Rheingold

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SCHLOSS JOHANNISBERG RIESLING-IKONE SEIT 1720

Schloss Johannisberg ist eine Ikone des deutschen Rieslings und standesgemäß thront es oberhalb von Geisenheim gut sichtbar wie eine Königin des Rheingaus. Dabei sollte man eher sagen: eine Königin des Rieslings. Weinbau wird hier schon seit mindestens dem achten Jahrhundert betrieben, als hier das erste Kloster etabliert wurde. 1720 war es der Fuldaer Fürstabt Konstantin von Buttlar, der einen enormen Wandel herbeiführte. Er erbaute auf dem herunterge- kommenen Kloster nicht nur ein eindrucksvolles Barockschloss, sondern bepflanzte auch den Weinberg neu, und zwar nur mit Riesling.

„Wenn der Riesling schon in der kleinen Eiszeit ge- pflanzt wurde“, bemerke ich etwas provokativ gegenüber Gutsdirektor Stefan Doktor, „wird es dann nicht höchste Zeit, was anderes zu pflanzen? Wie wäre es mit Syrah?“ Er lächelt, das hat er vielleicht schon ein paar Mal gehört. „Ich

D urchaus ungewöhnlich für die damalige Zeit, denn im Rüdesheimer Hang standen früher

noch hauptsächlich Orleans und rein- sortige Weinberge waren eher unge- wöhnlich – der gemischte Satz war Standard. In mehrfacher Hinsicht war es also mutig und visionär, dies zu än- dern. Die kleine Eiszeit suchte ab dem Ende des 16. Jahrhunderts immer wie- der mit spektakulär kalten Wintern Eu- ropa heim. Für den Weinbau stellte das eine Katastrophe dar, ganze Jahrgänge wurden zerstört. Auf Johannisberg hat- te man erkannt, dass der Riesling relativ kälteresistent war, und alles auf eine Karte gesetzt. Fast 300.000 Reben pflanzte man 1720/21 in einer sehr ho -

mag Syrah und er ist ein großartiges Beispiel dafür, dass der Riesling nicht ausgedient hat. Im Eden Valley in Aust- ralien steht beides zusammen und die Durchschnittstemperaturen sind deut- lich höher. Es fällt auch weniger Nieder- schlag, trotzdem finden sich dort groß - artige Rieslinge. Das ist nicht allein auf die Kunst der Winzer zurückzuführen, die Rebe passt sich auch an. Wir lernen, mit der Hitze und dem geringeren Nie- derschlag umzugehen, haben aber auch den Vorteil, es mit einer Pflanze zu tun zu haben, die sehr anpassungsfähig ist.“

» IN DER HOMO- GENITÄT UNSERES TERROIRS LIEGT PARADOXERWEISE EINE ERSTAUNLICHE VIELFALT. «

Stefan Doktor

hen Pflanzdichte. Der Wein muss nach einigen Jahren schon so gut gewesen sein, dass man einen großen Teil der Ernte direkt in Flaschen füllte. Was heute selbstverständ- lich scheint, war bis Anfang des 20. Jahrhunderts unge- wöhnlich, denn Flaschen waren sündhaft teuer, weil sie nur in Handarbeit hergestellt werden konnten und der Ausschuss enorm war. Weine wurden im Fass gehandelt und aus diesem dann in Krüge gefüllt. Weingüter, die selbst abfüllten und direkt verkauften, gab es so gut wie keine. Die Legende um Schloss Johannisberg war geboren! Mit spektakulären Weinen, vor allem aus lange gereiften, edelfaulen Trauben wie dem 1775er Cabinet, der erst nach gut zehn Jahren Reifung in den Verkauf kam, oder dem 1779er, dem ersten belegten Eiswein weltweit, machte man an den Höfen Schlagzeilen.

Vielleicht ist diese Erkenntnis der Grund, warum man bei Johannisberg nicht unbedingt auf alte Rebstöcke setzt. Von den insgesamt 50 Hektar, die der Johannisberg umfasst, werden jedes Jahr zwischen ein und anderthalb Hektar neu bepflanzt und dann für einige Jahre aus dem Ertrag genommen. Im Schnitt würde man also alle 40 Jah- re den kompletten Weinberg erneuern, wodurch sich na- türlich jedes Mal auch die Genetik etwas verändert. Stefan Doktor berichtet von den Erfahrungen der Vergangenheit: „Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre haben wir in der Region Rieslinge gehabt, die manchmal 14,5 bis 15 Prozent Alkohol hatten. Das sind Monsterrieslinge und jetzt, wo es noch wärmer geworden ist, hat unser Großes Gewächs charmante 12,5 bis 13 Prozent. Es geht also. Ich gehe davon aus, dass wir hier auch in 100 Jahren noch tolle Rieslinge ernten werden.“ Ich bedaure ein wenig, dass ich die dann nicht mehr werde probieren können.

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WINZERTALK 23.11.2023 Seite 86

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