B LO – Berlin-Lichtenberg Ost (an der Ostbahn), das ist heute eine gängige Bahn-Abkürzung, welche den Fern- Bahnhof Berlin-Lichtenberg bezeichnet. Einst meinte sie Boxhagen-Lichtenberg an der Ostbahn. Teile des Bahnhofs, die nun unweit der S-Bahn-Station Nöldnerplatz liegen, befinden sich auf dem Gebiet des Stadtteils Boxhagen und begründeten das Kürzel. Inzwischen bedeutet das „B“ Berlin. So war es auch schon bei der Deutschen Reichsbahn (DR), als BLO alias Berlin-Lich- tenberg im Reiseverkehr der Spreemetropo- le ganz vorn mitmischte. Auf Dampflokomo- tiven musste man im Regelbetrieb der späteren Jahre verzichten – die letzten Dampfrösser zog die DR hier 1979 ab. Aber der Betrieb war dennoch ein Erlebnis, sogar bei der frühen DB AG. Ob 1980 oder 1995, es gab viel zu entdecken. Sehnsüchtig stand der Reisende auf dem Bahnsteig und sah auf den Zuglaufschildern ferne Ziele, Namen von Städten am Schwarzen Meer, in Skandina- vien oder irgendwo dazwischen. Varna, So- fia, Kopenhagen und Malmö, doch auch Prag oder Budapest waren da regelmäßig zu le- sen. Dazu kamen etliche Inlandsverbindun- gen, nach Warnemünde oder zu DDR-Zeiten in alle Bezirksstädte. An den Bahnsteigen konnten sich mühelos zwölf, 13, 14 Schnell- zugwagen einfinden, und bei manchen die- serVerbindungen brauchte es das auch. D-Züge und „Orangenkisten“ Seit den 1950er-Jahren war Berlin-Lichten- berg zu einem bedeutenden Fernbahnhof aufgestiegen (siehe auch Kasten). Dabei pro- fitierte er davon, dass der stark nachgefragte Ostbahnhof – ehemals Schlesischer Bahnhof – eine Entlastung brauchte. So wurde Lich- tenberg beispielsweise zum Anfangs- und Endbahnhof der D-Züge an die Ostsee. Ebenso spielte der Bahnhof eine große Rolle bei den 1976 eingeführten Städteex- presszügen. Die „Exer“, aufgrund der Au- ßenfarbgebung der Wagen auch „Orangen- kisten“ oder „Apfelsinenzüge“ genannt, brachten bei der DR eine neue Art des Rei- sens, schnell und komfortabel. Aus für die Tschechoslowakischen Staatsbahnen CSD vorgesehenen, dann aber von der Reichs- bahn übernommenen Y-Wagen des VEB Waggonbau Bautzen wurden hochwertige Reisezüge für den DDR-Binnenverkehr zu- sammengestellt. Sie sollten Funktionären, Ingenieuren und Arbeitern aus den Bezirks- städten, welche Ministerien und Fachfirmen in Ost-Berlin besuchen mussten, eine An- kunft zur Beratungsstunde 10 ermöglichen und sie am Nachmittag zurückbringen. Böse Zungen sprachen von „Bonzenschleu- dern“, ohne zu wissen, dass auch sehr viele Arbeiter und Fachleute in den Wagen saßen. Wie in der DDR üblich, wurden die Züge zum Jugendobjekt, wobei mancher ältere Lok- oder Zugführer „aushelfen“ musste.
Erinnerung an die Dampflokzeit: 1978 rangiert die 01 1514 im Heimat-Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Hinten stehen die Aufzugsschächte für das neue Reichsbahnamt; manche nennen sie „Lichtenber- ger Kreisel“, in Anspielung auf den – unvollendeten – „Steglitzer Kreisel“ im Westen Slg. Michael Reimer
Rückblick Die Geschichte des Bahnhofs Lichtenberg
Im Jahr 1867 eröffnete die Königlich Preußische Ostbahn die Verbindung vom Berliner Ostbahnhof (unweit des Schlesi- schen Bahnhofs, des heutigen Ostbahnhofs) über Küstrin – Landsberg – Kreuz – Schnei- demühl nach Königsberg. In Lichtenberg entstand 1870 ein kleiner Rangierbahnhof. Seit 1881 hielten dort auch Reisezüge und die Station bekam im Jahr darauf den Namen Lichtenberg-Friedrichsfelde. Mit der Fertigstellung der Stadtbahn und der Verbindungsstrecke nach Kaulsdorf endeten von 1882 an die Fernzüge im Schlesischen Bahnhof. Die Eröffnung der Wriezener Bahn 1898 bescherte Lichtenberg zwar einen zwei- ten Bahnsteig, aber es blieben nur noch Vor- ortdienste und Aufgaben im Güterverkehr.
Seit 1928 hielt im Bahnhof auch die elektrische S-Bahn. 1938 folgte die Umbe- nennung in Berlin-Lichtenberg. Der Umbau zur Moderne Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mit der schrittweisen Ausschaltung der West-Berliner Fernbahnhöfe bis 1954 und dem Bau des Berliner Außenrings ab 1950, änderten sich die Verhältnisse. Mit dem Anschluss an den Berliner Außenring im Jahr 1953 kam der Bahnhof Berlin-Lichtenberg wieder für Fernzüge in Betracht. Seit 1952 gab es dort einen neuen Bahnsteig. Auch wenn die Arbeiten noch andauerten, entwickelte sich Lichtenberg nach und nach zum neuen Fernbahnhof im Osten der Stadt.
Fernweh Marke Lichtenberg: Im März 1985 bespannt eine 118 einen Schnellzug mit tschechoslowa- kischem Speisewagen. Bunte Fahrzeuge wie diese brachten immer wieder Farbe in das graue Beton-Einerlei, das bei den hiesigen Bahnhofsbauten doch recht stark vertreten war V. Emersleben
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BAHN EXTRA 4/2022
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