IM FOKUS – Schutz und Prävention
INTERVIEW
Schulung, Schulung, Schulung!
Christian Herrmann
Interview mit Isabella Maier, Deutscher Bundesjugendring
Es mangelt nicht an Schutz- und Präventionskonzepten gegen sexualisierte Gewalt, aber nicht immer werden sie mit Leben gefüllt. Isabella Maier ist Referentin für Prävention sexualisierter Gewalt beim Deutschen Bundesjugendring und möchte das ändern. Die Redaktion von beyond hat sie gefragt, was ein gutes Schutzkonzept ausmacht und wie es umgesetzt werden kann.
IJAB: Frau Maier, kann man sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche quantifizieren? Wie groß ist das Problem, über das wir sprechen?
IJAB: Das sind die Zahlen für alle Bereiche der Gesell schaft. Sieht es in der Jugendarbeit – und auch in der Internationalen Jugendarbeit – vielleicht anders aus? Isabella Maier: Es gibt keinen Grund das anzuneh- men. Sonst wäre ja beispielsweise die Jugendhilfe nicht aufgefordert, Schutzkonzepte gegen sexualisierte Ge- walt zu entwickeln, außerdem zeigen Studien, dass für Täter*innen die Jugendarbeit sogar sehr attraktiv ist. Sie sind nah dran an Kindern und Jugendlichen, können unauffällig Kontakte knüpfen und da viele Tätigkeiten ehrenamtlich sind, ist der Einstieg relativ einfach, sollte der Träger das Thema verdrängen und nicht hinsehen. Internationale Jugendarbeit hat nochmal besondere Be- dingungen: eine neue Umgebung, eine fremde Sprache oder gegebenenfalls der Aufenthalt in einer Gastfamilie. Das alles öffnet für Täter*innen weitere Möglichkeiten. Träger sollen von Ehrenamtler*innen ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen, aber sie sollten sich auch bewusst sein, dass die Wirkung nur bedingt ist und dies keinen umfassenden Schutz bietet. Ein weiteres Feld sind die unterschiedlichen Rechtslagen in den Gastlän- dern. Dafür muss man nicht weit fahren – in Italien und Spanien kann nationales Recht schon anders aussehen als in Deutschland.
Isabella Maier: Das ist nicht unbedingt leicht zu beant- worten, denn wir sprechen über ein sogenanntes Hell- und ein Dunkelfeld – also über die Fälle, von denen wir wissen und über diejenigen, von denen wir annehmen müssen, dass es sie gibt. Pro Jahr ermittelt die Polizei in etwa 19.000 bis 23.000 Fällen. Expert*innen schätzen die Zahl der Betroffenen aber viel höher. Es ist davon auszu - gehen, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei junge Men- schen sitzen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, in jüngster Zeit wird die Zahl sogar höher geschätzt. Darin sind nicht alle Vorfälle enthalten, zum Beispiel gibt es Fäl- le, die häufig bagatellisiert werden – also zum Beispiel sexualisierte Bemerkungen oder „kleine“ ungewollte Be- rührungen, die häufig erst gar nicht gemeldet werden. Klar ist, Täter*innen gehen strategisch vor und nutzen Situationen aus oder führen sie herbei. Wir als Jugend- verbände nehmen alle Fälle ernst, daher benutzen wir auch den Begriff sexualisierte Gewalt.
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