Bahn Extra

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Am 3. August 1989 steht 110 059 mit einem Nahgüterzug im Bahnhof Straußfurt und wird mit diesem auf die „Pfefferminzbahn“ Richtung Sömmerda – Großheringen ausfahren. Seit fast 20 Jahren ist damals die V 100 schon als Standardlok auf der Nebenbahn im Einsatz Thomas Fischer/Eisenbahnstiftung

Straußfurt – Großheringen Schneller Wechsel Manchmal ging die Umstellung von Dampf auf Diesel ziemlich rasch: So wie bei der als „Pfefferminzbahn“ bekannten Verbindung Straußfurt – Sömmerda – Kölleda – Großheringen, bei der die Reichsbahn den Übergang der Traktionen zwischen 1966 und 1968 weitgehend vollzog Von Dirk Endisch/GM

Die „Pfefferminzbahn“ alias Kursbuchstrecke 651 auf der Kursbuchkarte vom Winter 1987/88 Slg. Felix Walther

I m Norden des Thüringer Beckens ver- läuft die 52,8 Kilometer lange Strecke Straußfurt – Sömmerda – Kölleda – Großheringen. Bekannt wurde sie als „Pfef- ferminzbahn“ mit Blick darauf, dass rund um Kölleda Küchen- und Arzneikräuter wie Pfefferminze, Liebstöckel und Engelwurz angebaut wurden. Die dortigen Landwirte wie auch die aufstrebende Industrie in Söm- merda profitierten von der 1874 eröffneten Strecke, die von privaten Investoren erbaut und 1887 von den Preußischen Staatsbah- nen übernommen worden war. Über Jahrzehnte hinweg prägten Dampf- lokomotiven preußischen Ursprungs den Betrieb. Ab Mitte der 1940er-Jahre waren dies vor allem Maschinen der Baureihe 38 10–40 (ex preußische P 8, Personenver- kehr) und 58 (ex preußische G 12, Güterver- kehr). Von 1956 bis 1959 setzte das Bw Naumburg anstelle der Baureihe 58 die Baureihe 56 20–29 (ex preußische G 8 2 ) ein. Umstellung der Traktionsart Mitte der 1960er-Jahre leitete die DR den Strukturwandel in der hiesigen Zugförde- rung ein. Das Bw Erfurt P übernahm 1964 sechs fabrikneue Leichtverbrennungstrieb-

wagen (LVT 2.09.0), die ab 1966 werktags ei- nige Leistungen auf dem Abschnitt Strauß- furt – Sömmerda erbrachten. Außerdem oblagen den Triebwagen die Personenzüge (P) 3265 und 3282 von und nach Kölleda so- wie der täglich verkehrende Pendel 3255/3256, der in den Mittagsstunden die gesamte „Pfef- ferminzbahn“ bis nach Großheringen befuhr. Das war erst der Anfang. Als Ersatz für die 38 10–40 und 58 hatte die Verwaltung der Maschinenwirtschaft (VdM) der Reichs- bahndirektion Erfurt die BaureiheV 100 (ab 1970: 110) auserkoren. Die für die „Pfeffer- minzbahn“ benötigten Maschinen wurden im Bw Weißenfels stationiert. Dort traf als Erste ihrer Baureihe am 29. April 1968 die fabrikneue V 100 049 ein. Bis zum Fahrplanwechsel am 25. Mai 1968 wuchs der Bestand auf zehnV 100 an. Neun dieser Maschinen wurden mit Lokführern des Bw Naumburg besetzt – das genügte, um die Personenzugleistungen Straußfurt – Großheringen zu übernehmen und die 38 10–40 abzulösen. Außerdem übernahm die V 100 auch einenTeil des Güterverkehrs von der Baureihe 58. Mit dem Diesellok-Einsatz konnte die VdM der Rbd Erfurt zugleich die Dienststel-

lenstruktur straffen und die Kosten senken. Das Bw Naumburg wurde am 31. Dezember 1968 aufgelöst und in eine Einsatzstelle des Bw Weißenfels umgewandelt. Die Außen- stelle in Großheringen wurde am 30. Juni 1974 aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt war die „Pfeffer- minzbahn“ fest in der Hand der Baureihe 110. Im Winterfahrplan 1969/70 benötigte die Einsatzstelle Naumburg noch eine (letz- te) 58, die im Frühjahr 1970 aber auch aus- gedient hatte. Die Strecke war damit in der Rbd Erfurt die erste Nebenbahn, auf der die DR denTraktionswechsel vollzogen hatte. Die als 58-Ersatz gedachte Diesellok der Baureihe 120 erwies sich jedoch für den Gü- terverkehr auf der Strecke Straußfurt – Großheringen als überdimensioniert. So übertrug die DR diese Leistungen ebenfalls der Baureihe 110, die nach und nach zum Standard auf der „Pfefferminzbahn“ wurde. Am 27. Mai 1972 ersetzte ein lokbespannter Reisezug die letzten LVT-Leistungen auf der Strecke. Fortan benötigte die Einsatzstelle Naumburg durchschnittlich vier 110er für den Personen- und Güterverkehr auf der „Pfefferminzbahn“. Daran sollte sich bis in die 1990er-Jahre nichts mehr ändern.

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BAHN EXTRA 5/2025

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