Für dieses Foto vom 22. September 1964 brauchte es eine Kletter- tour an der Nordwestseite des Giersbergs. 01 039 fährt mit D 384 in den eingleisigen Giersberg-Tunnel ein. Im Vordergrund verläuft quer dazu die zweigleisige Hauptbahn Weidenau – Siegen Ost – Haiger
Die Tunnelsituation auf der Nordwestseite zu Bundesbahnzeiten: 151 105 bei der Ausfahrt aus dem eingleisigen Giersberg-Tunnel in Richtung Siegen Hbf. Oben über dem Portal verläuft quer dazu die zweigleisige Strecke Weidenau – Siegen Ost (18. Mai 1985) Dr. Rolf Löttgers, Wolfgang Kölsch/Slg. Dr. R. Löttgers (Bild l.)
ausgehenden Bauarbeiten für Los 1 dienen. Auch die Firma Holzmann, die Ende April 1911 den Zuschlag für Los 2 bekommen hatte, nutzte für den Antransport des Materials zum Ru- dersdorfer Tunnel die ESE-Strecke. Die von der Baufirma errichtete, 14 Kilometer lange Transportbahn mit 900 Millimetern Spurweite war Ende August 1911 betriebsbereit; nun konnten jeden Tag fünf bis sechs Züge, bestehend aus 15 bis 18 Wagen, Bau- material vom Bahnhof Kaan-Marienborn bis zum Holzmannschen Basislager vor dem Nordportal des zukünftigen Ruders- dorferTunnel befördern. Seitdem auch Liebold sein Baumaterial über den Bahnhof Kaan-Marienborn bezog, trafen dort täglich 25 und mehr Staatsbahn- wagen allein für die Neubaustrecke ein. Man stelle sich vor: Da rollten über die wichtigsten innerstädtischen Straßen im Siegener Südosten zusätzlich zu den plan- mäßigen drei oder vier Güterzugpaaren (siehe BE 5/2023) weitere drei oder vier Zug- paare, die in wenigen Wochen ein Dutzend Feldbahnlokomotiven, weit mehr als hun- dert Kastenkipper, Gleisjoche und Schie- Ausschnitt aus der Karte der Reichsbahn- direktion Wuppertal von 1946. Der für den Materialtransport zur Neubaustrecke Weidenau – Siegen Ost – Haiger erforder- liche Weg über die Eisern-Siegener Eisen- bahn ist grün markiert Slg. Dr. Rolf Löttgers
Spurweite und die dort eingesetzten Betriebsmittel sagen die vielen Be- richte in der Siegener Zeitung, die den Baufortschritt detailliert verfolgen, nichts. Liebold hatte damals nur acht Loks für 600-Millimeter-Spurweite im Bestand, allesamt Zweikuppler, be- schafft in den Jahren 1902 bis 1910, die für den Streckenbau allerdings nicht ausreichten. Beim Bau des zwei- gleisigen Giersberg-Tunnels dürften die Materialtransporte eher auf 900-Millimeter-Spurweite erfolgt sein. Dies legt den Gedanken nahe, dass Liebold hierfür von Holzmann 900-Millimeter-Rollmaterial angemie- tet hatte. Denn auch die Materialbahn zum Rudersdorfer Tunnel, die bis Nie- derdielfen idealerweise von Liebold für den Bau ihres Loses 1 genutzt werden konnte, war – wie erwähnt – in 900-Millimeter-Spur- weite angelegt.
nen, transportfähig zerlegte Baumaschinen und dann jede Menge Baumaterial wie Holz, Natursteine, Sand und dergleichen mitten durch die Stadt beförderten. Bis Ende März 1912 waren es 61.000 Tonnen Baugerät und -material und bis März 1915 insgesamt beachtliche 384.000 Tonnen – ein gutes Zubrot für die wirtschaftlich sowieso sehr erfolgreiche ESE. Auch Liebold baute zunächst eine an- derthalb Kilometer lange Materialbahn, die vom Bahnhof Kaan-Marienborn durch die Wiesen entlang der Weiss nördlich des zu- künftigen Bahndamms Richtung Giersberg verlief und auf einer provisorischen Holz- konstruktion den Anstieg vom Weiss-Tal zur Tunnelbaustelle bewältigte. Über die
Baubeginn am zweigleisigen Giersberg-Tunnel
Der zweigleisige Giersberg-Tunnel entstand nach der österreichischen Bauweise. Dabei trieb man in der Achse und im Planum der zukünftigen Bahnstrecke zunächst einen Sohl- oder Richtstollen mit einem Quer- schnitt von rund 2,75 x 3,00 Metern und an- schließend senkrecht darüber im First des späteren Tunnelgewölbes einen Firststollen von kleinerem Querschnitt vor. Diese Stol- len wurden durch Aufbrüche miteinander
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BAHN EXTRA 5/2025
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