Weitwinkel – internationale Perspektiven
Genug von Stühlen. Wie kommen wir aus dieser Schieflage heraus? › Jugendbeteiligung muss in der Breite ermöglicht werden, nicht nur an der Spitze. › Die Auswahl von Jugendvertreter*innen muss demokratisiert werden und junge Menschen müssen im Zentrum dieser Prozesse stehen. Zurück ins Tal: Welche Ambitionen der Gipfel verfehlt Auch der Summit selbst ist von inhärenten Konstrukti- onsproblemen gezeichnet. Generalsekretär Guterres betonte im Vorfeld, dass es ausdrücklich nicht um das „Was“ gehen solle, sondern um das „Wie“ – also nicht um das Setzen neuer Ziele, sondern um das Finden neuer Wege, um bestehende Zielsetzungen zu errei- chen. Es wäre wichtig gewesen, dieser Empfehlung zu folgen – das ist aber nicht geschehen. Stattdessen lese ich im Zukunftspakt 56 sogenannte „Actions“. In vielen Fällen wird das, was auf den Doppelpunkt hinter Action folgt, dem Begriff Action nicht gerecht. Die fünf Kapitel gruppieren sich um die Eckpunkte Nachhaltige Entwick- lung, Frieden und Sicherheit, Wissenschaft, Jugend, und Global Governance. Neben einem thematischen Fokus fehlen auch Indi- katoren, um die Umsetzung der Actions aus dem Pakt messbar, und damit greifbar, zu machen. In Anbetracht der angespannten weltpolitischen Lage liegt der größ- te Erfolg des Pakts vermutlich allein in seiner Existenz. Entsprechend handelt es sich um einen Minimalkonsens, der transformativen Faktoren wie Bildung nicht genug Aufmerksamkeit schenkt. Vieles wurde verschoben auf parallele und nachfolgende Prozesse. Vieles klingt gut, ist aber lediglich eine weitere Zielbekundung ohne kon- kreten Plan zur Implementierung. Im Kapitel 4 bekennt
Wie reparieren wir den Karren? Indem wir gravierende Konstruktionsfehler und -muster beheben.
Die Auswahl von Jugendbeobachter*innen und -dele- gierten erfolgt meist durch Erwachsene, die ihre Träger- organisation vertreten. Damit stehen die Interessen der entsendenden Organisationen und von ausgewählten Individuen im Vordergrund. Die Ämter sind nicht demo- kratisch gewählt oder legitimiert, sodass kein ernsthaf- ter Vertretungsanspruch geltend gemacht werden kann. Das muss sich ändern: Für glaubwürdige Jugendbeteili- gungsformate müssen junge Menschen in einem demo- kratischen Auswahlprozess beteiligt werden. Als Jugendrepräsentant*innen, die eigentlich nur uns selbst repräsentieren, stehen wir zwischen allen Stüh- len – und das auf mehreren Ebenen. Auf wortwörtli- cher Ebene standen wir oft zwischen oder neben den Stühlen, weil es keine designierten Sitzplätze für junge Menschen in den UN gibt. Stellt euch den Saal der Gene- ralversammlung vor wie einen Strand auf Mallorca, auf dem die Hälfte der Sitzplätze mit Schals, Handtaschen, Notizblöcken und manchmal sogar Wertgegenständen reserviert ist. Um einen seat at the table (dt. Platz am Verhandlungstisch) haben wir ohnehin zu kämpfen. Auch in der üblichen Verwendung des Sprichwortes trifft es zu: Wir befinden uns in einer schwierigen Lage, weil wir den teils gegensätzlichen Erwartungen verschiede- ner Seiten gerecht werden sollen. Designbegeisterte kennen den Leitsatz form follows function , nach dem sich die Ausgestaltung eines Möbelstücks am gewünschten Zweck orientiert und nicht andersherum. Das können wir kopieren: Formate der Jugendbeteiligung sollten sich nach der zu erfüllenden Funktion richten.
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