er braucht schon noch Fleisch? Im vergangenen Jahr ernährten sich laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits zehn Pro- zent der Deutschen vegetarisch und zwei Prozent vegan. Das sind doppelt so viele wie noch 2020. Fleischverzicht ist Trend und mehr als die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich mittlerweile auch als Flexitarier – Steak und Wurst stehen bei ihnen nicht mehr täglich, sondern nur noch ab und zu auf dem Speiseplan. Klar, dass da viele Halter ihren Vierbeiner auch vegetarisch ernähren wollen. Sei es, weil sie sich vor Fleisch ekeln, es ihnen um das Vermeiden von Tierleid oder um den Nachhaltigkeitsaspekt geht. W Vegetarisch ist eigentlich kein Problem „Aus ernährungsphysiologischer Sicht spricht nichts dagegen“, sagt Hunde- und Ernährungsexpertin Dr. Julia Fritz über Vegetarismus beim Hund. „Anders als bei Katzen funktioniert der Stoffwechsel von Hunden nämlich ähnlich wie der des Menschen. Daher können sie bestimmte Nähr- stoffe aus pflanzlichen Futtermitteln nutzen und umwan- deln, wie zum Beispiel das in Karotten enthaltene Betaca- rotin, eine Vorstufe von Vitamin A.“ Vitamin A stärkt unter anderem die Sehkraft und ist wichtig für die Wundheilung. Theoretisch könnte als jeder Hund auf eine vegetarische Ernährung umgestellt werden. Schließlich sind sie Carni- Omnivoren, also sowohl Fleisch- als auch Allesfresser. Zwar ist der Hund auf den Verzehr von Fleisch ausgelegt, im Zu- sammenleben mit dem Menschen hat er sich im Laufe der Jahrhunderte aber an unsere kohlenhydratreiche Ernäh- rung angepasst. Im Gegensatz zum Wolf können Hunde daher Stärke, zum Beispiel aus Kartoffeln, als Energiequelle nutzen. Ein echter Pluspunkt in Sachen Vegetarismus. Anders sieht es aus, wenn ein Welpe bereits vegan ernährt werden soll – also rein pflanzlich. Damit sollten Halter lieber warten, bis ihr Hund komplett ausgewachsen ist. Grund dafür sind die besonderen Nährstoffansprüche, die das Tier während der Wachstumsphase hat. Informieren zahlt sich aus Wer unsicher ist, ob eine vegetarische Ernährung für den Vierbeiner geeignet ist, sollte Rücksprache mit dem Tierarzt oder einem Ernährungsexperten halten. Gera- de bei Tieren, die eine Vorerkrankung haben oder schon etwas älter sind, ist das besonders ratsam. Ein auf Ernäh- rung spezialisierter Tierarzt kann anhand von Daten wie Körpergewicht, Alter oder Aktivität mithilfe von Nährwert- tabellen die einzelnen Zutaten zusammenstellen, damit der Hund täglich eine speziell auf ihn abgestimmte Ration bekommt. So kann von Anfang an einer Mangelernährung vorgebeugt werden. Das Problem, dass im Futter ein wich- tiger Mineralstoff oder ein Vitamin fehlen kann, kennen Halter, die selber barfen oder kochen, sicherlich auch. Eine Mangelerscheinung kann dem Tier schaden und ist dem Hund leider nicht sofort anzusehen. „Auch das Blutbild gibt wenig Aufschluss, ob wichtige Spurenelemente und Vitamine fehlen“, weiß Dr. Julia Fritz. Daher sollte man sich lieber gleich gut informieren, bevor es zu spät ist. Denn ein Mangel an Vitaminen und Co. entsteht per se nicht
durch den Fleischverzicht, wie man oft zu hören bekommt. Sondern dadurch, dass man sich nicht genug mit einer vegetarischen Lebensweise auseinandergesetzt hat. Das gilt bei uns Menschen genauso wie beim Hund. So kann es zum Beispiel wie bei vegetarisch lebenden Menschen auch beim Hund zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen, wenn auf Fleisch- und Milchprodukte verzichtet wird. Auch Taurin und L-Carnitin kommen überwiegend in Fleisch vor und haben eine Sonderstellung. „Über die Auswirkungen von fehlendem Taurin und L-Carnitin gibt es bisher zwar keine Studien, und Hunde können beides eigentlich selbst herstellen, es gibt aber Hinweise, dass sich ein Mangel an Taurin bei manchen Rassen ähnlich wie bei Katzen negativ auf die Herzgesundheit auswirken kann“, erklärt Dr. Julia Fritz. Zu diesen Rassen gehören zum Beispiel Neufundlän- der, Spaniel und Golden Retriever. Wenn man aber weiß, wie man die Nährstoffe, die sonst durch Fleisch aufgenom- men wurden, gut ersetzen kann, ist vegetarische Ernährung in der Regel kein Problem. Proteine sind nicht gleich Proteine Der Proteinbedarf des Hundes kann zum Beispiel noch anders gedeckt werden als nur durch Fleisch. Das ist wich- tig, denn im Vergleich zu uns Menschen benötigen Hunde viel mehr von diesem wichtigen Energielieferanten, um ein gesundes Leben führen zu können. Proteine sind Bausteine für Muskeln und mitverantwortlich für die Erneuerung von Zellen. Außerdem produzieren sie wichtige Botenstoffe und Hormone. Bei einer vegetarischen Ernährung lässt sich die Eiweißquelle Fleisch ganz einfach durch Milchpro- dukte oder Eier ersetzen. Eier sollten aber unbedingt ge- kocht oder weiterverarbeitet werden. „Rohes Eiklar enthält nämlich einen Trypsinhemmstoff, der die Ei- weißverdauung hemmt, sowie Avidin, welches das Biotin in der Nahrung bindet, sodass dieses wichtige Vitamin nicht mehr aufge- nommen werden kann“,
erklärt Dr. Julia Fritz. Zum Glück mundet den meisten Hunden Quark, Hüttenkäse und Co. gut, sodass die vegetarische Er- nährungsform für sie kein Genuss- verzicht sein muss. Und welcher Vier- beiner liebt nicht Käse als Leckerli? Bei den pflanzlichen Proteinlieferanten ist Soja zu empfehlen, das auch in vielen vegeta-
rischen Alleinfuttermitteln enthalten ist. Von anderen Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen, Bohnen oder Kicher-
Erbsen beinhalten Proteine, werden aber nicht immer vertragen
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JULI 2022 | PARTNER HUND 47
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