Rheingold

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„Ach, wäre ich nur Winzer geworden“, stöhnte bei einer Verkostung einmal ein älterer Herr, der im juristischen Gewerbe tätig war. „Oh ja“, meinte der anwesende Winzer süffisant, „da wartet man das ganze Jahr im Garten neben dem Weinberg sitzend darauf, dass die Trauben reif werden, dann steht man mal auf, erntet ein wenig und schon hat man wieder genug zu trinken für das nächste Jahr …“ Einige in der Gruppe nickten versonnen, andere lachten wissend.

H. O. Battenfeld Spanier STRATEGIEN, WENN WASSER ZU EINEM RAREN GUT WIRD. « » WIR BRAUCHEN

S elbst als Top-Winzer muss man sich permanent etwas einfallen lassen und ein Top-Winzerpaar wie Carolin Kühling-Gillot und H. O. (Oliver) Battenfeld Spanier leidet selten unter Langeweile. Carolin erreiche ich mittags im Auto, als sie von einer Verkos- tung kommt. „Ich fahre gerade auf das Weingut“, sagt sie, „ich schaue mal, wo

KÜHLING-GILLOT & BATTENFELD SPANIER NACHDENKEN STATT JAMMERN

Bei Kühling-Gillot und Batten- feld Spanier ist Jammern wirklich keine Kernkompetenz und daher wurde bei der Umstellung auf biodynamischen Anbau nicht nur viel über den Pflanzen - schutz, die Mondphasen und Bodenvita-

lität nachgedacht, sondern auch über das Wassermanage- ment. „Man könnte ja auf die Idee kommen, einfach Wasserleitungen zu legen und eine Tröpfchenbewässerung einzuführen“, erzählt Carolin und ihr Partner fährt fort, „aber das entspricht nun überhaupt nicht dem Gedanken des nachhaltigen und naturnahen Anbaus. Außerdem war uns damals schon klar, dass wir Strategien brauchen, wenn Wasser zu einem raren Gut wird. Wir stellten uns die Frage, ob es dann Sinn macht, das Wasser in die Weinberge zu kip- pen – vor allem, wenn es auch anders geht!“ Natürlich bringt schon die Umstellung auf Biody- namie ein deutlich besseres Wassermanagement, aber es gibt eben noch mehr Stellschrauben. Ein Ansatz klingt erstmal einfach: Stroh. „Das bringen wir im Frühjahr knie- hoch in die Weinberge ein, decken damit den Boden ab und dann geschieht Erstaunliches“, erzählt der Winzer. „Das Stroh und die darunter liegende Begrünung verrotten lang- sam und es entsteht Humus, also frischer, vitaler Boden, der Wasser gut speichern kann. Außerdem verhindert die- ser Boden bei steigenden Temperaturen die Verdunstung und wenn es richtig heiß wird, ist es unter dem Stroh lau- er.“ Carolin Kühling-Gillot beschreibt das genauer: „Wenn du im August im Rothenberg ein Thermometer an den Schiefer hältst, dann hast du schnell mal 75 Grad, aber wenn du einen Stein unter dem Stroh nimmst, sind das mindestens 30 Grad weniger, das macht viel aus.“

Oliver ist.“ Ein Mitarbeiter meint, er sei im Weinberg, ein anderer vermutet ihn im Keller. „Ich hätte ein paar Fragen zum Thema Dry Farming“, spreche ich ins Telefon. Schließ- lich wird das Handy hin und her gereicht nd vermutlich auf einem der Fässer abgelegt. Wir telefonieren über die Laut- sprecher-Funktion und es hallt eindrucksvoll. Ich stelle meine Fragen: „Neulich hattest du mir doch erzählt, dass ihr Dry Farming macht – was ist das denn jetzt schon wieder?“ „Was heißt hier jetzt?“, fragt H. O. amü- siert, „das mach ich schon seit 18 Jahren.“ Ja, diese unwis- senden Händler. „2003“, ergänzt Carolin Kühling-Gillot, „da war vor allem der Rote Hang unten in Nierstein kom- plett verbrannt. Da haben wir kaum was rausgeholt und der Ertrag war eher mittelmäßig, regelrecht ausgetrocknet.“ Oli- ver Battenfeld Spanier erinnert sich: „Hier oben auf den Kalkböden bei Hohensülzen ging das noch, da ist die Was- serführung eine andere. Gedanken haben wir uns daher erstmal keine großen gemacht. Ausnahmejahr halt.“ Aber ein Jahr später waren dann zwei Landwirte und Winzer aus Israel zu Gast bei Carolin und H. O.. Die beiden Landwirte beklagten sich über das trockene Jahr zuvor. „Ach“, meinte die Gruppe, „Wie viel regnet es denn bei euch?“ „Na, in so einem trockenen Jahr vielleicht 400 Liter.“ Lautes Geläch- ter in der Gruppe. Trockenes Jahr, schon klar. „Hört mal, wir bauen Wein und Gemüse in der Wüste an. Hört auf zu jammern!“

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SEPTEMBER 2023

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