Bahn Extra

BahnEpoche | FAHRZEUGE

DWK-Triebwagen 29 Reiselustige Spitzmaus Wegen ihrer markanten Stirnpartie gehören die ersten Exemplare der von den Deutschen Werken Kiel ab 1921 auf den Markt gebrachten Benzoltriebwagen zu den kuriosesten Verbrennungstriebwagen aus der Anfangszeit des deutschen Triebwagenbaus. Bis 1924 verließen insgesamt 32 „Spitzmäuse“ die Kieler Werkshallen. Der Triebwagen mit der Fabrik­ nummer 29 begann im Rheingau, später verschlug es ihn bis nach Lettland Von Dr. Rolf Löttgers Wenn eine „Spitzmaus“ auf Reisen geht, braucht sie zwei Schwerlastwagen, einen für den Wagenkasten (Bild) und einen für das Untergestell. Die Erste ihrer Reisen führte vom Herstellerwerk in Kiel zur Waggonfabrik Gebr. Gastell in Mainz-Mombach, wo die beiden vom Reichsvermögensamt Mainz- Land bestellten „Spitzmäuse“ Mitte Mai 1924 darauf warten, abgeladen und montiert zu werden. Die Aufschrift „Deutsches Reich“ des Triebwagens 1 ist zwar mit dunkelgrüner Farbe übermalt worden, schimmert aber noch durch Gebr. Gastell/Slg. Dr. Löttgers

M it ihrem breit gefächerten Typen- programm ebneten die Deut- schen Werke Kiel (DWK) und die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Berlin Anfang der 1920er-Jahre den Weg für die Motorisierung der deut- schen Privatbahnen und der Deutschen Reichsbahn. Dabei entstanden mitunter auch recht merkwürdige Formen. Der ein- zige ausführliche Triebwagenkatalog von DWK aus dem Jahre 1924 enthält das Foto eines Zweiwagenzuges mit der auf den ers- ten Blick rätselhaften Anschrift „Deutsches Reich“, zwei vierachsige, meterspurige „Spitzmäuse“ mit den Fabriknummern 27 und 29 von 1923. Hier ist ihre Geschichte.

Finthen – Wackernheim: Im Auftrag der französischen Besatzungsmacht Die 6,2 Kilometer lange, 1913 fertiggestellte meterspurige Armierungsbahn Finthen – Wackernheim diente als Zubringerlinie zu den ab 1908 zur Versorgung der Festungs- anlagen südwestlich von Mainz gebauten 600-Millimeter-Feldbahnen, deren Netz sich auf etwa 40 Kilometer Länge vom Fort Wei- senau bis nach Wackernheim erstreckte. Sie schloss in Finthen an das Vorortbahnnetz der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) an, die damals den Nahverkehr in Mainz besorgte.Von daher war es nur folge- richtig, dass die SEG im Auftrag der deut- schen Militärverwaltung nicht nur den Gü-

terverkehr bis Finthen, sondern auch den Betrieb auf der Anschlussbahn bis zum Um- ladebahnhof Wackernheim übernahm. Mit der Besetzung des Rheinlandes 1918 durch den „Erzfeind Frankreich“ kam der einstigen Armierungsbahn eine neue Auf- gabe zu. Sie wurde nun zumTransportmittel für die französischen Besatzungstruppen, die in Wackernheim einen Feldflugplatz an- legten. Die Reichsvermögensverwaltung als neue Eigentümerin der Anschlussbahn, ver- treten durch das Reichsvermögensamt (RVA) Mainz-Land, hatte im Benehmen mit dem Straßenbahnamt der Stadt Mainz da- für zu sorgen, dass die Strecke nach Wa- ckernheim spätestens am 1. Oktober 1921

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BAHN EXTRA 4/2022

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