DRK Mannheim GB 2022

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Frauen und Familie

Geschäftsbericht 2022

2 | Aktuelles aus der Stadt

Weinheimer Woche · 22. Juni 2022 · Nr. 25

Aktionstag gegen Gewalt im Alter Der lange Weg raus aus der Tabuzone

Gewalt im Alter – es ist ein Thema, dem sich in Wein- heim die alwine Stiftung seit elf Jahren widmet. Mittler- weile bildet sich ein Netzwerk, entstanden auch aus dem Gewaltschutzkonzept, das der Rhein-Neckar-Kreis (RNK) im vergangenen Jahr initiiert hat. Dieses Jahr mit dem Schwer- punkt „Gewalt im Alter“. Stif- tung, DRK Mannheim und RNK machten zusammen mit der Beratungsstelle Lida anlässlich des Internationalen Tags gegen die Misshandlung älterer Menschen am 15. Juni auf das Thema aufmerksam. Die einen fragen offensiv nach, die anderen werden angespro- chen. Und wieder andere has- ten an dem Aktionsstand in der Fußgängerzone vorbei. „Sie wol- len das nicht hören“, sagt Elena Lorente vom DRK Mannheim. Es ist auch kein schönes The- ma für einen heißen Sommer- nachmittag. Doch das ist häus- liche Gewalt und Gewalt im Alter nie. Speziell Letzteres ist weiterhin kaum im Fokus der Menschen. „Die Aufmerksam- keit liegt nicht auf dieser Alters- gruppe“, macht Susanne Vier- ling, Gleichstellungsbeauftragte des RNK, deutlich. Doch genau da gehört es hin, „es muss ins Gespräch“, sagt Vierling. Doch nicht nur das. Opfer von Gewalt im Alter müssten sich als Opfer erkennen. Vierling verweist auf Beziehungswerte der Genera- tion, auf Gewohnheit. Nicht zuletzt geht es auch um die Fra- ge: Wann fängt Gewalt an? Schläge, Worte, Entzug Gewalt, das sind laut allgemei- ner Idee Schläge. Doch es sind genauso Worte. „Gewalt fängt schon dann an, wenn ich jeman- dem die Schuhe wegnehme und er nicht mehr aus dem Haus kann“, sagt Sabine Besmehn von der alwine Stiftung. Die Gehhilfe entwenden, die Rente kassieren – es gibt viele Arten der Gewalt, die sie und Vierling aufzählen. Täter sind Partner genauso wie Familie, quer durch alle Gesell- schafts- und Bildungsschich- ten. „Es ist aber auch ein The- ma der Kultur“, sagt Lorente. Das Recht, die Frau zu schla- gen, diese „Kultur“ gibt es – für das Opfer umso schwieriger,

Mit Impulskarten und Fragen regten die Institutionen zum Aktionstag der Gewalt gegen Ältere zum Nachdenken an. Foto: cs

davon, Gesprächsangebote zu machen, ein Vertrauensverhält- nis aufbauen, dass es Betroffe- nen einfacher macht, sich zu öffnen. Doch am Ende ist es vor allem das Immer-wieder-Infor- mieren. „Es ist ein Immer-wei- ter“, verdeutlicht Besmehn. Das Bohren eines unangenehmen Brettes. Die Arbeit daran, dass die Worte von Susanne Vier- ling, die sagt, dass Gewalt im Alter nach wie vor ein Tabuthe- ma ist, irgendwann seine Gültigkeit verliert. (cs)

markt. Dabei ist der Bedarf da. Allerdings melden sich vor allem die älteren Opfer nur selten. So stellt sich die Frage danach, wie man Scham abbauen, wie man Betroffenen auch als Außenste- hender helfen kann. „Immer weiter“ „Ich denke, Zivilcourage ist wichtig, dass wir hingucken“, sagt Sabine Besmehn. Sie appel- liert: „Seid Unterstützer für die, die sich nicht selber helfen kön- nen.“ Susanne Vierling spricht

sich zu wehren. Doch es gibt auch etwas wie eine Allgemein- gültigkeit. „Das Hemmnis, sich zu trennen, ist im Alter noch- mal größer“, beschreibt es Vier- ling. Dabei ist es nicht nur die Scham, die Betroffene hindert. Es fehlen die Informationen zu Beratung und Anlaufstellen. Schutzwohnungen Im vergangenen Jahr wurde Lida gegründet, eine Beratungsstelle für Frauen, die häusliche Gewalt erleben. Die Beraterinnen sind nicht nur an einer Stelle erreich- bar, sie kommen zu den Frauen vor Ort. „Man muss Beratung in die Fläche kriegen“, ist sich Vier- ling sicher. Als Pendant gibt es Fairmann, eine seit 25 Jahren tätige Beratungsstelle für Män- ner – Täter wie Opfer – in Hei- delberg. Neben Lida sind im ver- gangenen Jahr zwei Schutzwoh- nungen eingerichtet worden, eine als WG für mehrere Frau- en, die andere barrierefrei für eine Person ab 60 Jahren. „Frau- enhäuser sind in diesem Alter nicht mehr die richtige Anlauf- stelle“, sagt Vierling. Besmehn verweist auf die unterschiedli- chen Bedürfnisse der Generati- onen, die differente psychosozi- ale Betreuung, derer es bedarf. Beide Wohnungen sollen den Opfern als Übergangslösung zum nächsten Schritt dienen – wie auch immer der aussieht. Fünf Wohnungen wollen die Institutionen einrichten, doch das gestaltet sich schwierig auf dem derzeitigen Wohnungs-

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