Mein Haus & Grund_Neue Perspektive für alte Mauern

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Projekt einlassen, aus einem abbruchrei- fen Haus entstehen kann. Dank seines Jobs hatte er schon früh ganz genau vor Augen, wie sein Elternhaus aussehen soll. Als Markenbeauftragter hat Stefan Kirmse viel Erfahrung damit gesam- melt, Büros und sogenannte Experience Center einzurichten. Er kann sich in leere Fabrikräume hineinfühlen und sich genau vorstellen, wie man sie gestalten muss, damit Marken für die Kunden erlebbar werden. Was der Versicherung nur noch den Abriss wert war, inspirier- te ihn zu einem Umbau mit besonde- rem Blick für die Details. Zunächst mussten die alte Garage und die Terrasse weichen. Die ursprüngli- che Wohnfläche von 120 m 2 wurde mit einem Anbau und dem Ausbau des Kellers fast verdreifacht. So sind zwei Wohneinheiten entstanden: eine vermietete Wohnung im Untergeschoss und eine größere im Ober- und Dach- geschoss, in der Stefan Kirmse und sein Mann wohnen. Das Dachgeschoss ist so konzipiert, dass es zu einem eigen- ständigen Loft mit eigenem Zugang umgebaut werden kann. Auch das Konzept der beiden Wohnungen ist mit identischen Grundrissen auf alle zukünf- tigen Anforderungen abgestimmt. Die Küchen und andere Elemente können mit geringem Aufwand miteinander ge- tauscht werden, sodass die beiden sich flexibel – und je nach aktueller Vermie- tung – für eine Wohnung entscheiden können. Derzeit leben die beiden noch etwa 80 Prozent ihrer Zeit in Düsseldorf, aber seinen Lebensabend würde Stefan Kirmse doch sehr gerne hier verbrin- gen. Bei dem Ausblick in den 2.000 m 2 großen Garten mit seinem alten Baum-

also war da und dachte: Jetzt auch das noch, was mache ich denn jetzt?“ Die Provinzial, der Kooperationspartner von Haus & Grund im Versicherungsbereich war gefragt. Die Mitgliedschaft seines Vaters bestand immerhin schon seit 1957 – inzwischen hat Stefan Kirmse seine Mitgliedschaft aus Nordrhein-

Es war 1967, als im heutigen Kiel- Wellsee der Bau des Einfamilienhauses der Familie Kirmse begann. Es war eines der ersten in der Straße, ein typisches Siedlerhaus, und die Plöner Amtsleite- rin, damals noch für Wellsee zuständig, hatte einen ganz genauen Dachwinkel vorgegeben. Das gewünschte und angesagte Flachdach konnte also leider nicht gebaut werden. Dafür erkennt man bis heute an der Dachform, ob ein Haus noch aus der Plöner Zeit stammt oder nach 1970 entstanden ist, als Well- see in Kiel eingemeindet wurde. Stefan Kirmse, zu der Zeit noch sehr klein, erinnert sich, wie er in einer Schubkarre durch den Garten fuhr. Oder seinen Vater in der Badewanne aufweckte, der geschafft von den Bauarbeiten schon vor dem Abendessen einschlief. „Solche Sachen habe ich noch im Kopf, deshalb hängen auch sehr viele Emotionen an dem Haus.“ 51 Jahre später, 2018, stand das Haus nach dem altersbedingten Umzug der Eltern einige Wochen leer. Die Nach- barn, die sonst ein Auge auf das Haus hatten, waren übers Wochenende ver- reist. Als sie am Sonntagabend zurück- kamen, riefen sie aufgeregt bei Stefan Kirmse an, der schon lange in Düssel- dorf lebt. „Bei dir ist alles neblig!“ Was ist neblig? Er bat sie nachzusehen. Als sie die Tür öffneten, kam ihnen ein Riesenschwall Wasser entgegen. Der Mischhebelkopf der Badewanne im oberen Badezimmer war altersbedingt abgesprungen und das Wasser flutete über Tage aus beiden Leitungen das gesamte Haus. Totalschaden, der Putz fiel von den Decken, einfach alles bis zum Keller war durchnässt. „Ich stand

Die Idee nahm Gestalt an

Westfalen damit zusammengeführt. Die Versicherung übernahm die Kosten der Schadenbeseitigung, die Instandhaltung musste er jedoch selber tragen. Das Haus war ohnehin sanierungsbedürftig, doch der Wasserschaden erforderte nun eine schnelle Entscheidung. Auf Empfehlung lernte er ein sehr gutes Architekturbüro kennen. Er ahnte, dass er jemanden braucht, der nicht nur Rei- henhäuser baut, sondern Fantasie mit- bringt, gleichzeitig aber auch Grenzen aufzeigt. Als er mit dem beauftragten Architekten in dem völlig herunterge- kommenen Haus stand, wies dieser ihn darauf hin, dass es wirtschaftlich be- trachtet das Beste sei, das Haus einfach abzureißen. „Aber das wollte ich nicht. Ich konnte es nicht. Mein Vater lebt noch, er hat es mit seinen eigenen Hän- den gebaut, das mag emotional und irre sein, aber ich werde dieses Haus nicht abreißen.“ Der Architekt nickte. Es werde schwierig und im Vergleich zum Neubau um einiges teurer, aber: „Wir kriegen das hin.“ Sie haben es nicht nur „hingekriegt“. Es ist sogar ein bemerkenswertes Beispiel dafür geworden, was mit einer Vision und Partnern, die sich wirklich auf ein

Modernste Technik mit vorausschauender Planung, viel Raum, Grün, Holz – in dieser behaglichen Kombi- nation fühlen sich alle wohl, ganz besonders Aiko, die Hundedame des Hauses.

dem KfW-55-Standard. Weil der Archi- tekt die spitzen Giebel nicht zerstören wollte, wurde eine PV-Anlage gewählt, die in Dachziegeln verbaut ist. „Die sind zwar teurer und etwas schwächer in der Leistung, aber man sieht sie im Prinzip nicht“, erklärt der Bauherr. Die ostwestliche Dachausrichtung hielt er zunächst nicht für ideal, wurde aber korrigiert, das sei weniger ein Problem als die großen Buchen, die das Dach beschatten. „Dennoch wird eine Woh- nung völlig autark über die Solarenergie gespeist, ich verbrauche so gut wie gar keinen Strom hier. Tagsüber speisen wir den Strom ein, den Speicher haben >>

bestand und dem Landschaftsschutz- gebiet dahinter kann man das sehr gut nachvollziehen. Dieser Ausblick lässt sich vom neuen großen Balkon im ersten Obergeschoss oder von der Dachterrasse aus genie- ßen, die auf dem Neubau errichtet wurde. Auch das Haus kann sich sehen lassen. Nach zweieinhalb Jahren Trock- nungs- und Bauzeit verfügt es über dreifach verglaste Fenster, Solardach und Wärmekollektoren, Fußbodenhei- zung, intelligente digitale Gebäudesteu- erung, Alarmanlage, Wassermelder (aus bekannten Gründen) und entspricht

Der typische Dachwinkel wurde erhalten und verrät die damalige Plöner Zuständigkeit für Wellsee, das inzwi- schen zu Kiel gehört.

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