beyond 02|2024

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Nebelige Aussichten: Jugendbeteiligung am Gipfel

menarbeit mit anderen Jugenddelegierten zustande gekommen sind. Es gab zahlreiche produktive Aus- tausche, Brainstormings und Arbeits-Sessions vor Ort sowie online. Wenn internationale Zusammenarbeit nur immer so laufen würde: Alle ziehen an einem Strang, haben einen common cause im Hinterkopf, und niemand blockiert aus Prinzip. In der Vorbereitung war die Vernetzung mit anderen jungen Menschen aus Deutschland, die sich ebenfalls im UN-Kontext engagieren, immens hilfreich, weil sie – trotz anderer Trägerorganisationen und Strukturen – unse- re anfängliche Überforderung gut verstehen konnten, und uns aufzeigten, was ihnen in der jeweiligen Situa- tion geholfen hat. Dieser Austausch war auch deshalb so wichtig, weil wir uns weitestgehend selbst überlassen wurden, nachdem wir ins Amt berufen wurden. Von- seiten der Träger wurde zwar betont, dass der Spiel- raum groß sei, konkrete Gestaltungsmöglichkeiten und Arbeitsschritte wurden aber nicht aufgezeigt. Entsprechend steil war die Lernkurve der letzten Mona- te. Wir traten ohne Verhandlungstraining in Verhand- lungen mit Abgeordneten aus dem Bundestag und dem Europaparlament, ohne Medientraining vor die Kameras und Mikrofone, ohne Rhetorikschulungen an Redner*innenpulte. Wir haben diese Aufgaben solide gemeistert und wurden mit der Zeit im Auftritt sicherer. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass wir unser Mandat mit einer vorbereitenden Schulung effektiver hätten nutzen können. Vor einem kaputten Karren und zwischen allen Stühlen: Jugendbetei­ ligung im Dilemma Über mein Engagement habe ich die Strukturen von Jugendbeteiligung in Deutschland kennenlernen dür- fen, in Teilen: kennenlernen müssen. Denn es läuft oft so: Man spannt immer wieder hochmotivierte und leis- tungsbereite Zugpferde vor einen kaputten Karren. Statt den Karren zu reparieren, vertraut man darauf, dass sich die Zugpferde über einen kurzen Zeitraum aufop- ferungsvoll engagieren und den Karren so am Laufen halten. Nachhaltig ist das nicht.

Zurück zu eingangs erwähnter Frage. Obwohl ich mich im Studium nur zu gut einem Drittel mit rechtlichen Inhalten beschäftige, war meine Antwort oft: „Das kommt darauf an“. Worauf kommt es an? Auf die Zieldefinition. Wenn das Programm als persönliche Bildungsveranstaltung für uns Jugendbeobachter*innen konzipiert war, bin ich voll- kommen zufrieden. Wir hatten eine fantastische Zeit in New York, Gelegenheit zu unzähligen formellen und infor- mellen Austauschen mit Diplomat*innen, Politiker*iinnen und anderen Engagierten aus der Zivilgesellschaft. All das war eine enorme Bereicherung und Inspiration, auch für mein weiteres Engagement. Wenn das Programm allerdings einen höheren Wir- kungsgrad intendiert hatte, muss ich meine Antwort revidieren. Im Nachgang des Summits haben wir das in New York Erlebte auf verschiedenen Panels und Konfe- renzen in Deutschland geteilt und eingeordnet, sodass ein gewisser Wirkungsgrad nach Deutschland vorhan- den war. Auch die mediale Resonanz unserer Arbeit war hoch. Erst als das Post-New-York-High und auch der letz- te Nachgeschmack von wunderbaren Apple Cinnamon Cream Cheese Bagels verflogen waren, fiel mir auf: Der Wirkungsgrad, den wir vor Ort in die UN hinein hatten, war während des Gipfels gleich Null. Intragenerationale Allianzen als Schlüssel zum Erfolg Später kam die Einsicht, dass zielführende Lobbyarbeit eben nicht auf den großen Bühnen passiert, sondern eher auf den Seitenlinien. Hierbei war die Kooperati- on mit Jugenddelegierten aus anderen Ländern enorm gewinnbringend. Nach dem Summit trafen wir uns mit Felipe Paullier, dem Assistant Secretary-General for Youth Affairs (Vertreter des Generalsekretärs für Jugendfragen), um Feedback zur Konzeption des Gip- fels zu geben. Auch verbreitete die Schweiz nach einem informellen Treffen ein gemeinsames schriftliches State - ment von uns im Sicherheitsrat, das nun die offizielle UN-Dokumentennummer S/2024/799 trägt. 1 Das sind Erfolge, die wir feiern, und die durch die enge Zusam-

1 https://documents.un.org/doc/undoc/gen/n24/325/27/pdf/n2432527.pdf

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