KULTUR DES REISENS
Krieg: Mitten in Europa fliehen Menschen vor den Großmachtgelüsten eines Einzelnen. Die Bahn ist das Fluchtmittel Nummer eins Die Seelen der Kinder
I n der prachtvoll geschmück- ten Wartehalle des Bahnhofs Przemyśl in Polen herrscht an diesem grauen und kalten Tag An- fang März 2022 ein kaum überschau- bares Durcheinander. Mehrere hun- dert Menschen drängen sich durch das Gebäude und auf die Bahnsteige. Vor allem Frauen, Kinder und Ju- gendliche sitzen in kleinen Grüpp- chen auf den Sitzbänken und dem Boden und ruhen sich aus, bevor ihre Reise weitergeht. Viele sind le- diglich mit einem Rucksack bepackt, manche haben auch Koffer oder Ein- kaufstüten dabei. Es sind die weni- gen Habseligkeiten, welche sie retten und mitnehmen konnten, darunter auch ab und zu angeleinte Hunde oder Katzen in bunten Transport- boxen. Auf dem Bahnsteig vor dem Bauwerk aus der k.u.k-Zeit vertei- len Freiwillige unermüdlich Essen oder Sim-Karten und helfen bei dem Transport des Gepäcks. RETTUNG MIT DEM ZUG Der Andrang verändert sich in dem Rhythmus der ankommen- den Züge. Alle paar Stunden rollt der Zug mit den charakteristischen blau-gelben Wagen, direkt aus Lviv im Westen der Ukraine kommend, in den Transitbereich des Bahnhofs Przemysl. Wie schon zu Zeiten von Sowjetunion und Warschauer Pakt ist die polnische 60.000-Einwohner- Stadt direkt mit dem Schienennetz
Im Bahnhof von Lviv stauen sich auch drei Wochen nach Beginn der Invasion Russlands in der Ukraine die Menschen. Sie mussten mit Zügen aus den umkämpften Gebieten im Osten des Landes fliehen.
Im abgezäunten Bereich des Bahnhofs von Przemyśl helfen polnische Truppen der Territorialverteidigung beim Ausstieg aus den Zügen.
87
Made with FlippingBook flipbook maker