Traktor Classic

gen, musste man zwölf Kilometer lang auf einer schmalen, kurvenreichen und bis zu 10 Prozent steilen Straße fahren; selbst mit einem 100-PS-Pkw kommt man hier nur im zweiten Gang hoch. Würden das auch die alten Traktoren schaffen? Die Zeit ver- strich, der vereinbarte Zeitpunkt war längst überschritten und in der Einsamkeit der Berge bestanden für Kommunikation per Mobiltelefon keine Chancen. Rauchzeichen Sollte man dieTraktoren suchen oder sich schon allein auf den Weg zum nächsten Nachquartier begeben? Da war auf einmal ein leises, noch unbestimmtes Tuckern zu hören. Doch dann kristallisierte sich der Klang eines Lanz Halbdiesels heraus, zu dem sich bald noch andere Geräusche ge- sellten. Und dann kamen sie aus dem Wald heraus – „meine Jungs!“, schoss es dem Autor durch den Kopf.Welche ein An-

eigens für diese Fahrt komplett zerlegt, neu aufgebaut und erst wenige Tage vor der Reise fertiggestellt. „Die graue Emi- nenz“ nennt er seinen Traktor nun auf- grund der matten, Patina-artigen Schutzla- ckierung. Robert ist das Traktor-Pilgern ans Herz gewachsen: „Die Natur und die Landschaft insbesondere der Schweiz vom Schleppersitz aus zu sehen und dabei Gott näher zu kommen – das ist einfach unbeschreiblich.“ Höhepunkt trotz Dauerregen Der vierte Tag bildete trotz Dauerregens den Höhepunkt der Tour: Nicht genug, dass die Gruppe an diesemTag endlich das Ziel, den Ort Flüeli erreichte und das Ge- burtshaus, das Wohnhaus sowie die Ein- siedlerklause und die beiden dem heiligen Klaus gewidmeten Kapellen sehen und be- treten konnte. Zusätzlich fand eine weitere Begegnung statt; und zwar mit einer Ab-

Auch das Fernsehen berichtete über die Pilgerfahrt. Hier Diakon Gerhard Kahl im Interview für Tele 1, dem Sender für die Zentralschweiz

wassergetriebenen Schlägelsäge und von dort aus weiter zu einem gemeinsamen Kä- sefondue. Spätestens nach dem ersten „Pflüemli“ (Pflaumenschnaps) oder „Luzer- ner Schwarzen“ (schwarzer Kaffee mit einem Schuss Obstler) waren auch die zwi- schen Süddeutschen und Deutsch- schweizern ohnehin nur recht geringen Di- alektunterschiede überwunden und wurde nicht nur über Traktoren, sondern auch über viele andere Dinge des Lebens ge- plaudert und man trennte sich als Freunde. Genauso trennte sich bald darauf der Autor dieses Artikels von einer einzigarti- gen Gruppe. Nachdem drei Teilnehmer am letzten, dem siebtenTag direktere Reisewege zu ih- ren jeweiligen Heimatorten gewählt hatten, kamen die neun anderen um 17.30 Uhr schließlich sicher in Krumbach an – exakt zur bereits Monate vorab geplanten Zeit. Diakon Gerhard fasst die Fahrt so zusam- men: „Ich bin sehr dankbar, dass Bernhard alles so toll organisiert hat, dass wir alle ge- sund und ohne Unfall angekommen sind, und dafür, dass unsere Runden am Mor- gen und am Abend und auch die inhalt- lichen Impulse von allen Teinehmern sehr gut aufgenommen wurden.“ Was ein Pilgersegen und ein „guter Draht nach oben“ nicht so alles bewirken können. Sascha Jussen

Stefan hat den 1956er Bulldog von 1998 bis 1999 wieder aufgebaut und fahrtüchtig gemacht

blick. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Zwar soll der Lanz D 3206 von Stefan Mändle bei besonders starken Steigungen etwas mehr „Rauchzeichen“ als sonst von sich gegeben haben, hat die Bergfahrt aber wie alle anderen Traktoren mit Bra- vour gemeistert. Stefan hat den 1956 gebauten Bulldog in schlechtem Zustand als Ersatzteilspen- der nach einem Brandschaden gekauft und als gelernter Schlosser in den Jahren 1998 bis 1999 wieder selbst neu aufgebaut und fahrtüchtig gemacht. „Das war jetzt meine erste Pilgerfahrt; die Fahrt war her- ausfordernd und spannend für mich als Fahrer und den Bulldog. Die emotionalen Momente sind nicht zu wiederholen“, fasst Stefan zusammen. Mit von der Partie ist sein Bruder Robert. Der Landmaschinen- mechaniker hat seinen Hanomag R 28

ordnung der „Freunde alter Landmaschi- nen Zentralschweiz“ (FALZ) samt einer Auswahl besonders interessanter und für die Region einst typischer Schlepper. „Wir sind über die Ankündigung in der Traktor Classic auf die Pilgerfahrt in un- sere Region aufmerksam geworden und wollten dieTraktorpilger aus Deutschland unbedingt persönlich empfangen“, freut sich Beat Heini, der Präsident der Vereinigung. Treff der Gleichgesinnten So gesellten sich zu unserer Reisegruppe auch die Schweizer Fabrikate Bucher, Büh- rer und Hürlimann. Nach einem gemeinsa- men Gottesdienst in der unteren „Ranft- Kapelle“ von Flüeli ging es dann in deutsch-schweizerischerTraktorformation zur gemeinsamen Besichtigung einer alten

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TRAKTOR CLASSIC 5/2022

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