Bahn Extra

jenes mussten die Eisenbahner in Lichten- berg zu den genannten 200 öffentlichen Fahrten dazu erledigen. Natürlich gab es Verspätungen. Aber oft waren es nur die internationalen Züge aus Sofia oder Bukarest, die schon mal mit 180 MinutenVerzug Berlin erreichten. Auch auf der Verbindung Leipzig – Erfurt fuhren Züge Verspätungen ein; hier genossen die Transitzüge den Vorrang. Wobei: 1987 war das letzte Jahr, in dem es weitgehend pünkt- lich voranging, dann ließen Alkali-Schäden an den Schwellen oder fehlende Instandset- zung den Fahrplan vergessen. Später einge- rechnete Knoten- und Streckenzuschläge brachten kaum eineVerbesserung. Ungeachtet dessen war eines immer pünktlich bei der DR: der Arbeiter- und Be- rufsverkehr. Und in Lichtenberg galt die Aufmerksamkeit den Städteexpresszügen. Sie waren das Vorzeigeobjekt des Reichs- bahn-Reiseangebots, saubere und pünktli- che Bereitstellung wie auch Abfahrt ver- stand man als Ehrensache. Baustelle Lichtenberg Seit den 1970er-Jahren wandelte sich das Gesicht des Bahnhofs. 1973/74 riss man das alte Empfangsgebäude ab; die Fahrkarten- ausgabe bekam einen Platz im engen Tun- neldurchgang zur U-Bahn bzw. Ausgang Siegfriedstraße. Das Provisorium, wie vieles in der DDR, hatte längere Zeit Bestand. Am 15. Dezember 1982, nach über vier Jahren Bauzeit, wurde das neue Empfangsgebäude eröffnet. Die Architektur stammte von tschechischen Ingenieuren, die nach ähnli- chem Muster die Gebäude am Flughafen Schönefeld und in Plauen entwarfen. Mit dem Neubau der Brücke über den Bahnhof Lichtenberg, der Verlegung der Frankfurter Allee als Tangente in die Neu- baugebiete, mussten außerdem ab 1976 die Bahnanlagen angepasst werden. Im laufen- den Bahnbetrieb wurden die Fernbahnsteige erneuert und auf 0,55 Meter Höhe gebracht. Sie erhielten einen neuen Belag, eine neue Überdachung sowie Räume für die Aufsicht. Jeweils ein Mitropa-Kiosk und Warteräume wurden auf jedem Bahnsteig eingerichtet, weiterhin Lagerräume gebaut. Teils führten provisorische Überwege zu den Außenbahn- steigen, bis der Fußgängertunnel gebaut war. Der S-Bahn-Bahnsteig wurde für über ein Jahr auf die Ostseite der Brücke verlagert. Bis 1982 entstanden drei Fernbahnsteige mit Längen bis zu 450 Metern (C, Gleis 20) oder nur 300 Metern (D, Gleis 22) und ein S-Bahn- steig für jeweils einen Vollzug der S-Bahn. Die Formsignale wichen solchen mit Licht, die S-Bahn erhielt das Befehlsstellwerk B 11 neben „ihrem“ Betriebswerk. Alle Stellwer- ke, samt Neubau, wurden mit Reihen vom elektromechanischen Antrieb ausgerüstet. Nach und nach bekam der Bahnhof ein modernes Gepräge. Nüchtern, funktional,

Ende 1982 wird das neue Empfangsgebäude von Berlin-Lichtenberg eröffnet. Der Entwurf tschechi- scher Ingenieure fügt sich nahtlos in das sachliche Stadtbild ein. Der Bau hat freilich seine inneren Werte – zum Beispiel die Mitropa-Gaststätte im ersten Stock Volker Emersleben

Binnenverkehr, sozialisti- sches Ausland und nichtso- zialistische Länder stehen in Berlin-Lichtenberg auf der Abfahrtstafel. So „vernetzt“ ist kein anderer Bahnhof Ost- Berlins (Oktober 1988) Volker Emersleben

Moderne in den 1980er-Jahren: Die Automaten im Bahnhof bieten Fahrkarten von Berlin-Lich- tenberg ins ganze DR-Netz an Volker Emersleben

Die Bahnsteige in Lichtenberg beeindrucken durch ausgedehnte Länge und geräumige Aufsichts- häuschen. Bis zu 14 Wagen können hier vorfahren, und das braucht es für manche Verbindungen auch. Die 243 samt D-Zug kommt 1989 nicht ganz an das „Gardemaß“ heran Slg. Michael Reimer

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BAHN EXTRA 4/2022

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