IJAB: Wie können multilaterale Institutionen und Kooperationen junge Menschen dabei unterstützen, ihre Ressourcen zu finden und sich für das Gemein wohl einzusetzen? Fungisai Gwanzura Ottemöller: Ich denke, es ist wirk- lich wichtig, nicht mit einem Top-Down-Ansatz an die Sache heranzugehen, bei dem Organisationen mit ei- ner Agenda kommen, die irgendwo entwickelt wurde, ohne eine wirkliche Vorstellung von dem Kontext und den komplexen Zusammenhängen zu haben. Ich denke, wenn man von dieser Perspektive ausgeht, dann wird man tatsächlich Veränderungen bewirken und Dinge ein- führen, die nachhaltig sind. Der stärkenbasierte Ansatz in der Jugendarbeit IJAB: Wie kann der stärkenorientierte Ansatz bei Fragen der psychischen Gesundheit junger Menschen Anwendung finden? Fungisai Gwanzura Ottemöller: Bei dem Konzept der Salutogenese, über das ich auf der wissenschaftlichen Jahrestagung des Deutschen Jugendinstituts gesprochen habe, geht es um das, was Gesundheit und ein Gefühl der Kohärenz schafft, im Sinne von „Was ist sinnvoll in mei - ner Welt?“. Es geht also um dieses Konzept der Nachvoll- ziehbarkeit. Wie kann ich nachvollziehen, was passiert? Verstehe ich meine Situation und was in meinem Leben passiert? Dann gibt es den Aspekt der Handhabbarkeit: Habe ich die Mittel, die Fähigkeiten, um das, was in mei- nem Leben geschieht, zu bewältigen? Und zuletzt die Sinnhaftigkeit: Warum will ich mich damit befassen? Ist es für mich sinnvoll, mich darauf einzulassen? Daraus er- gibt sich dann ein Gefühl der Kohärenz. Und wenn Sie ein hohes Kohärenzgefühl haben, führt das zu Wohlbefinden, weil Ihre Welt für Sie einen Sinn ergibt, Sie damit umge- hen können und es für Sie sinnvoll ist, damit umzugehen.
Auch die Gesellschaft ist anders: In Simbabwe gibt es mehr gemeinschaftliche Gesellschaften, Kommunen 2 . Es geht also nicht nur um mich als Individuum, sondern auch um alle diese Menschen um mich herum. Das ist in gewisser Weise eine Stärke, denn das Leben ist vor Ort schwierig, aber man hat Menschen um sich herum, die einen unterstützen. Wenn man darüber nachdenkt, wie wir mit jungen Menschen im sogenannten Globalen Sü- den arbeiten, ist es wichtig, sie daran zu erinnern und sie zu ermutigen, den Reichtum ihrer eigenen Kulturen, ihrer eigenen Gemeinschaften zu erkennen.
IJAB: Führen diese lokalen Gemeinschaften in Simbabwe zu mehr Engagement und Beteiligung von jungen Menschen?
Fungisai Gwanzura Ottemöller: Generell ja. Die Situati- on in Simbabwe ist leider so, dass junge Menschen sich zwar engagieren, es aber auch eine Menge politischer Repressionen gibt. Wir haben auf diesem Kontinent eine sehr junge Bevölkerung. Ein Beispiel, das ich in diesem Kontext nennen kann, ist der Regierungswechsel in Bo- tswana, weg von der Regierung, die sich seit der Unab- hängigkeit etabliert hatte. Sie wurde bei den Wahlen weggefegt, weil junge Menschen aktiv waren und für die Opposition stimmten. Glücklicherweise ist es ein demokratisches Land und es gab diesen Wandel und das ist ein echtes Vorbild für den Rest des Kontinents. Das gibt den Menschen Hoffnung und Motivation und es hat natürlich auch einen positiven Effekt auf ihre psychische Gesundheit. Ich glaube, das ist wirklich wichtig für sie, denn dadurch wird das Gefühl der Hoffnungslosigkeit beseitigt.
Eine Langfassung dieses Interviews finden Sie auf ijab.de .
Kontakt Dr. Fungisai Gwanzura Ottemöller Universität Bergen Mail: fungi.ottemoller@uib.no
2 Aus dem engl. communal societies ins Deutsche übersetzt. Gemeint sind lokale Gemeinschaften, ohne dass diese Formen des Zusammenlebens näher definiert sind.
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