PERSPEKTIVEN
A b 1965 baute die Waggonfabrik Uerdingen auf Basis des westdeutschen Schienenbus- ses VT 98 einen neuartigen Regionalver- kehrstriebwagen mit Drehgestellen. Obgleich man den Zug auch der Bundesbahn anbot, wo er rund um Bayreuth ausführlich getestet wurde (siehe Lok Magazin 05/2022), kauften letztlich nur dänische Bahngesellschaften diesen Typ. Die offizielle Baureihenbezeichnung lautet Ym oder Y-tog (Y-Zug), liebevoll wird er von den Dänen jedoch als „Lynette“ bezeichnet. Dies ist die Verklei- nerungsform für die dänischen Schnelltriebwagen mit dem Namen Lyntog („Blitzzug“) und bedeutet so viel wie „Blitzchen“. Bis 1988 wurden die Lynet- ter in insgesamt acht Bauserien mit 75 Motorwa- gen, 55 Beiwagen und 18 Mittelwagen gebaut, die als Ein-, Zwei- oder Dreiteiler ausgeführt waren. So wurden diese Triebwagen zum Einheitsfahrzeug der dänischen Privatbahnen. Relativ spät, nämlich 1984, bestellte auch die DSB sieben Lynetter spezi- ell für die Strecke Helsingør – Hillerød, die aber bis 2007 wieder ausgemustert wurden. Allgemein be- gann ab Anfang der 2000er-Jahre der Stern der Ly- nette rasch zu sinken. Nachdem 2012 auch die Od- derbane und die Vestbane auf LINT 41 umgestellt hatten, verblieb nur die Lemvigsbane als Einsatzort für die Y-tog (siehe Lok Magazin 01/2022). Die Lemvigsbane befindet sich an der Westküste von Jütland und firmiert seit der Fusion mit der Odderbane 2008 unter dem Namen Midtjyske Jernbaner A/S. Viele Jahrzehnte war die Bahnge- sellschaft sehr konservativ und sparsam. So be- schaffte man in den 1970er-Jahren ausgemusterte
schwedische Schienenbusse der Baureihe Y6. Erst 1984 bekam die Lemvigbane drei zweiteilige Lynet- ter und reihte sie als Ym/Ys 12, 13 und 14 ein. Eine Besonderheit war der einteilige Ym 15, den die da- malige VLTJ im Jahr 1999 von der Nærumbanen (dort als Ym 17 bezeichnet) übernahm. Inzwischen wurde das Fahrzeug an einen Eisenbahnverein in Fåre abgegeben. 2006 kaufte man schließlich noch einen gebrauchten Ym von der Nærumbanen. Die- se Einheit wurde als Ym 16/Ys 16 eingereiht, dient aber mittlerweile nur noch als Ersatzteilspender. Mireo Plus B statt „Blitzchen“ Es ist erstaunlich, dass die Lynetter sich auf der Lemvigbane 13 Jahre länger als bei allen anderen dänischen Privatbahnen halten konnten. Nun aber sollen sie spätestens zum Fahrplanwechsel im De- zember 2025 von den ersten batterieelektrischen Triebwagen (BEMU) in Dänemark abgelöst wer- den. Bereits 2010 sollten die Y-Tog ersetzt werden, damals wollte man in einem Pilotprojekt die Was- serstofftechnologie ausprobieren. Dieser Plan wur- de jedoch verworfen und die Lynetter blieben. Nunmehr hat sich die Midtjyske Jernbaner für die ersten Batteriezüge in Dänemark entschieden. Man beschafft drei eigene und die Provinz weitere vier Züge. Die Wahl fiel dabei auf die zweiteiligen Siemens-Triebzüge Mireo Plus B. Diese bieten Platz für 120 sitzende Fahrgäste, erreichen eine Ge- schwindigkeit von bis zu 140 km/h und haben im Batteriebetrieb eine Reichweite von rund 80 Kilo- metern. Die Batterien können über die 25-kV-Ober- leitung in elektrifizierten Abschnitten und durch Rückgewinnung der Bremsenergie des Zuges geladen werden.
Inmitten sattgrüner Wiesen schlängelt sich am 17. Mai 2025 das Triebwagen-Steuerwagen-Gespann aus Ym 14/Ys 14 „Tangen“ bei Ramme durch eine S-Kurve Christoph Grimm (3)
Wie so viele Innovationsprojekte ist auch dieses über ein Jahr verspä- tet. Zur Ausbildung der Fahr- und Werkstattpersonale befanden sich je- doch seit dem Frühjahr 2025 die bei- den Triebwagen 563 001 und 002 in Lemvig. Anfang Juli hat die dänische Verkehrsbehörde Trafikstyrelsen nun den Batteriezügen die Zulassung er- teilt, seit dem 14. Juli 2025 werden sie im Fahrgastverkehr eingesetzt. Noch sind die Züge in der weißen Grund- farbe unterwegs, eine Beklebung mit auffälligem Design ist jedoch vor Ort geplant. Umweltfreundlicher Strom Mangels verfügbarer Ladeinfrastruk- tur kann derzeit pro Tag nur ein Zug Vemb – Lemvig – Thyborøn und ein Zug zurück bis Lemvig gefahren wer- den. Es wird einige Monate dauern, bis alle sieben BEMU in Betrieb ge- nommen werden können, so die Bahn. Für das Laden der Züge entste-
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