04-2019 D

heimkommen nach 10 Jahren im Tschad

Nach mehr als zehn Jahren Ein- satz im Tschad und mehreren Hei- mataufenthalten in der Schweiz hatten wir uns an das Hin und Her gewöhnt. Wenn wir für einen Hei- maturlaub in die Schweiz kamen, wussten wir, was uns erwartete und wie wir diese Zeit geniessen konnten – und wir freuten uns auf eine baldige Rückkehr nach Afrika. Wenn wir in den Tschad zurück- kehrten, brauchten wir jeweils nur ein paar Tage, um uns wieder zuhause zu fühlen. Die definitive Rückkehr in die Schweiz war eine neue Situation für die ganze Fami- lie, der wir mit gemischten Gefüh- len entgegenblickten. Für uns Eltern war es eine Rückkehr in unsere Herkunftskultur. Wir haben schnell viele Schweizer Gewohnhei- ten wiederentdeckt, die während des letzten Jahrzehnts etwas in Verges- senheit geraten waren. Als Herausfor- derung empfanden und empfinden wir alle die Bekleidung. Nach zehn Jahren im Tschad wussten wir genau, welches Outfit für welchen Anlass das richtige war. Hier in der Schweiz fühlen wir uns manchmal ein wenig verloren – auch im Umgang mit den tiefen Temperaturen: Wie können wir den Kindern erklären, dass lange Ho- sen nicht nur für diejenigen sind, die schnell frieren? Im Herbst galt einer der ersten Blicke unseres Sohnes am Morgen dem Aussenthermometer. Zeigte es unter 10 Grad an, musste er Jeans tragen, auch wenn er sich in sei- ner Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlte. Undwas die Schuhe anbelangt: unsere Kinder würden es vorziehen, immer barfuss herumzulaufen. Die Rollen sind wieder aufgeteilt Auch für uns als Ehepaar war die Ver- änderung sehr gross. Nachdem wir so viele Jahr lang eng zusammen- gearbeitet und ein Projekt zu mehr oder weniger gleichen Teilen getra- gen hatten, teilten sich unsere Rollen

nun viel mehr auf. Ich hatte Respekt davor, mich in der Rolle der Pastorenfrau wiederzufinden, die sich um den Haushalt, die Kinder und die Hauswartsauf- gaben der Kirche kümmert, oft ohne «Früchte» der Arbeit zu sehen. Fussgängerstreifen? Abfalleimer? Lange im Voraus legten wir alles, was unsere Rück- kehr anbelangte, in Gottes Hände: Arbeit, Haus, Auto, Schule ... und wir waren sehr dankbar zu er- leben, dass er uns nicht vergessen hatte. Schon ein Jahr im Voraus standen die zukünftige Arbeitsstelle von Andreas und unser Wohnort fest – ein Segen! Unsere drei älteren Kinder wurden in der Schule von fürsorglichen Lehrpersonen begrüsst und fanden schnell Freunde. Auch mit dem Schulstoff hatten sie keine Probleme. Nach und nach haben sie gelernt, was Fussgängerstreifen sind, dass es überall Abfall- eimer hat und dass nicht wie im Tschad das halbe Quartier kommt, ummit ihnen zu spielen, sobald sie aus dem Haus gehen. Sie rennen nicht mehr nach draussen, um zu tanzen, sobald es regnet, und sie haben festgestellt, dass die Schweizer nicht ganz so kinderfreundlich sind wie die Tschader. Eine wunderbare Zeit in unserem Leben Unser erster Ausflug in die Eishalle war denkwürdig und erinnerte an gewisse Szenen des Films «Cool Runnings», in dem sich vier Jamaikaner als Bobfah- rer für die Winterolympiade qualifizieren möchten: Unsere Kinder waren nie zuvor im Leben Schlitt- schuh gelaufen und die jüngeren hatten überhaupt noch nie einen Winter erlebt – dementsprechend lustig ging es zu und her! Wir haben sehr viel ge- lacht in diesem vergangenen Jahr! Es stimmt, dass unsere Kinder in einigen Bereichen Lücken haben, aber wir haben nichts gefunden, was nicht aufge- holt werden könnte. Im Gegensatz dazu ist alles, was sie im Tschad erlebt, erfahren, geschmeckt und geliebt haben, ein grosses Plus für ihr Leben. Wir sind so dankbar, dass wir trotz aller Schwierigkeiten durchgehalten und dieses schöne Abenteuer Afrika erlebt haben. Die ganze Familie ist sich einig, dass es enorm schade gewesen wäre, diese wunderbare Zeit unseres Lebens zu verpassen. Wir möchten alle Familien, die sich überlegen, die- sen Schritt zu wagen, ermutigen. Wenn Gott euch führt, auszureisen, wird er euch auch bei der Rück- kehr führen.

Patricia MOSER war mit ihrer Familie bis Sommer 2018 im ProRADJA’, Tschad im Einsatz

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