04-2015 D

aus KURZ

mach LANG

später war ich zurück! Diesmal als Lernhelferin für SAM- Mitarbeiterkinder. Danach wusste ich: Jetzt ist eine theo- logische Ausbildung dran. Um diese zu nanzieren, ver- kaufte ich nochmals zwei Jahre lang Bücher. Die Zeit zwischen den Kurzeinsätzen und der Ausreise als Langzeit-Mitarbeiterin kam mir sehr lange vor: zwei Jahre Geld verdienen, drei Jahre Studium am tsc auf St. Chrischona und nochmals ein Jahr, bevor ich endlich ausreisen konnte. Zwischenzeitlich schlichen sich immer wieder Zweifel ein, ob ich wirklich zurück nach Brasilien sollte. Doch rückblickend kann ich sagen, dass diese Vor- bereitungsjahre nötig waren. Ich konnte im Jahr 2010 gut ausgerüstet und mit genügend nanzieller Versorgung als Langzeit-Mitarbeiterin von ProVIDA ausreisen. Zeit ermöglicht Tiefe Vieles erlebe ich nun anders als während den Kurzein- sätzen: Ich kann nicht nach sechs Monaten wieder zu- rück, das Heimweh ist manchmal stärker, das Leben in der Schweiz rückt in den Hintergrund. All das Neue, Auf- regende wird mit der Zeit Alltag, Routine und manchmal sogar etwas mühsam. Die Kulturunterschiede empnde ich stärker und merke manchmal, wie schweizerisch ich doch bin. Auch das exotische Essen verliert seinen Reiz. Andererseits erlebe ich, wie Freundschaften sich durch die Jahre vertiefen, wie Leute aus„meiner“ brasilianischen Familie zum Glauben kommen, ich sehe, wie die Arbeit von ProVIDA wächst, wie Kinderleben verändert werden und ich kann mich ins Team einbringen. Ich kann Kindern und Teenies das Lesen beibringen und ihre schulische Laufbahn mitverfolgen. Ich verstehe Zusammenhänge, spreche die Sprache immer besser und kann nun auch witzeln. Ich sehe Gottes Wirken und freue mich über die Früchte der Arbeit. UND: Ich habe genügend Zeit, um die über 40 verschiedenen Eissorten, die es in Belém gibt, auszuprobieren!

2003 bekam ich die Gelegenheit, in Belém bei der brasilianischen Partnerkirche der Evange- lisch-Reformierten Kirchgemeinde Rapperswil- Jona einen Kurzeinsatz zu machen. Zuerst zö- gerte ich, doch schliesslich wagte ich es. Aller Anfang ist schwer In Brasilien angekommen, merkte ich, dass meine Portugiesisch-Kenntnisse nicht so toll sind, wie ich gedacht hatte ... Zum Glück hatten der fünährige Junge meiner brasilianischen Gastfamilie und an- dere viel Geduld und wiederholten unermüdlich die mir so fremden Worte. Von ihnen lernte ich viel über die Kultur, was mir auch später sehr half. Die Arbeit der lutherischen Kirche im Armenviertel Vila da Barca faszinierte mich. Zuerst konnte ich es nicht glauben, dass Menschen in so grosser Armut leben, und es versetzte mich in ein Wechselbad der Gefühle. Im Projekt für Kinder mit Lernschwierig- keiten fühlte ich mich schnell wohl und ich merkte, dass ich ihnen nebst der schulischen Hilfe auch Lie- be, Annahme, Interesse und Freundschaft weiterge- ben konnte. Hier traf ich zum ersten Mal in meinem Leben zehn- bis dreizehnjährige Kinder, die nicht lesen konnten. Mein Buchhändlerinnenherz war geschockt! Doch realisierte ich, dass meine Schwei- zer Schulbildung ein Riesengeschenk ist und mich befähigt, diese Kinder zu fördern. Jetzt erst recht! Nach vier Monaten in Brasilien konnte ich mich sprachlich ziemlich gut durchschlagen und es wur- de mir klar, dass ich nicht weiter in der Schweiz Bü- cher verkaufen will, während es hier Kinder gibt, die nicht mal lesen können. Gegen Ende des Einsatzes lernte ich SAM-Mitarbeitende kennen und hör- te von der Arbeit bei ProVIDA. Der Abschied von Belém el mir schwer – doch nur wenige Monate

Debora WARTENWEILER: Mitarbeiterin im ProVIDA, Brasilien

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