IHK-Magazin Ausgabe 05/2022

DEKARBONISIERUNG „Strombedarf dürfte sich verdoppeln“

Um unser Klima zu schützen, muss der CO 2 -Verbrauch runter. Das heißt: Die Produktion muss elektrifiziert werden. Eine IHK-Studie ermittelt, was das für die Region bedeutet.

W enn derzeit über Energie gesprochen, dann fast ausschließlich über Gas. Auf lange Sicht viel wichtiger indes ist die Frage, woher soll der viele grüne Strom kommen, wenn sich unsere Volkswirt- schaft dekarbonisiert, also weitgehend ohne den Ausstoß von klimaschädlichem Koh- lendioxid auskommen muss? Denn Dekarbonisierung heißt Elektrifizierung. Das gilt für Pkws ebenso wie für Produk- tionsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Für die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) als Industriestandort ist diese Frage besonders brisant. Die Offshore-Windenergie ist weit weg, das Leitungsnetz in den Süden weit entfernt vom Be- darf. Die IHKs in der Metro- polregion haben daher beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme eine Studie in Auftrag gegeben, die vier Fragen beantworten soll: • Welchen Anteil des stark steigenden Regionalstrom- bedarfs können wir aus erneuerbaren Energien in der Region decken? • Wie viele Windräder müssen dafür in der MRN gebaut und wie viel Hektar Frei- und Dachflächen-Photovoltaik geschaffen werden? • In welcher Geschwindigkeit muss das geschehen? • Welcher Anteil am Strom- bedarf muss dauerhaft aus

anderen Regionen importiert werden? Vorgestellt werden soll die Studie im Herbst dieses Jahres. Ein Baustein war eine Umfrage unter Industrieunternehmen zur Prozesswärme. Hinter- grund: Die Dekarbonisierung von Prozesswärme ist einer der vielen Trigger, der den zu- künftigen Strombedarf stark ansteigen lassen wird. Weitere Impulse für die Stromstudie der Fraunhofer- Wissenschaftler gab auch ein Beteiligungsforum Mitte Juli in Mannheim. Rund 50 Unter- nehmensvertreter haben in Workshops erarbeitet, was die größten Herausforderungen in der zukünftigen Energieversor- gung sind und welche fördern- den und hemmenden Faktoren auf die Dekarbonisierung des eigenen Betriebs einwirken. Vor der Arbeit in den Work- shops präsentierte Studienlei- ter Dr. Christian Kost vorläu- fige Ergebnisse seiner Arbeit: „Unsere Modelle zeigen, dass sich der Strombedarf über alles gerechnet verdoppeln dürfte.“ Die Beiträge in den Workshops waren so vielfältig wie die Unternehmen. Kleine Indust- riebetriebe mit weniger als 30 Mitarbeitern waren ebenso vertreten wie große Standorte internationaler Konzerne. Un- abhängig von den im Einzelnen sehr speziellen Bedarfen und

Herausforderungen gab es aber auch große Schnittmengen. So ist Konsens, dass Politik und Verwaltung die Regulierung und Genehmigungsprozesse verein- fachen müssen. Und natürlich muss beim Leitungsnetzausbau der Turbo eingelegt werden. Denn wirtschaftlich wird ent- scheidend sein, dass langfristig ausreichend Grünstrom zur Verfügung steht. Neben der Versorgungssicherheit hadern viele Unternehmen mit den sehr hohen Investitionen, die für die Dekarbonisierung notwendig sind. Dabei steht nicht mal der Kapitalbedarf im Vordergrund. Viel gravierender erscheint vie- len Teilnehmern die mangelnde Planbarkeit aufgrund der unste- ten politischen Regulatorik. Eini- ge Produktionsbetriebe gaben zudem an, dass für ihre Bedarfe gar keine technologische Lösung zur Verfügung steht. Von fast allen als Engpass genannt: die fehlenden Fachkräfte. Mit Blick auf den prognosti- zierten Strombedarf herrschte zudem Einigkeit, dass regionale Energieautarkie kein Ziel sein kann und sein darf. „Unsere Re- gion ist seit 100 Jahren Strom- importeur und wird das auch zukünftig bleiben“, brachte es der Vertreter eines regionalen Versorgers auf den Punkt. Die Herausforderung wird sein, dass dieser Strom dann stabil und zu wettbewerbsfähigen Preisen in die Region fließt. Eine Mammutaufgabe.

2.333 TERRAWATT- STUNDEN Energie wurden 2019 in Deutsch - land verbraucht, rund 44 Prozent davon entfielen auf Industrie, Gewerbe, Handel und Dienst - leistungen. QUELLE: UMWELTBUNDESAMT

25

IHK Magazin Rhein-Neckar 05 | 2022

ihk.de/rhein-neckar

Made with FlippingBook Learn more on our blog