IHK-Magazin Ausgabe 01/2022

TIPPS

einen Anwalt zu nehmen. Außerdem finden die Verhandlungen nicht öf- fentlich statt. Auch die Kosten liegen weit unter denen eines Gerichtsver- fahrens: Für das Verfahren vor der Ei- nigungsstelle werden keine Gebühren erhoben. Die der IHK entstandenen Auslagen teilen die Parteien unterein- ander auf – mehr als 80 Euro fallen in der Regel jedoch nicht an. In Anbetracht dieser Vorteile er- scheint die Zahl der Fälle, die vor der Einigungsstelle verhandelt werden, vergleichsweise gering: Durchschnitt- lich fünf bis sieben Anträge jährlich gehen bei der IHK Rhein-Neckar ein. In der Regel reichen dafür zwei Ver- handlungstage pro Jahr aus. Selbst Anwälte wissen teilweise nichts von dem IHK-Angebot. Schade findet das Bettina Ganser, denn die Einigungs- stelle sei eine „wirklich gute Einrich- tung.“

Gut zu wissen GIBT ES BEI JEDER IHK EINE EINIGUNGSSTELLE? Nein. Nur ausgewählte Industrie- und Handelskammern haben eine Einigungsstelle, im Südwesten sind das neben der IHK Rhein-Neckar beispielsweise noch Stuttgart und Karlsruhe. WIE IST DIE EINIGUNGSSTELLE BESETZT? Die Einigungsstelle ist mit einem oder einer Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern be- setzt, die alle ehrenamtlich tätig sind. Vorsitzende und Stellver- treter müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Meist, so Bettina Ganser von der IHK Rhein

UNTER- NEHMENS- FÜHRUNG

Es kommt zwischen Unternehmern zu Wettbewerbsstreitigkeiten. Wieso nicht die IHK-Einigungsstelle ein- schalten, um diese ohne Gerichtsver- fahren beizulegen?

Neckar, werden auf diese Posten pensionierte Richter berufen. Die Beisitzer sollten Gewerbetrei- bende aus den verschiedensten Wirtschaftszweigen sein sowie in Verbraucherfragen erfahrene Personen. BEISITZER WERDEN Wer sich für die Tätigkeit als Beisitzer bei der Einigungsstelle interessiert, kann sich bei Bettina Ganser melden

recht hingewiesen wird“, sagt Bettina Ganser, die bei der IHK Rhein-Neckar zuständig ist für die Organisation der Eini- gungsstelle. Stellen Gewerbetreibende bei einemWettbewerber einen entsprechenden Verstoß fest, ist die erste Anlaufstelle in der Regel die Verbraucherzentrale. In zweiter Instanz kommt die Wettbewerbszentrale ins Spiel – diese kommt dann auf die IHK zu, die ihrerseits eine Verhand- lung vor der Einigungsstelle einberufen kann. „Die großen Sachen bleiben meistens bei der Wettbewerbszentrale“, so Bettina Ganser. „Fälle, die vor der Einigungsstelle landen, betreffen oft Kleingewerbetrei- bende.“ In Einzelfällen wenden sich Gewerbetreibende auch direkt an die Einigungsstelle der IHK. Die Einigungsstelle wird nur auf Antrag tätig, dieser muss dann schriftlich einge- reicht werden. Gütliche Einigung in fast allen Fällen Mit einem Gerichtstermin ist eine Ladung vor die Einigungs- stelle nur bedingt vergleichbar. „Fälle, die bei uns zur Ver- handlung kommen, enden zu 80 Prozent mit einer gütlichen Einigung“, so Ganser. Anders als vor Gericht sind die Par- teien nicht verpflichtet, sich

Kontaktdaten:

0621 1709-231 bettina.ganser@rhein-neckar. ihk24.de

EHRENAMTLICHER BEISITZER „Eine Vorladung bedeutet nichts Schlimmes“ Andreas Kampmann ist seit 20 Jahren Bei- sitzer bei der Einigungsstelle der IHK Rhein- Neckar. Der Inhaber des Herrenausstatters Sportiv Kampmann in Heidelberg wünscht sich, dass mehr Gewerbetreibende erkennen: Die Einigungsstelle ist da, um zu vermitteln, nicht um zu bestrafen.

EINIGUNGSSTELLE Gütlich einigen statt lang prozessieren

STATT VOR GERICHT können viele Wettbewerbsstreitigkei- ten auch vor der Einigungs- stelle der IHK verhandelt werden. Die Beteiligten sparen dadurch Zeit und Geld. Und sie vermeiden einen öffentlichen Schlagabtausch. Eine Autowerkstatt wirbt mit Handwerkertätigkeiten – doch der Inhaber hat diese zulas- sungspflichtige Tätigkeit nicht in die Handwerksrolle eintra- gen lassen. Ein Taxifahrer legt Flyer für Krankenhausfahr- ten aus – dabei fehlt ihm die Genehmigung, die für diese Transporte vorgeschrieben ist. Es sind Fälle wie diese, in denen die Einigungsstelle der

IHK tätig wird. Sie ist eine der hoheitlichen Aufgaben, die der Staat der IHK übertragen hat. Das Ziel: In Wettbewerbsstrei- tigkeiten soll das Verfahren vor der Einigungsstelle einen Gerichtsprozess überflüssig machen. Einigungsverfahren ersetzt teure Gerichtsverhandlung Verhandelt werden vor der Einigungsstelle nur „Wettbe- werbshandlungen mit Ver- braucherbezug“. Neben Fällen wie den eben genannten sind das immer häufiger Internet- vergehen. „Da geht es dann zum Beispiel um ein fehlen- des Impressum oder darum, dass nicht auf das Widerrufs-

80 % derWettbewerbs- verstöße, über die die IHK-Einigungs- stelle zu verhandeln hat, enden mit einer gütlichen Einigung.

Herr Kampmann, was ist Ihr Antrieb, sich bei der Einigungsstelle der IHK zu engagieren? Andreas Kampmann: Der Begriff „Kaufmannsehre“ klingt immer ein bisschen pathetisch – aber im Grunde ist es das, was mich antreibt. Ich emp- finde es als Privileg, als Kaufmann in der Gesellschaft verankert zu sein und wenn ich anderen Kaufleuten dann etwas zurückgeben kann, ist das für mich eine charmante Sache.

Sie sind kein Jurist. Was qualifiziert Sie für Ihr Ehrenamt bei der Eini- gungsstelle? Kampmann: Juristisches Fachwissen ist dafür nicht nötig. Wichtig sind Gerechtigkeitssinn und kaufmän- nischer Sachverstand. Hilfreich für mich ist auch, dass ich selbst schon einmal eine Unterlassungserklärung unterzeichnen musste. Das war noch vor meiner Zeit in Heidelberg, damals hatte ich eine Werbung geschaltet mit

Der Unternehmer Andreas Kampmann engagiert sich ehrenamtlich bei der IHK- Einigungsstelle.

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