Bahn Extra

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de die Zuggattungsbezeichnung in „ExprD“ geändert, auch die Zugnummernbereiche wurden 1970 und 1971 neu geordnet. Die Aufgaben der Züge blieben gleich. Postintern wurden diese Züge, wenn sie Postwagen mitführten, als „Postzüge“ be- zeichnet. Das galt vor allem für solche Expr- Züge, die überwiegend oder auf bestimmten Streckenabschnitten ausschließlich aus Postwagen bestanden sowie hinsichtlich der Streckenführung, der Fahrplanlage, der Hal- tezeiten und des Ein- und Ausstellens von Postwagen weitgehend auf die Belange der Post abgestimmt waren. Bei der DB gab es die offizielle Bezeichnung „Postzug“ aber nicht. Aufgrund besonderer Vereinbarungen zwischen Bundesbahn und Bundespost konnten in Spitzenzeiten des Reiseverkehrs (zum Beispiel vor Weihnachten oder Ostern) zusätzliche Züge gefahren werden, die nur dem Postverkehr dienten. Solche Züge wur- den als Güterzüge mit den dort üblichen Zuggattungen (meist als De = Durchgangs- eilgüterzug, später Sg = Schnellgüterzug oder Dg = Durchgangsgüterzug) geführt. Auch wenn die Expressgut-/Postzüge zu einer ständigen Einrichtung wurden und sich bewährten, konnten sie die Bahnpost- wagen in den schnellfahrenden Reisezügen aber nur zu einem geringen Teil ersetzen, zumal die Expr(D)-Züge nicht auf allen Strecken verkehrten. Strukturelle Neuordnungen ab 1954 Das Jahr 1954 markierte den Höchststand an eingesetzten „Bahnposten“ (so der post- interne Begriff für die bei der Bahnpost Be- schäftigten) mit 8.320 Fahrern, die in mehr als 1.800 Bahnpostwagen ihren Dienst ver- richteten. Danach nahm – auch als Folge der Erneuerung des Fuhrparks – die Zahl der Bahnpostfahrer und -wagen ab. Anfang 1970 zählte man nur noch 4.748 Bahnpost- begleiter und 1.239 Wagen. In das Jahr 1954 fällt weiterhin der Be- ginn der internen Neustrukturierung des bundesdeutschen Bahnpostwesens. Dabei wurde die Verwaltung der Bahnpostwagen- Einsätze bei den sechs Oberpostdirektionen (OPD‘n) Frankfurt (Main), Hamburg, Han- nover, München, Nürnberg und Stuttgart zentralisiert. Zuvor waren hierfür 22 Direk- tionen zuständig gewesen. Diesen sechs Oberpostdirektionen waren fortan die Bahnpoststrecken des Fernverkehrs zur Streckenverwaltung zugeteilt. Für den Be- zirksverkehr verblieb die Streckenverwal- tung bei den für die Betriebsleitung zustän- digen Oberpostdirektionen. Fortan führten nur noch die mit Bahnpostaufgaben betrau- ten Ämter die Bezeichnung Bahnpostamt. Ab dem 1. Oktober 1955 war ihnen die Ver- waltung sämtlicher Bahnpostwagen über- tragen. So sollte eine straffere Lenkung der Wageneinsätze und eine wirtschaftlichere Nutzung der Fahrzeuge erreicht werden. Ab

Dieseltriebzug 614 032 erhält im Februar 1983 in Ingolstadt Hbf Gepäck und Post. Gerade auf Nebenbahnen, auf denen der Einsatz eines eigenen Postwagens nicht (mehr) lohnte, war eine solche Beförderung für die Bundespost eine willkommene Alternative Jürgen Hörstel, C.-J. Schulze (u.)

Der D 294 „Jugoslavia-Express“ führte auf der Strecke Belgrad – München einen Bahnpostwagen der Jugoslawischen Staatsbahnen (JZ) mit; am 1. Juni 1985 kommt ÖBB-Ellok 1044 014 mit dem Zug durch Aßling (Strecke Rosenheim – München). Auch in der Gegenrichtung beförderte der Zug Post, gestempelt in Deutschland mit „München – Salzburg“, in Österreich mit „Salzburg – Jesenice“

Die Arbeit im Bahnpostwagen war nicht einfach und erforderte besondere Fähigkeiten. Grundvoraussetzung für die im Stehen verrich- tete Tätigkeit war ein guter Gleichgewichtssinn, konnten die Wagen bei hohen Geschwindigkei- ten und bei Kurvenfahrt doch schnell ins Wanken geraten. Unbedingt nötig waren auch ein ausgeprägtes Schriftgefühl zur Entzifferung der verschiedensten Handschriften, ein sehr gutes Erinnerungsvermögen, um die Sortierfä- cher auf Anhieb finden zu können, sowie ausgezeichnete Geographiekenntnisse. In den 1950er-Jahren wurden nämlich viele Sendungen in alter Gewohnheit noch ohne die zunächst nur zweistelligen Postleitzahlen verschickt. Die Einführung der vierstelligen Postleitzahlen brachte dann eine deutliche Erleichterung und Beschleunigung der Arbeitsvorgänge. Stichwort Arbeit im Bahnpostwagen

Oftmals waren die Dienstschichten lang. Bei Postkursen über große Distanzen gab es in den 1950er-Jahren häufig Dienstzeiten von 13 oder mehr Stunden, zum Teil sogar 18,5 Stunden. In der Regel kamen die Bahnpostfahrer bei Dienstende nicht wieder am Ausgangsort an, sondern mussten über Nacht in Unterkünften auf den großen Postbahnhöfen untergebracht werden. Insgesamt nahm die Wochenarbeitszeit jedoch ab: Von 48 Stunden wurde sie 1964 auf 44 und in den 1970er-Jahren auf 40 Stunden gesenkt. Zudem machten viele kleine Verbesse- rungen die Arbeit im Bahnpostwagen einfacher: So gab es seit den 1960er-Jahren durchgängig flackerfreie Neonröhrenbeleuchtung, Heizungen statt rußender Kohleöfen, fließend warmes Wasser sowie später sogar einen eingebauten Kühlschrank.  OS

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BAHN EXTRA 4/2022

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