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BahnEpoche | BESONDERES BILD

Eisenbahn in Dänemark

Aufnahmen: Slg. Danmarks Jernbanemuseum Odense (gr. Bild), Garrelt Riepelmeier (2); Text: Garrelt Riepelmeier/Peter Schricker/GM Fototermin in Slagelse

A ls Urlaubsland genießt das aus zahlreichen Inseln bestehende, weitgehend flache Dänemark europa- weit eine große Wertschätzung. Aber auch eisen- bahntechnisch lohnt sich ein Blick über die Grenze hinweg, und das, obwohl dort nennenswerte Steigungen kaum zu be- wältigen waren bzw. sind. Und dann noch die Geschichte: Als am 18. September 1844 die Strecke Altona – Neumünster – Kiel der Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft (AKE) eröff- net wurde, war der dänische König gleichzeitig der Herzog von Holstein, einem Land des Deutschen Bundes. Da dies seit 1864 nicht mehr der Fall ist, wird aus heutiger Sicht die am 27. Juni 1847 eröffnete Strecke København – Roskilde als Urzelle des nationalen Streckennetzes betrachtet. Was somit heißt: Neben der Schweiz feiert Dänemark anno 2022 das 175-jährige Bestehen der Eisenbahn! Was auf den Beginn des Schienenzeitalters folgte, war durchaus auch für andere Länder typisch: der sukzessive Ausbau, mit leistungsstarken Verbindungen wie mit Neben- bahnen. Roskilde stieg zu einem Bahnknoten in Dänemarks

Landesteile – ein Ziel, dem Dänemarks Eisenbahnen erst durch eine Vielzahl von Trajekten näherkamen. Der Eisen- bahn-Fährbetrieb war über lange Jahre ein fester Bestandteil im dänischen Schienenverkehr, in jüngerer Zeit stellen vor allem aufwendige Kunstbauten die Verbindung zwischen den Landesteilen her. Gerade beim Brückenbau erbrachte Dänemark seit den 1990er-Jahren enorme Leistungen. Viel Diesel, weniger Strom Dagegen pflegten die Entscheidungsträger in København über Jahre ein ambivalentes Verhältnis zum Traktionswan- del. Zwar wurde landesweit recht früh und konsequent auf dieVerdieselung gesetzt – mit diversenTriebwagen oder auch Lokomotiven wie der berühmten NoHAB. Die Umstellung auf elektrischen Betrieb scheute man unterdessen lange aus Kostengründen. Erst 1979 brachte ein Gesetz die Ausrüstung einiger Hauptstrecken auf den Weg, wobei nur ein Teil der Vorhaben umgesetzt wurde.Technisch entschied sich Däne- mark anders als die Nachbarn Deutschland und Schweden

für ein Wechselstromsystem mit ei- ner Spannung von 25 kV bei einer Frequenz von 50 Hz – ein Schritt, der die obligaten Lokwechsel an der Grenze erst durch den Einsatz von Mehrsystemlokomotiven erübrigte.

Streckennetz auf. Die Strecke aus København setzte man nach Westen fort bis Korsør (mit Fährübergang nach Nyborg), weitere Anbindungen entstanden zum Beispiel Richtung Süden nach Rødby und Gedser (spä-

Mit den Staatsbahnen wurde das Verkehrssystem strukturiert. Heute herrscht Privatisierung vor

Trotz mancher Eigenheit erlebten Dänemarks Eisenbah- nen einige ähnliche Trends wie andernorts in Europa. Das Nebenbahnnetz wurde schon vor Jahrzehnten „gesundge- schrumpft“. Die Privatisierung verursachte eine Aufteilung der DSB in mehrere Sparten und erlaubte neuen Wettbewer- bern, an den Start zu gehen. Ohnehin führen die Staatsbah- nen als einstiger Platzhirsch nur noch Personenverkehr durch, haben aber auch hier zahlreiche Leistungen an ande- re Betreiber abgeben müssen und scheinen nach Ansicht mancher Kritiker an ihrer Selbstauflösung zu arbeiten… Gleichwohl gibt es eine traditionsreiche Eisenbahnge- schichte, etliche berühmte Strecken und Fahrzeuge sowie eine engagierte und über das gesamte Land verteilte Muse- umsbahn-Szene, sodass sich die dänische Eisenbahnwelt noch immer vielschichtig präsentiert. Zum Einstieg in das Thema seien zwei Internetseiten empfohlen: www.sebtus.de sowie www.Jernbanen.dk. Sie sind ein erster Ratgeber und sie enthalten diverse Links, mit denen es auch möglich ist, sich über das Geschehen 2022 zu informieren. Denn einen derart großen Anlass wie „175 Jahre Eisenbahnen in Däne- mark“ wird wohl kaum jemand ohne Feierlichkeiten oder wenigstens eine Würdigung verstreichen lassen. 

ter mit Fähranbindung nach Deutschland).Von der Relation Roskilde – Korsør stammt die historische Aufnahme auf der rechten Seite: 1892 hielt der Fotograf Menschen und Maschi- nen im Bahnhof der Stadt Slagelse im Bild fest. Lok Nr. 5 und eine weitere bauchige 1’B-Dampflok haben sich des Perso- nenzugs angenommen, neben den Eisenbahnern wollen ganz offensichtlich noch mehr Herrschaften (im Wortsinne) aufs Bild. Der Stolz auf Bahn und Land ist groß, siehe die dänische Flagge auf dem Bahnhofsgebäude. Als das Foto entstand, verfügte Dänemark bereits über eine Staatsbahn. Nach Jahren individuell agierender Privat- bahnen sorgten die 1885 gegründeten Danske Statsbaner (DSB) für eine bessere Strukturierung des Verkehrssystems. Wie viele andere bedeutende Strecken wurde auch die „Vest- banen“ genannte Magistrale København – Roskilde – Korsør (– Nyborg) Teil des DSB-Netzes. Die Parallelexistenz ver- schiedenster überwiegend lokal agierender Unternehmen war damit aber nicht aufgehoben. Kunstbauten führen das Land verkehrlich zusammen Vor allem nach der Jahrhundertwende steigerte sich das Be- mühen um ein verkehrstechnisches Zusammenwachsen der

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BAHN EXTRA 4/2022

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