TIERSCHUTZ-INTERVIEW
In Odessa sind viele Waisen, wie dieser Welpe, unter den betreuten Hunden
Einrichtung und der jeweilige Tierschutz- verein setzt sich über seine Satzung selbst die Schwerpunkte der Aufgaben und Ziele. Dazu gehört auch, abzuwägen, wo gerade die größere Notlage ist. Das Wohl von Auslandstieren findet auch hierzulan- de viel Beachtung. Es gilt jedoch, seriösen Auslandstierschutz zu betreiben und nachhaltig und tierschutzgerecht allen Tieren zu helfen. Zum einen muss bei allem, was man im Ausland an Tierschutz- arbeit leistet, die Prämisse „Hilfe zur Selbsthilfe“ vor Ort die Grundlinie sein. Im- porte sollten generell nur dann als Lösung gesehen werden, wenn das Freilassen nach der Kastration verboten ist, wie etwa in Rumänien, oder wenn das einzel- ne Tier auf der Straße keine Chance hätte, etwa durch ein Handicap. Auch muss eine gute Vorauswahl der Tiere in puncto Gesundheits- und Verhaltensaspekte erfolgen. Manche Menschen befürchten, dass die ohnehin vollen Tierheime in Deutschland durch Hunde aus dem Ausland weiter belastet werden... Das passiert so nicht. Seriös arbeitende Tierheime haben eine begrenzte Anzahl an Kapazitäten, die mit dem Veterinäramt und aufgrund der baulichen Gegeben- heiten festgelegt sind. Ein volles Tierheim kann darum keine Tiere aufnehmen. Men- schen, die sich für einen Auslandshund interessieren, empfehlen wir immer die Vermittlung über ein deutsches Tierheim. Hier wird eine Quarantäne durchgeführt und anschließend kann der Hund über eine Pflegestelle oder im Tierheim wei- tervermittelt werden. Das hat auch den Vorteil, dass sich Interessent und Hund erst einmal kennenlernen können, bevor die Adoptionsentscheidung fällt. Provokant gefragt: In vielen Ländern geht es den Menschen schlecht. Ist es moralisch vertretbar, ein Tier zu retten, wenn daneben ein Kind auf Hilfe wartet? Wenn es den Menschen schlecht geht, geht es auch den Tieren oftmals nicht
gut. Die Anzahl der Straßentiere wird zum Beispiel auch dadurch beeinflusst, dass sich Menschen die Kastration ihres Tieres schlichtweg nicht leisten können. Dennoch liegt unser Fokus auf den Tieren. Zudem
sich dennoch für diese wichtige Arbeit entschieden. Sie wollen die Tiere nicht im Stich lassen und teilen ihr Schicksal. Irina Naumova, die unser Tierschutzzentrum in Odessa leitet, hat gesagt: „Wir gehen gemeinsam, wenn es sein muss bis zum Ende.“ Ohne diese Menschen würde es den Tieren dort noch viel schlechter gehen. Ihnen gilt unser höchster Respekt – auch gegenüber ihrer Autonomie. Natür- lich ist es furchtbar, dass der neue Einsatz- wagen von Drohnen getroffen wurde, und wir sind erleichtert, dass weder Mensch noch Tier zu Schaden kamen. In vielen Ländern existiert ein anderes Verständnis von Tierwohl als in Deutsch- land. Muss man das akzeptieren? Tierschutz im Ausland bedeutet auch, die Stellung des Tieres in der Gesellschaft zu verändern. Tierschutzunterricht ist darum ein elementarer Bestandteil des Auslandstierschutzes – genauso wie die Zusammenarbeit mit Behörden, Tier- ärzten und der Bevölkerung vor Ort auf
“ Wir empfehlen immer die Vermittlung über ein deutsches Tierheim. ”
bestehen Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Tieren und Menschen. Tierschutzgerechtes und nachhaltiges Management
von Straßentieren schützt auch die Men- schen, etwa durch die Eindämmung von Krankheiten wie der tödlichen Tollwut, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden können. Man kann selbstver- ständlich auch gleichzeitig für Kinder und Tiere spenden. Das eine schließt das andere nicht aus. Der Deutsche Tierschutzbund betreut auch das Tierschutzzentrum Odessa in der Ukraine. Richtig, und wir haben uns ausdrücklich dafür entschieden, Familien von dort als Mitarbeitende zu beschäftigen, weil wir die soziale Frage mit dem Tierschutz verbin- den wollen. Das heißt: Wir schaffen auf einem Nebenweg Arbeitsplätze und Möglichkeiten für diese Menschen, die vor Ort Arbeit suchen. Im Februar wurde ein Evakuierungs- transporter der ukrainischen Organisati- on UAnimals, finanziert vom DTB, in der Region Donezk von russischen Drohnen beschossen – verletzt wurde niemand. Ist es gerechtfertigt, Menschenleben zu gefährden, um Tieren zu helfen? Die Menschen, die sich in Kriegsgebieten engagieren, kennen das Risiko und haben
Augenhöhe. Nur so lässt sich langfristig das ge- meinsame Ziel erreichen. Das ist die Aufgabe für den Auslandstierschutz: die Menschen vor Ort mitnehmen. Ich muss
“ Das Töten von
Straßentieren darf keine Option sein. ”
aber auch ganz klar sagen, dass unsere Priorität ist, das Leid der Tiere vor Ort zu beenden. Das Töten von Straßentieren darf keine Option sein. Wer tötet, beendet kein Tierleid, sondern erhöht das Tierleid. Wie viel Einfluss hat man als Tourist darauf, wie am Urlaubsort mit Tieren umgegangen wird? Ich glaube, es nützt etwas, an der Hotel- rezeption zu fragen, woher das Fleisch bezogen wird, das beim Abendessen
66 PARTNER HUND | SEPTEMBER 2025
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