Lok Magazin

BAUREIHE 155 / DR 250

155 187 passiert am 5. Mai 2010 mit ihrem Güterzug Kleingärten bei Hannover-Waldhausen Jürgen Hörstel

(den älteren Märklin-Trafos nicht unähnlichen) Drehknopfsteuerung kann man der Lok stufenlos die gewünschte Zugkraft vorgeben! Zusätzlich wird eine Einrichtung aktiviert, welche ein Kippen der Drehgestelle minimiert. Wie man es vom Auto her kennt, neigt jedes Fahrzeug beim Anfahren dazu, sein Gewicht auf die Hinterachse zu verla- gern. Bei einem Sechsachser wie der 155 wird auf diese Weise die erste und die vierte Achse uner- wünscht entlastet und neigt daher zum „Durchge- hen“, dem Schleudern. Um dem entgegenzuwirken, hat man eine Ein- richtung installiert, welche die Drehgestelle sozu- sagen etwas kippt und somit eine etwa gleiche Be- lastung der Achsen herbeiführt. Zusätzlich werden, sobald eine Achse zu schleudern beginnt, die Bremszylinder mit einem leichten Druck be- aufschlagt. Dadurch wird das Schleudern abge- bremst. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass auch die Radreifen von Schmutz und Feuchtigkeit gerei- nigt werden und somit griffiger sind, die Lok putzt sich quasi beim Schleudern „die Füße ab“. Donner- wetter! So etwas kannten wir zumindest in dieser Kombination im nordrhein-westfälischen Westen noch nicht! Auf Tour mit 155 191 Auch als Ausbildungslokführer muss man auf die Strecke, sobald Vater Rhein Hochwasser führt oder sonst wie ein erhöhter Personalbedarf bestand. Dann hieß es: „Ruf die Disposition an, der Baum brennt, Du musst Dienste übernehmen!“ So ergab sich eines Samstagnachmittags die Ge- legenheit, mit der 155 einen Güterzug von Hagen- Vorhalle nach Oberhausen West zu bespannen.

155 191 hieß meine Kollegin, 1.945 Tonnen hingen am Haken, nach Oberhausen West kein Problem, wie sich dann auch herausstellte. Dort Pause, Au- tomatenkaffee, Bütterken essen und dann ran an den nächsten Zug für die Rückfahrt nach Vorhalle. „Mahlzeit Kollege, einmal Fahrgast nach Vorhalle“, grüßte ein unbekannter Eisenbahner vom Bahn- steig. „Gern doch, komm rauf!“ Unterhaltung war mir fast immer erwünscht im ansonsten eintöni- gen Maschinistendienst. 2.150 Tonnen hingen am Haken, das Wetter war leicht niesig, eben Ruhrpott. In Bochum-Riemke an die Seite, die Schiebelok hat Fristentausch. „Kol- lege, würde es dir was ausmachen, wenn ich unse- re Ziege mal selber am Euter kitzle?“, fragt mich mein Fahrgast. „Ick hab ein bisschen Heimweh, ha‘ ick mal drauf jelernt.“ – „Klar, Meesta“, stimme ich zu, „scheinst dich ja auszukennen, mach mal!“ Mein erfahrener Ost-Kollege übernahm den Zug- kraftwähler, die 155 schnurrte mit Bravour und ohne Mucken die Steigung nach Bochum Nord hi- nauf, lediglich die Temperatur der Fahrmotoren verursachte mir einige Sorgenfalten. Dazu muss man wissen, dass in Zeiten des So- zialismus gewisse Rohstoffe teuer oder nur gegen Devisen zu haben waren. So war auch qualitativ gutes Isoliermaterial Mangelware, bei der einge- bauten Isolation bestand noch Luft nach oben. Je- doch erwies sich die 155 als bärenstark und zuver- lässig, sofern sich der an die 150/151 gewöhnte Ex-Bundesbahner etwas mit ihrer Handhabung be- schäftigte. Viel bin ich nicht mehr auf ihr gefahren, aber ich habe sie letztendlich in guter Erinnerung behalten. Dieter Zuncke

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LOK Magazin 07 | 2022

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