MiagLD-20
PORTRÄT
Der LD-20 ist für seine Entstehungszeit gut ausgestattet, inklu- sive eines Beifahrersitzes mit klappbarer Rückenlehne und eines voluminösen Riemenscheiben-/Zapfwellengetriebes
Nach ein paar Startversuchen läuft der alte Vorkammermotor mit angenehm weichem Verbrennungsgeräusch
getriebe alle weiteren, für einen Acker- schlepper wichtigen Komponenten zu gruppieren. Der Miag ist für seine Entste- hungszeit komplett ausgestattet. Die gesamte Peripherie basiert auf ei- ner seitlich aus dem Getriebe abgezweig- ten, per Handhebel zuschaltbaren und in Richtung Heck führenden Kardanwelle. An deren vorderen Ende sitzt eine dop- pelte Keilriemenscheibe für den Mähan- trieb, am hinteren Ende ein Verteilerge- triebe, das nach links über Kegelräder die Riemenscheibe mit 1.120 U/min und nach rechts über Stirnräder die annähernd mit- tig positionierte Zapfwelle mit 540 U/min bei Motor-Nenndrehzahl antreibt. Vorsicht, nicht abschleppen! Die über eine kurze Welle mittig angetrie- bene Hinterachse ist ein Miag-Eigenge- wächs mit Schneckenantrieb, auf dessen spezifischen Nachteil Phillipp hinweist: „Wenn man den LD-20 abschleppt, zerstört man das Schneckengetriebe.“ Nicht ohne Grund ging Konkurrent Lanz Aulendorf 1939 vom Schnecken- auf den Stirnrad- antrieb über. Weil manch exotisches Ersatzteil schwer zu bekommen ist, geht Philipp sorgsam mit seinem Schlepper um: „Er ist ein Liebhaberstück. So ausgiebig wie heute bin ich mit ihm lange nicht mehr ge- fahren. Seit ich ihn vor fünf Jahren für 2.500 Euro im Rohzustand gekauft habe, habe ich zusätzlich zu den Arbeiten an Öl- und Wasserpumpe die Elektrik erneuert, dabei die Lichtmaschine überholen lassen und dieVorderachse zusammen mit einem Kumpel neu ausgebuchst. Zum Glück habe ich auch passende Reifen gefunden. Die Größe 8.00-20 mit dem alten Profil war
Voraussetzung, um die Klappgreifer an- bauen zu können. Davon fehlten ursprüng- lich einige, aber ich fand sie so reizvoll, dass ich sie nachfertigen ließ.“ Künstliche, künstlerische Alterung Glück und geschickte Hände hatte Phillipp bei der optischen Aufarbeitung: „Ein Sei- tenblech fehlte, aber ein Freund konnte mir den Kontakt zum Eigner eines LD-20 vermitteln, der Bleche nachfertigen ließ und gleich ein paar mehr davon abneh- men musste. Die Chance nutzte ich. Auf dem Schlepper waren mindestens fünf Farbschichten zu finden, die ich gro- ßenteils entfernt habe. Es folgte ein tiefer Griff in die Chemiekiste mit spezieller
gabe 6/2021 ausführlich beschriebene Holzgasmodell SH-40. Nach dem Krieg wurden kurzzeitig die Industrieschlepper ID 17 und ID 33 in Rahmenbauweise sowie die beiden in Blockbauweise mit Renk-Triebwerken aus- geführten Ackerschlepper AD 22 und AD 33 angeboten, doch spätestens 1952 endete die Fertigung. Spannender Stilmix Die technische und stilistische Mischung aus Acker- und Straßenschlepper macht den LD-20 auch in der Handhabung reiz- voll. Der Fahrersitz befindet sich auf der rechten Seite, daneben schließt ein mögli- cherweise nachträglich, aber definitiv
Wenn man den Miag abschleppt, zerstört man das Schneckengetriebe in seiner Hinterachse
Neulackbehandlung und künstlicher Alte- rung.“ Das Ergebnis kann sich sehen las- sen. Farbreste von Rot über Gelb bis Grün künden von einem bewegten Leben. 15 Jahre Schlepperbau Unter den wenigen erhaltenen Miag- Schleppern ist der ab Werk in auffälligem Gelb lackierte LD-20 heutzutage der häu- figste. In der Miag-Abteilung des Normag- Internetforums (www.normag-forum.de) sind knapp 40 bekannte Fahrgestellnum- mern aufgelistet. Bis 1941 wurden unge- fähr 1.700 Exemplare gebaut, dann passte die vielteilige Konstruktion nicht mehr ins Konzept der nach Vereinheitlichung stre- benden Machthaber.Von Miag gab es vor- übergehend nur noch Straßenschlepper, vornehmlich ab Herbst 1942 das in Aus-
schon vor vielen Jahren eingefügtes Blech die Kommandozentrale ab. Über eine kleine Trittstufe hinter der Werkzeugkiste steigt Phillipp von links her auf und klappt die Rückenlehne des Beifahrersitzes in die senkrechte Position. Dort sitzt man zwar auf Tuchfühlung mit dem Fahrer, aber nicht gnadenlos im Weg, wenn Lenk- und Schaltarbeit erfor- derlich ist. So geht es gemächlich und durchaus komfortabel durch die Feldmark. Auch die vor 85 Jahren hochmoderne, nach so langer Zeit leider nicht mehr funk- tionierende Zentralschmierung mag man- che Kunden einst motiviert haben, für den Miag ein paar Mark mehr auszugeben als für die meisten Konkurrenten. Er ist nicht nur besonders, sondern für sein Alter auch sehr angenehm zu fahren. KlausTietgens
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