04-2019 D

...ganz persönlich:

Aber das ist doch un Familien und Singles i

1 Jahr, 73 Heiratsanträge Das Unkraut um mich herum blüht in allen Farben, wunderschöne orange und violette Mangos hängen über mir an den Bäumen und der Wind rauscht durch die Blätter. Von den Baumkronen her hört man ver- schiedenste Vögel zwitschern und aus der Ferne mischt sich vergnügtes Kindergeschrei dazu. Ziemlich idyllisch, nicht? Beinahe romantisch. Und als wäre das noch nicht genug, erhalte ich in diesem Moment einen Heiratsan- trag! Schade nur, dass ich dem jungen Herrn, der mich fragt, ob ich seine Frau werden möchte, heute zum ers- ten Mal begegne. In den letzten acht Monaten in Guinea habe ich solche und ähnliche Situationen immer wieder erlebt. Sei es der Mechaniker unter seinem Baum, die Auberginen- Verkäuferin auf demMarkt oder ein x-Beliebiger auf der Strasse – sobald sie erfahren, dass ich als junge, weis- se Frau noch nicht verheiratet bin, heisst es: «Oh, ich habe einen Mann für dich. Ich / mein Sohn / mein Neffe / mein Cousin / sonst ein Bekannter sucht noch eine.» Die meistenWerber lassen sich damit abwimmeln, dass sie zuerst meinen Vater in der Schweiz fragen müssten oder dass der Chef es nicht erlauben würde. Diese Anträge lösten in mir fast nie irgendwelche Ge- fühle aus. Weder nervten sie mich noch schmeichelten sie mir besonders, da sie meistens scherzhaft gemeint waren. Eine Situation wird mir jedoch in Erinnerung bleiben: Als ich nach meinem Einsatz nach Uganda weiterreiste, kam am Flughafen ein Mann auf mich zu. Es war, wie so oft, ein junger Afrikaner, der sich erhoff- te, durch eine weisse Frau nach Europa zu kommen. Er wartete auf den gleichen Flug wie ich, also setzte er sich am Gate neben mich. Die ganze Situation war mir eher unangenehm und die üblichen Sprüche nervten mich und so versuchte ich, das Thema zu wechseln. Daraus ergab sich eine spannende Unterhaltung über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Christen und Muslimen. Ich war erleichtert, als eine Stunde spä- ter das erlösende Boarding angekündigt wurde – doch Gottes Führung im Gespräch hatte dieses Zusammen- treffen und eine normalerweise nicht gesuchte Situati- on zu einer der interessantesten Begegnungen meiner Zeit in Guinea gemacht.

Nicole KUTTER, ehemalige Kurzzeiterin im ActionVIVRE Süd, Guinea

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