Rheingold

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71 EINE WEINREISE ––

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Bei unserem Besuch erzählt uns Hans-Josef (HaJo) Becker sofort von seinen Visionen für die Zukunft des Weinguts. „Eine neue Kellerei“, meint er, „direkt in den Walkenberg gebaut. Unterirdisch, in der alles perfekt aufeinander abgestimmt ist.“ HaJo spricht von Bauvorantrag, Probebohrung, Bauantrag ... „Vielleicht nehme ich auch noch einen Investor mit rein“, sagt er grinsend, „sollte aber schnell gehen das alles, schließlich hab ich nicht ewig Zeit.“

J . B. BECKER TRADITION ALS REVOLUTION

ich es gelernt hatte, dann waren die trockenen Weine alle dünn und irgendwie leblos, aber wenn ich Weinberge hat- te, die nur einen ganz geringen Ertrag ergaben, dann wur- den die plötzlich lebendig.“ Also drosselte er den Ertrag im gesamten Weingut, was zur damaligen Zeit sicherlich als Beweis beginnenden Wahnsinns galt. Während fast alle

Z eit ist etwas Relatives und vor allem dehnbar, wenn man mit HaJo Becker spricht. Er springt mal eben von der Zukunft, in der im Walkenberg eine futu-

ristische Kellerei unterm Hang versenkt wird, zu seinem ersten trockenen Wein, den er beim Weingut Graf Eltz – damals schon weltweit eine Legende – verkos- tete. Das war 1961 und HaJo Becker war ein junger Mann, der beim berühmten Kellermeister Hermann Neuser in die Lehre gehen durfte. „Solche Weine will ich auch später machen“, meinte der Lehrling und erwartete Lob und Aner- kennung, aber der Meister schüttelte nur den Kopf. „Rheingauer Weine mit weniger als 24 g Restzucker“, meinte der, „das will doch niemand trinken.“

rundherum ihre 70 bis 80 Hektoliter pro Hektar ernteten, waren es bei ihm plötzlich nur noch ungefähr die Hälfte. Man stelle sich das einmal vor: Ein Winzer verdoppelt seine Kosten, hal- biert die Verfügbarkeit und produziert einen Wein, von dem er weiß, dass der Kunde ihn nicht will – jedenfalls im Moment. Heute würde man das als disrup- tiv und vor allem visionär bezeichnen. Nur ist die Weinbranche kein kaliforni- sches Garagen-Start-up, sondern ein ausgesprochenes „Slow Business“. Rheingau soll revolutionär sein? HaJo Becker würde das wahrscheinlich

» WENN ICH ES SO MACHTE, WIE ICH ES GELERNT HATTE, DANN WAREN DIE TROCKENEN WEINE ALLE IRGENDWIE DÜNN UND LEBLOS ... «

HaJo Becker

Ein paar Jahre später studierte HaJo Becker in Geisenheim und stieg

schmeicheln, aber er sieht sich wohl eher als einen echten Traditionalisten. Die Tradition, an die er anknüpfte, war die der großen Naturweine, die es eben auch gab, neben anderen (auch großartigen) restsüßen Weinen. „Bur- gund?“, lacht HaJo, sich erinnernd. „Na, wenn die da alle trockene Weine machen, warum sollten wir das nicht auch können? Der Riesling gibt das doch her und mehr noch, denn wir können auch fruchtig und edelsüß.“ Und dieses Vorhaben hat er bis heute scheinbar nicht aufgegeben. Sei- ne Weine sind immer noch irgendwie „trockener“ im Ge- schmack als die von anderen Winzern. Vielleicht liegt das daran, dass er sie oft erst spät freigibt oder dass Frucht nicht sein oberstes Ziel ist – oder auch beides.

nach dem Abschluss bei seinem Vater im Betrieb ein. „Wir haben uns gestritten, dass sich die Nachbarn Sorgen mach- ten“, erzählt Becker, „aber mein Vater ist dann raus, und wenn er fünf Minuten später wieder reinkam, war wieder alles in Ordnung. Einmal hat er sich entschuldigt und meinte: „Schau mal, mein Onkel, der hat bei Konflikten nix gesagt – auf der Arbeit nicht, zu Hause auch nicht – und dann ist er einfach umgefallen. Herzinfarkt! Der ganze Är- ger muss doch irgendwie raus.“ Grund zum Ärgern gab es wahrscheinlich genug, denn HaJo hörte einfach nicht auf, diese trockenen Weine zu machen, und das war Anfang der 70er Jahre sicher kein großer Spaß. Nicht nur wegen der Kunden, die man finden musste, auch der Weinbau verän - derte sich dadurch komplett. „Wenn ich es so machte, wie

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