Bahn Extra

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ßerdem benötigte die hydraulische Kraft- übertragung nur wenig Kupfer, das in der DDR Mangelware war. DieVorarbeiten für die Dieseltriebfahrzeu- ge gingen zunächst nur schleppend voran. Das änderte sich 1955, ausgelöst durch das 2. Plenum des Zentralkomitees (ZK) der So- zialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Bei dieser Tagung, veranstaltet vom 24. bis 27. Oktober 1955, wurde für die DDR- Wirtschaft das Motto „Modernisieren, Mecha- nisieren, Automatisieren“ ausgegeben. Das ZK beschloss die Anwendung moderner Technik in allen Bereichen der Wirtschaft. Die Reichsbahn wurde dazu verpflichtet, „plan- mäßig mit dem Bau und dem Einsatz moder- ner Streckendiesellokomotiven“ zu beginnen. Schwierige Umsetzung Das war leichter gesagt als getan, denn die Voraussetzungen für die Entwicklung und den Bau von Dieseltriebfahrzeugen waren denkbar schlecht. Es gab so gut wie keine Betriebe in der DDR, die in der Lage waren, bahntaugliche Motoren, Steuerungen sowie Strömungs- und Elektroschaltgetriebe zu liefern. Die DR und die in der VVB LOWA zusammengeschlossenen Betriebe mussten das dazu notwendige Wissen erst mühsam erwerben und eine entsprechende Industrie aufbauen. Ende der 1950er-Jahre nahmen die Pläne der DR für den Traktionswechsel dann kon- krete Formen an. Die Hauptverwaltung der Maschinenwirtschaft (HvM) hatte inzwi- schen einenTypenplan ausgearbeitet und die Zahl der zu beschaffenden Triebfahrzeuge mit der Staatlichen Plankommission (SPK) abgestimmt. Das im März 1961 von der SPK genehmigte Konzept sah bis 1965 die Be- schaffung von fünf Baureihen vor: der Ran- gierdieselloks V 15 (255 Stück) und V 60 (392 Stück), der Streckendieselloks V 100

Typischer DR-Nebenbahnbetrieb der 1970er- und 1980er-Jahre: Lok 110 247 verlässt mit einem Güterzug mit Personenbeförderung (Gmp) im Sommer 1989 Neuwegersleben F. Köhler/Slg. D. Endisch

(120 Loks) und V 180 (128 Loks) sowie einer Diesellok für Schmalspurbahnen V 36 K (137 Stück). Die V 100 sollte aus der Sowjet- union importiert werden. Bis 1975 wollte man denTraktionswechsel abschließen. In der Zwischenzeit – vor der Produktion der neuen Loks bzw. auch, als diese anlief – griff die DR für den Nebenbahn-Dieselbe- trieb auf vorhandene Bestände zurück. So zum Beispiel auf die WR 360, jetzt Baureihe V 36, welche die Reichsbahn in einigen Bahn- betriebswerken zusammenzog, um die Un- terhaltung zu vereinfachen. Einsatzbereiche waren beispielsweise die von Ebeleben aus- gehenden Nebenbahnstrecken (mit Behei- matung in der Reichsbahndirektion Erfurt, dort im Bahnbetriebswerk Nordhausen), die ehemalige Niederlausitzer Eisenbahn (Rbd Cottbus, Bw Luckau), die Strecke Zinnowitz – Peenemünde Dorf (ehemalige Werkbahn, Rbd Greifswald, Bw Heringsdorf) und die

von Neuruppin ausgehenden Strecken (ehe- malige Ruppiner Eisenbahn, Rbd Schwerin, Bw Neuruppin). Wurden mit den V 36 in der kalten Jahreszeit Reisezüge bespannt, waren in den Personenwagen Ofenheizungen vor- zuhalten, da die ehemaligen Wehrmachtsloks keine Dampfheizungsanlagen besaßen. Zwar war mit diesen Lokomotiven bereits eine kostengünstigere Betriebsführung mög- lich als mit Dampflokomotiven, aber letzt- endlich bedeuteten diese Leistungen einen Tropfen auf den heißen Stein.Von einem sys- tematischen Traktionswechsel konnte beim V-36-Einsatz nicht die Rede sein, zumal sich die Instandhaltung dieser Lokomotiven als kompliziert erwies und oft Ausfälle zu ver- zeichnen waren. Traktionswechsel in kleinen Schritten So musste die DR, bis genügend neue Die- sellokomotiven bereitstanden, auf den Ne-

Obwohl die Strecke Genthin – Milow (Havel) für die Stilllegung vorgese- hen war, vollzog das Bw Jerichow auf dieser Stichbahn 1964 den Trak- tionswechsel mit damals hochmodernen LVT der Baureihe 2.09. Das Foto entstand am letzten Betriebstag, dem 23. September 1967, beim Halt in Schlagenthin Slg. Wolf-Dietger Machel

Bis in die frühen 1960er-Jahre standen der DR nur Dieselfahrzeuge aus der Vorkriegszeit zur Verfügung, darunter Triebwagen ehemaliger Klein- und Privatbahnen. Hier der VT 135 539, ehemals T 61 der Kleinbahn Gardelegen-Neuhaldensleben-Weferlingen, mit Beiwagen unterschied- licher Herkunft in Sandau, 1963 Slg. Wolf-Dietger Machel

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BAHN EXTRA 5/2025

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