Bahn Extra

BahnEpoche | FAHRZEUGE

Einer der beiden „Spitzmaus“-Triebwagen vor dem Lokschuppen in Finthen. Nur circa drei Jahre waren die Vierach- ser in Mainz eingesetzt Slg. Dr. Rolf Löttgers

Jahreshälfte 1927 auf Kosten des RVA bei Gastell wieder instandgesetzt und an- schließend an die SEG verkauft, die sie als T 7 und T 8 auf ihrer Nebenbahn Zell – Todtnau (ZT) einsetzen wollte.Wann genau der Verkauf erfolgte, lässt sich durch ein Schreiben des RVA vom 19. Januar 1928 an die Stadt Mainz zumindest etwas präzisie- ren. Darin heißt es „Die Betriebsmittel sind im Übrigen in der Zwischenzeit schon an- derweitig verkauft.“ An Primärquellen über die Zeit bei Zell- Todtnau gibt es nur einige dürre Notizen in den Akten des Badischen Generallandesar- chivs. Im „Nachtrag XXX zur Baukosten- rechnung der Zell-Todtnauer Eisenbahn für 1928“ liest man unter Titel IX: „Lok- und Triebwagenschuppenneubau BahnhofTodt- nau (…) 85.671,86 RM“ und unter Titel XII: Beschaffung von 2Triebwagen (…) 37.087,71 RM“. Und im Nachtrag XXXII für das Jahr 1930 heißt es beim Titel XII: „Vom Anlage- kapital sind abzusetzen: Erlös für den ver- kauften Triebwagen No. 8 an die A.G. d. Wollmarer Zufuhrbahn, Riga 25.000,00 RM abzügl. d. Kosten für Umarbeiten d. Motore 8.704,60 RM = 16.265,40 RM“. Die SEG ließ sich ihre beiden Benzoltrieb- wagen also etwas kosten, denn sie hoffte, mit diesen Fahrzeugen die Betriebskosten sen- ken zu können. Das allerdings war ein Irr- tum. Die einzigen erhaltenen Betriebsbilder vom Einsatz im Wiesental sind ein halbes Dutzend Unfallbilder, entstanden 1928 zwi- schen Mambach und Atzenbach. Eine der beiden „Spitzmäuse“, im Schlepp einen Ge- päckwagen von ZT, war nach einer leichten Kurve vermutlich wegen zu hoher Geschwin- digkeit aus dem Gleis gehoben und nach au- ßen zur Seite gekippt. Allerdings fiel der Triebwagen nicht ganz auf die Seite, sondern verharrte bei etwa 50° Neigung.Wahrschein- lich hielt ihn das Gewicht des Untergestells mit der kompletten Maschinenanlage in die- ser Lage. Die in den nächsten Stunden ent- standenen Aufnahmen von der Bergung des Triebwagens zeigen, wie dieser mit Hilfe von Eisenbahnschwellen und Kanthölzern Stück für Stück aufgerichtet wurde, bis man ihn wieder aufgleisen konnte – ein für die Ein- wohner des sonst so stillen Tales ein beein- druckendes Spektakel. Wie dem „Nachtrag XXXII …“, zu ent- nehmen ist, ging die Reise für denT 8 schon 1930 weiter Richtung Lettland. Verwirrung stiftet in diesem Zusammenhang eine Bild- unterschrift in den beiden Monographien von Ludger Kenning über die Nebenbahn Zell – Todtnau, die den auf einen Schwer- lastwagen verladenen Wagenkasten des T 8 zeigt und als Aufnahmedatum den März 1929, nicht 1930, nennt. Der T 7, das sei der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt, verließ den Schwarzwald fünf Jahre später. Er wurde für 15.000 RM an die Mindener Kreisbahnen verkauft.

Beim zweiten Einsatzgebiet im Schwarzwald verunglückte eine der beiden „Spitzmäuse“ 1928 zwischen Mambach und Atzenbach. Dass der Wagen sich nicht ganz auf die Seite legte, dürfte er dem schweren Untergestell zu verdanken haben. Das schrittweise Wiederaufrichten geschah allein mit Hilfe einiger Schwellen und Kanthölzer Slg. Dr. Rolf Löttgers (4)

Über den Dienst der beiden Benzoltrieb- wagen gibt es wenig Erfreuliches zu berich- ten. Das nur mit Dampfloks vertraute Perso- nal war nur notdürftig eingewiesen worden, sodass es sowohl bei der Bedienung als auch bei der Wartung immer wieder zu Betriebs- ausfällen kam. Und selbst der Dampfzug-Er- satz klappte nicht immer, weil die letzte vor- handene Tramwaylok nur noch notdürftig am Laufen gehalten wurde. Anfang 1927 musste Triebwagen 1 wegen Bruchs der Steuerwelle endgültig aus dem Verkehr ge- zogen werden, und nach dem Achsbruch von Wagen 2 am 13. Juli 1927 war es mit dem Triebwagenverkehr Finthen – Wackernheim

endgültig zu Ende. Am 28. September 1927 teilte der Kommandierende General der Rheinarmee mit, dass die Rheinarmee auf die Benutzung der Bahnlinie verzichte. Die umgehende Kündigung des Betriebsfüh- rungsvertrags seitens des RVA und der Ver- zicht der Stadt Mainz auf die weitere Nut- zung der Anschlussbahn besiegelten noch vor Jahresende 1927 das Schicksal der einst- maligen Armierungsbahn.

Zell – Todtnau: Erfolglos im Südschwarzwald

Die gerade einmal drei Jahre genutzten Benzoltriebwagen wurden in der zweiten

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BAHN EXTRA 4/2022

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