Bahn Extra

BEISPIEL | Titel

gleisungs- und Kippsicherheit der Baureihe 110 S vorgelegt hatte, genehmigte die HvM im Sommer 1985 den Umbau. Allerdings konnte das Ziel, im Herbst 1987 mit der Erprobung des Baumusters zu beginnen, nicht erreicht werden, da der DR das notwendige Fachpersonal für die Kon- struktion der neuen Drehgestelle fehlte. Es dauerte bis Oktober 1987, bis die Arbeits- gruppe „Schmalspurlok 1.000 mm“ des Wis- senschaftlich-Technischen Zentrums der DR (WTZ-DR) ihre Arbeit aufnahm. Dabei wurde die Arbeitsgruppe von Fachleuten des für die Baureihe 110 zuständigen Raw Stendal und des VEB Lokomotivbau-Elek- trotechnische Werke „Hans Beimler“ (LEW) Hennigsdorf unterstützt. Anfang 1988 waren die Konstruktionsar- beiten an den Drehgestellen abgeschlossen, so dass das Raw Stendal mit dem Umbau der ersten Maschine beginnen konnte. Am 21. November 1988 traf 199 863 schließlich im Harz ein. Nach einer vorläufigen Abnah- me am 5. Dezember 1988 wurde die Lok für Einweisungsfahrten genutzt, die ersten Pro- befahrten nach Stiege absolvierte sie am 10. Dezember 1988. Nach Messfahrten auf der Brockenbahn (bis Schierke) wurde die Lok ab Ende Dezember 1988 im Strecken- dienst eingesetzt. Ab 30. Dezember 1988 stand mit 199 871 eine zweite Schmalspur- V 100 zur Verfügung. Bei den Versuchsfahr- ten erwies sich die Baureihe 199.8 als gelun- gene Konstruktion. Es waren nur wenige Änderungen für den Serienumbau notwen- dig. Einzig die Platzierung der Kupplung für die im Rollwagendienst verwendeten Kup- pelbäume musste geändert werden. Dieses Problem wurde aber schnell gelöst. Nach Auswertung der Messfahrten konnte die zu-

199 863 verlässt im Sommer 1989 mit einem Personenzug nach Wernigerode den Bahnhof Wernige- rode-Hasserode. Noch wirkt diese Zugkomposition ungewohnt Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch

nächst auf 140 Tonnen beschränkte Zuglast auf 200Tonnen angehoben werden. Bereits nach wenigen Wochen hatten die Maschinen der Baureihe 199.8 einen Spitz- namen. Einheimische und Eisenbahnfreun- de nannten die für Schmalspurbahnen sehr großen Lokomotiven aufgrund des Mittel- führerstandes, der wie ein Höcker in die Landschaft ragte, „Harz-Kamele“. Ab Feb- ruar 1989 liefen 199 863 und 199 871 im Plandienst auf den Strecken Nordhausen Nord – Wernigerode (Personenzüge) und Nordhausen Nord – Hasselfelde/Straßberg (Güterzüge). Im Dezember 1989 begann im Raw Sten- dal der Serienumbau von Lokomotiven der

Baureihe 110 auf Meterspur. Pro Monat soll- ten nun zwei Maschinen der Baureihe 199.8 im Harz eintreffen. Doch die politischen Ereignisse des Jah- res 1989 mit der Grenzöffnung nach Westen und dem Niedergang der SED-Führung so- wie die gravierenden wirtschaftlichen Fol- gen ab 1990 vereitelten das Vorhaben. Be- reits 1988 hatte sich in der Bevölkerung Widerstand gegen die Pläne der DR geregt. 1990 war der Protest nicht mehr zu überhö- ren. Auch Eisenbahner des Bw Wernigerode sprachen sich offen für den Erhalt der Dampftraktion als Tourismusmagnet aus. Angesichts des rückläufigen Güterverkehrs brach die HvM das Umbauprogramm ab. Lediglich zehn Maschinen der Baureihe 199.8 wurden bis Ende 1990 fertiggestellt. Die Maschinen bespannten planmäßig die verbliebenen Güterzüge auf der Relati- on Nordhausen Nord – Hasselfelde/Strass- berg, dienten als Reserve für den Personen- zugdienst oder machten sich vor Bau- und Arbeitszügen (etwa bei der Instandsetzung der Brockenbahn 1991) nützlich. Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) über- nahm am 1. Februar 1993 mit dem Schmal- spurnetz auch alle zehn „Harz-Kamele“. Entsprechend dem 1994 vorgelegten Unter- nehmenskonzept wurde die Baureihe 199.8 fortan nur noch für den Güter-, Bauzug- und Arbeitsdienst vorgesehen. Bereits 1993 be- gann die HSB damit, nicht mehr benötigte Maschinen abzustellen. Ganz verschwun- den sind sie aber nicht. Mitte 2025 gehören noch 199 861, 199 872 und 199 874 zum Be- triebspark. Und selbst wenn die Dampfloks bei den Touristen mehr Zuspruch finden – bei Eisenbahnfreunden genießen die „Harz- Kamele“ mit ihrer eigenwilligen Gestaltung und dem unverwechselbaren Klang ihrer 12-KVD-Motoren große Sympathien.

199 891 und 99 7237 warten im Sommer 1991 in der Einsatzstelle Wernigerode auf ihre nächsten Aufgaben. Anstelle der zunächst geplanten 30 Maschinen hat die DR nur zehn Exemplare der „Harz-Kamele“ der Baureihe 199.8 in Dienst gestellt Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch

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