Straßenbahn Magazin

Halberstadt

Auf dieser 1935 versendeten An- sichtskarte posiert der Lindner-Trieb- wagen 24 vor der Kulisse des histori- schen Fischmarkts in Halberstadt SLG. MARCO MOERLAND

Die Straßenbahn in Halberstadt bietet viel Flair. Dafür sorgt neben dem historischen Umfeld auch der Fahrzeug- park. Der aus Frei- burg stammende GT4 Nummer 168 machte schon 2013 eine gute Figur im historischen Umfeld der Voigtei MICHAEL KOCHEMS

Kurz nach der Jahrhundertwende steht Wagen 3 der Pferdebahn vor dem Halber- städter Bahnhof SLG. MARIO SCHATZ

H a lberstadt hat heute knapp 40.000 Einwohner. Im Bundesland Sach- sen-Anhalt zwischen den Bergen des Harzes und der Hügelland- schaft der Börde gelegen, gehört Halber- stadt zu den kleinsten Straßenbahnstädten Deutschlands. Mit pittoreskem Stadtbild und vielen Ausflugszielen in der Umgebung ist das Städtchen immer eine Reise wert und bietet zahlreiche Fotomotive mit und ohne Straßenbahn. In den letzten Jahren mussten ältere Triebwagen im Plandienst aushelfen, was dem Betrieb viel Besuch von Straßen- bahnfreunden aus dem In- und Ausland be- scherte. Die Einwohnerzahl, stetig sinkend, liegt heute in etwa wieder dort, wo unsere Geschichte beginnt: bei der Pferdebahn. Pferdebahnen zum Bahnhof Weil der Bahnhof der Eisenbahn ein gutes Stück außerhalb des Stadtzentrums angelegt worden war, gab es bereits in den 1880er- Jahren Pläne zum Bau einer Pferdebahn als kostengünstige Verbindung zwischen Bahn- station und Zentrum. Eine private Aktien- gesellschaft „Halberstädter Straßenbahn AG“ begann nach Erhalt der Konzession um den Jahreswechsel 1886/87 mit den Bauar-

beiten für eine eingleisige, meterspurige Stre- cke inklusive Ausweichen. Am 28. Juni 1887 nahm die „Rote Linie“ Bahnhof – Magdeburger Straße – Breiter Weg – Fisch- markt – Hoher Weg – Dominikanerstraße – Johannesbrunnen – Voigtei den Betrieb auf. Etwa einen Monat später, ab 23. Juli 1887, vervollständigte eine „Grüne Linie“ das kleine Netz. Sie teilte sich mit der roten Linie den Streckenabschnitt vom Bahnhof zum Fischmarkt und führte von dort weiter über Schmiedestraße und Westendorf zum Johan- nestor. Zusammen lag die Streckenlänge bei 3,64 Kilometern. Bei Tage kennzeichneten Tafeln in den entsprechenden Farben die bei- den Linien; bei Dunkelheit leuchteten far- bige Laternen. Zunächst standen zehn Ein- spänner zur Verfügung, wovon drei offene Sommerwagen waren. Später kamen zwei weitere geschlossene Wagen hinzu. Beide Linien wurden alle 20 Minuten be- fahren, wobei der Takt zwischen Fischmarkt und Bahnhof häufig verdichtet wurde. Auf dem Hohen Weg durfte gewöhnlich wegen der dortigen Steigung ein Vorspannpferd mit ran. Das Fahrgeld musste in Zahlkästen ent- richtet werden – Schaffner gab es keine. Das kleine Depot entstand unweit des Bahnhofs

in der Magdeburger Straße 13 an der Ecke Gerichtsstraße. Anlässlich notwendiger Er- neuerungsarbeiten wurde die Trasse in der Magdeburger Straße und im Breiten Weg 1901 und 1902 doppelgleisig ausgebaut. Im Jahr 1902, dem letzten vollen Betriebsjahr, nutzten rund 1,62 Millionen Fahrgäste die Pferdebahnen. Die Elektrische übernimmt Gegen Ende des 19. Jahrhunderts dachte die Stadt nicht nur über die Umstellung des be- stehenden Stadtnetzes auf elektrischen An- trieb nach, sondern gleichzeitig über eine Expansion mit Überlandstrecken ins Um- land: Unter anderem waren Strecken nach Thale, Röderhof, Dingelstädt und Harsle- ben vorgeschlagen. Diese Pläne wurden zwar nie verwirklicht, doch bedeutete der städtische Beschluss vom 26. Juli 1901 zum Bau eines eigenen E-Werks und einer elek- trischen Straßenbahn den absehbaren Ab- schied von den Pferdebahnen in der Stadt. Als Standort des E-Werks und des Straßen- bahndepots wurde ein Grundstück an der Gröperstraße 82 gewählt. Das Projekt erforderte neben dem eigentli- chen Bahnbau umfangreiche Investitionen in

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STRASSENBAHN MAGAZIN 7 | 2022

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