Straßenbahn Magazin

Einsteigen, bitte …

Alles digital, alles besser?

Bei der VGF in Frankfurt

am Main wird Digitalisierung vorangetrieben. Für die zentrale Instandhaltungs- software wurden alle fristgebundenen Komponenten in den Fahr- zeugen mit Tags ausgestattet. Mithilfe solcher digital erfass- baren Etiketten können Kompo- nenten direkt in die Software übertragen, rückverfolgt und überwacht werden FELIX FÖRSTER

D ie Digitalisierung gilt längst als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit von Staat, Wirtschaft und Privatpersonen. Auch bei Verkehrsunternehmen kommt ihr mittlerweile eine entscheidende Rol- le zu. Prozesse, die früher – und vielfach heute noch – auf Papier, per Telefon, an Magnetschiebetafeln, in dicken handschriftlichen Büchern oder Excel-Dateien stattfanden, wandern zunehmend in spezialisierte Soft- warelösungen: Fahr-, Umlauf- und Dienstplanungs- systeme, Betriebshofmanagementsysteme, Systeme für Materialverwaltung, Instandhaltung und Werkstatt- prozesse, digitale Leitstellen (ITCS/RBL), Fahrgastin- formation in Echtzeit, digitales Ticketing. Der Nutzen liegt auf der Hand und ist in aller Munde: effizientere Abläufe, automatisierte Prozesse, schnellere Reaktions- zeiten oder die Übernahme von Aufgaben des Perso- nals durch Software. Doch die digitale Transformation kommt weder finanziell noch organisatorisch zum Nulltarif. Viele Verkehrsunternehmen stehen damit vor einer Heraus- forderung: Sie müssen angestammte Betriebsprozesse in eine neue digitale Struktur überführen, Software euro- paweit ausschreiben, beschaffen und betreiben – und das in einer Branche, in der Finanzmittel, Personal und Zeit ohnehin knapp sind. Ein Beispiel von vielen: Die Einführung eines modernen Betriebshofmanagement- systems klingt auf dem Papier simpel. Es soll Fahrzeuge auf dem Betriebshof orten, diese disponieren (Umläufe zuordnen), Werkstattaufträge verwalten, die Fahrzeug- Alles analog oder digitalisierst du schon? Wieviel Software würden Sie „Ihrem“ Straßenbahnbetrieb verschreiben? Schreiben Sie per E-Mail an redaktion@strassenbahn-magazin.de oder auch per Brief (Redaktionsadresse im Impressum auf Seite 77).

akten digital halten, die Führerscheinkontrolle überneh- men und dem Fahrpersonal auf Bildschirmen anzeigen, zu welchem Fahrzeug es auf welchem Gleis muss. Um diese Ziele zu erreichen, müssen bestehende Prozesse durchleuchtet, Bedürfnisse aller Beteiligten vom Dispo- nenten bis zum Werkstattpersonal berücksichtigt und Schnittstellen zu anderen Systemen geschaffen werden. Das kostet Ressourcen und Zeit – und trifft auf die Realität historisch gewachsener IT-Strukturen. Die eigentliche Einführung kann sich über Jahre ziehen. Hinzu kommen die Kosten: Die meisten Software- systeme kosten sechs- und siebenstellige Summen und dies schon in der Erstinvestition. Über die nächsten Jahre folgen interne wie externe Betriebskosten für Updates, Lizenzgebühren und laufende Supportleis- tungen – die Gesamtkosten übersteigen die reinen Anschaffungskosten erheblich. Gerade kleinere Ver- kehrsunternehmen tun sich schwer, diese Investitionen aus eigener Kraft zu stemmen. Wenn Förderprogram- me von Bund und Ländern überhaupt existieren, dann schließen sie laufende Betriebskosten kategorisch aus. Dennoch führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei. Die Anforderungen steigen: mehr Verkehrsleistungen mit steigenden Fahrgastzahlen und Flotten, Personal-

mangel nicht nur auf Betriebs- höfen, Wünsche der Fahrgäste nach Echtzeitinformationen, steigende Komplexität bei Betriebsprozessen – all das lässt sich ohne durchgängige Digitalisierung kaum noch bewältigen. Moderne Software ist kein Luxus, sondern be- triebliche Notwendigkeit!

Felix Förster, Autor STRASSENBAHN MAGAZIN

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STRASSENBAHN MAGAZIN 9 | 2025

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