nicht in der Lage sind, ihre Hunde zu erziehen, dann sind wir in der Pflicht. Wir müssen solche Situ- ationen für unseren Hund im Idealfall verhindern bzw. dann klären, indem wir sofort reagieren, den anderen Hund he- runternehmen und verhindern, dass er unseren Hund erneut belästigen kann. Regeln für das Zusammenleben müssen erarbeitet werden Aber ist der aufreitende Hund denn nun dominant? Im ersten Schritt ist er einfach nur unerzogen und schlecht sozialisiert. Denn Hunde stürmen nor-

für dieses Verhalten. Immer dann, wenn der Hund auf ein Signal daher nicht so zuverlässig reagiert wie gewohnt, sollte sich der Haltende als Allererstes fragen, ob er seinem Hund überhaupt schon bei- gebracht hat, dieses Signal unter diesen Bedingungen auszuführen. In der Regel ist jetzt also ein Schritt zurück im Trai- ning angesagt. Sich aufzuregen, das Si- gnal körperlich durchzusetzen oder aber sogar den Hund dafür zu bestrafen, dass er das Signal nicht befolgt, führt dazu, dass der Hund noch weniger in der La- ge ist, es umzusetzen. Denn er erkennt ja sehr deutlich, dass der Mensch, aus welchen Gründen auch immer – denn aus seiner Sicht gibt es hierfür keine wirklich sinnvolle Erklärung – sauer ist, sodass beschwichtigendes Verhalten aus Sicht des Hundes angebracht ist. Hunde versuchen, in einer entspann- ten sozialen Gemeinschaft mit dem Menschen zu leben. Davon, den Men- schen zu dominieren oder die Welt- herrschaft übernehmen zu wollen, sind sie also weit entfernt. Sie wollen vom Menschen gut geführt werden und ihm dann freiwillig folgen.

Der Mensch muss die Verantwortung übernehmen

Aber in Bezug auf andere Hunde, da sieht es doch bestimmt ganz anders

Beziehung auf Augenhöhe? Nicht ganz: Der Mensch sollte in jeder Situation verlässlich den Hund führen

34 PARTNER HUND | JULI 2022

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