Lok Magazin

STRECKEN & BETRIEB

und zusammen mit Altötting die Benutzung städti- scher Straßen zu erlauben. Um den Wallfahrtsbe- trieb nicht zu stören, sollte die Bahn in Altötting nicht über den Kapellenplatz zum Bahnhof geführt werden, sondern in 100 Meter Entfernung am Ho- tel „Bayerischer Hof“ enden. Am 22. Juni 1904 fiel im Landtag die Entscheidung: Das Lokalbahnge- setz sah für die Strecke Neuötting – Altötting einen Finanzbedarf von 515.400 Mark vor. Auf die Ver- zinsung des Baukapitals wurde verzichtet, da das Verkehrsaufkommen allenfalls zur Deckung der Betriebskosten ausreichen würde. Auch wenn die Verbindung durch das Lokalbahngesetz finanziert und in Bahnakten als Lokalbahn bezeichnet wurde, galt sie dennoch als Dampfstraßenbahn. Die „Aus- nahmebestimmungen für den Bau und Betrieb der schmalspurigen Dampfstraßenbahn Neuötting – Altötting“, gültig ab 20. August 1906, regelten die Unterschiede zu den normalen Eisenbahnen. Im Volksmund wurde die Bahn schlicht „Bockerl“ oder „Vater-Unser-Bahn“ genannt. Bahnbau und Eröffnung Im August 1904 begann die Eisenbahnbau-Sektion Neuötting mit der Detailprojektierung der Strecke. Ein Jahr später waren die Erd- und Dammarbeiten abgeschlossen und die Kunstbauten errichtet und die Schienen konnten verlegt werden. Die Weichen am Bahnhof Neuötting, an der Betriebsstation und an der Endstation „Bayerischer Hof“ mussten vom Lokführer mittels eisernem Haken umgestellt wer- den. In den Ausweichstellen Spital und Marktplatz Neuötting lagen selbsttätige Rückstellweichen.

Am 21. Mai 1906 erreichte der Schienenstrang die Endhaltestelle in Altötting, am 13. Juli fuhr zum ersten Mal eine Dampflokomotive bis zur Betriebs- station. Nachdem die übrigen Fahrzeuge eingetrof- fen waren, konnten Belastungs- und Probefahrten durchgeführt und das Personal eingewiesen wer- den. Nach der Abnahme von Strecke und Fahrzeu- gen wurde der 16. August für die Betriebsaufnah- me festgelegt. Die Einwohner von Altötting und Neuötting begrüßten die beiden festlich ge- schmückten Eröffnungszüge mit großem Jubel. Zulage für den Lokführer Die Betriebsleitung der Lokalbahn lag beim Vor- stand des Bahnhofs Neuötting. Zwölf Mann Perso- nal waren erforderlich: drei Lokomotivführer, drei Zugführer und sechs Gehilfen. Der Lokomotivfüh- rer musste auch selbst heizen, wofür er eine Zula- ge von zwei Pfennig für die einfache Strecke er- hielt, außerdem die Brennstoffeinsparprämie. Die Betriebsstation lag zwischen Neuötting und Altötting und bestand aus einem Lokschuppen mit zwei Gleisen von je 20 Metern Länge sowie einer offenen Wagenhalle mit vier Hebeböcken zu je 1,5 Tonnen Hubkraft. 1909 wurde die Wagenhalle verschlossen und eine Achssenke eingebaut. An den Lokschuppen waren eine Werkstatt und ein Wohn- und Übernachtungsgebäude für das Perso- nal angebaut. Von Anfang an hatte die Dampfstraßenbahn in Neuötting Anschluss an alle Züge, die ankamen oder abfuhren. Eingesetzt wurden zwei Garnituren aus einer Dampflokomotive (Pt 3/4), zwei oder drei

Eine Ansichtskarte aus der Zeit um 1910 zeigt einen Zug auf der Marienbrücke. Die Pts 3/4 (DRG 99 13 ) liefen in Richtung Neuötting Bahnhof mit der Rauchkammer voraus Slg. Helge Hufschläger

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