BAHNMENSCHEN
Attraktivität vorm Deich ist zukünftig existenziell!
Kannst du uns zum Schluss eine besondere Anekdote aus der Bauzeit schildern? Da gibt es eine Kuriosität mit unserem Pferd Tamme! Die Gleisbauarbeiten waren noch im vollen Gange, aber die Weiche zum neuen Streckenabschnitt lag schon, auch der Pfad längs der neuen Strecke war bereits nutzbar. So wollte ich Tamme schon mal die neue Strecke zu Fuß zeigen. Dafür hatte ihn extra ins Geschirr gestellt, bin mit ihm und unserem Wagen 21 vom Bahnhof bis zur neuen Weiche, an der der neue Strecken- abschnitt abzweigt, gefahren. Dort habe ich den Wagen abgestellt und bin dann mit Tamme im vollen Geschirr zu Fuß weitergelaufen, damit er die Situation möglichst realistisch empfindet. Nun aber wollte er partout nicht auf die neue Strecke abbiegen. Er hat sich gewundert, hat nach rechts geguckt zur alten Strecke, nach links zur neuen … und das mehrmals: „Das kann doch alles gar nicht sein, es geht doch hier weiter, ich bin doch hier zehn Jahre lang geradeaus gelaufen?“, dürften seine Gedanken gewesen sein. Das war wirklich ulkig. Ich habe ihn dann sehr überzeugen müssen: „Ja komm, wir gehen jetzt hier lang, du kannst es mir glauben!“ Mittlerweile kommt er damit klar, aber das tägliche Fahren steht ja noch aus. Sie dürfen alle genauso gespannt sein, wie ich es bin. Auf die baldigen Besuche der ER-Leser freue ich mich ganz besonders! Lieber Christian, wir danken dir für das spannende Gespräch und wünschen viel Erfolg auf den neuen Gleisen! Interview Hendrik Bloem, April 2025
Größtes Risiko bleibt, dass die Bahn mit Verfüllung des Deich- tores bei den geplanten Deich- erhöhungsmaßnahmen vom Ort her „aus dem Blick“ geraten könnte. Die Chance, die mit der Streckenerweiterung verbunden ist, ist damit umso klarer definiert: Die zusätzliche Attraktivität „vorm“ Deich. Diese ist aber damit in Zukunft auch existenziell! Wie sieht dein Arbeitsalltag aufs Jahr oder die Saison bezogen aus? Ich habe auf Spiekeroog nur eine Dienstwohnung in der Zeit der Saison, insgesamt sind das unge- fähr acht Monate. Die Fahrten
der Pferde zu sorgen, ihre Ver- sorgung und ihre Pflege all die Monate außerhalb der Saison sicherzustellen. Irgendwann geht es dann zurück nach Berlin, wo ich meine kleine Altbauwohnung habe. Nach der Saison stünde ich sonst ohne Dach überm Kopf da, das ist einfach so. Von Berlin aus arbeite ich für die ganze Nachbereitung, Abrechnung sowie Vorbereitung der neuen Saison und vor allem das ab, was acht Monate liegen geblieben ist. Auf der Insel fahren wir jeden Tag, solang es das Wetter zulässt. Denn
finden vom 1. April bis zum 31. Oktober statt, hiernach wird das Deichschart
mehrere Monate geschlossen. Zum Fahren selbst kom- men die sonstigen Herausforderungen: Die Pflege der Ausrüstung, der Wagen, der Schienen- infrastruktur, z.B. das Schmieren der Weichen. Dann das
Kontrollieren der Zäune, die Pflege und Versorgung der Pferde, der Weidewechsel. Dazu gehört das tägliche Einspan- nen und der Wechsel der Pferde. Die Arbeit beginnt früh, denn die Pferde wollen täglich liebevoll gepflegt werden. Dann, nach Feierabend, stehen Bürokratie und Formalitäten an, die Reservierun- gen wollen bearbeitet, Anrufe beantwortet, die Abrechnung gemacht und das Kassenbuch geführt werden.Außerhalb der Saison ist für die Winterquartiere
in der Saison muss das Geld verdient werden, das auch für die lange Winterpause reichen muss: Die Pferde haben auch im Winter Hunger und sie brauchen auch im Winter Betreuung, es braucht den Hufschmied und den Tierarzt. Deshalb gibt es für meine Pferde und mich auch keinen Ruhetag während der Saison.
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