Eisenbahn/Modellbahn: Geschichte
H0-Tenderlokmodell der 98 307 von Heinzl und zwei Werbeblätter aus den 1960er-Jahren
Manfred Scheihing
SERIE Ein Modell undsein
Vorbild
Bundesbahn-Tenderlokomotive 98 307 – das langlebige „Glaskastl“
mit großem Kasten KleineLok
niglich Bayerischen Staatsbahnen (K. Bay. Sts. B.) zwischen 1905 und 1914 bei den damals noch voneinander unabhängigen Herstellern Krauß und Maffei in München insgesamt 72 zweiachsige „Glaskästen“, wie die eigenartigen Loks bald im Volksmund genannt wurden. Kein Wunder, denn ihr den größten Teil des Kessels umschließendes Führerhaus war großzügig verglast und bot dem Lokpersonal entsprechende Ausblicke. Überhaupt waren die Loks sehr fortschrittlich und wirtschaft- lich, handelte es sich doch um die ersten bayeri- schen Heißdampfloks. Zudem waren die Maschi- nen einmännig zu fahren, der Lokführer musste lediglich einen Schieber betätigen, und schon
Kaum ein Fahrzeug verkörperte die bayerische Lokalbahn-Roman- tik so sehr wie der „Glaskasten“ der Tenderlok-Gattung PtL 2/2 und späteren DRG- und DB-Baureihe 98 3 . Kein Wunder also, dass er auch das Interesse der Modellbahnhersteller weckte
W as ist es, was uns auch heute noch an den kleinen Loks der bayerischen Gattung PtL 2/2 derart fasziniert? Ihr kompaktes Äußeres mit der für Staatsbahnloks so ungewohn- ten weitgehenden Verkleidung des Kessels? Oder das Kindchenschema, das die meisten Betrachter unweigerlich als „irgendwie niedlich“ erachten? Das war schon zeitlebens so. Wo auch immer man den kleinen Loks im Betrieb begegnete, schlug ihnen eine gewisse Sympathie, vielleicht auch stille Be- wunderung entgegen. Aktiv im Plandienst erleben konnte man die kurzen bayerischen „Tenderlök- chen“ noch dazu erstaunlich lange: Bis in die 1960er- Jahre hinein standen die letzten Exemplare ihrer Art im Betrieb. Und da viele Modellbahner eine ro- mantische Ader und ein Faible für Nebenbahnen haben, kam schon früh der Wunsch nach einer Nachbildung in Modell auf. Bereits in ihrer Ausgabe 7/55 stellte die MIBA einen Bauplan für die Lokalbahnlok der Baureihe 98 3 vor.
Schon bald durften die ersten danach gebauten Modelle bewundert werden. Da aber nicht jeder die Fähigkeiten zum kompletten Selbstbau eines Lokmodells hatte, blieb es bei vielen Modell- bahnern weiterhin beim Wunsch nach diesem B-Kuppler, dem sich der Reutlinger Kleinserienher- steller Heinzl nicht länger verschließen wollte: 1964 kam sein H0-Modell des „Glaskastens“ in Form der DB-Tenderlokomotive 98 307 auf den Markt. Die Freude war groß, und gerne griffen nicht nur Bayern-affine Modellbahner zu – trotz des nicht gerade günstigen Preises. Doch den war das put- zige Maschinchen in seiner für die damalige Zeit hervorragenden Detaillierung allemal wert. Klein und wirtschaftlich Traditionell unwirtschaftlich gestaltete sich der Bahnbetrieb auf den zahlreichen bayerischen Lo- kalbahnen, darunter vielen kurzen Stichstrecken. Um hier für Abhilfe zu sorgen, beschafften die Kö-
Die ersten bayerischen Heißdampfloks waren sehr fortschrittlich und wirtschaftlich
rutschten ein paar Kohlen aus dem hoch ange- brachten Kohlenkasten auf den Rost der kleinen Feuerbüchse. So wurden die ersten Loks offiziell als „Motorloks“ mit der Gattungsbezeichnung ML 2/2 in Dienst gestellt. Die Bezeichnung wurde schon bald in PtL 2/2 geändert, was für Personen- zugtenderlok für Lokalbahnen mit zwei angetrie- benen von insgesamt zwei Radsätzen stand. Aber „Glaskasten“ war nicht gleich „Glaskasten“, es gab
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