BahnEpoche | ERLEBNISSE
zwei Drehscheiben und eine Rechteckhalle mit Schiebebühnen. Nach einem raschen Wendemanöver auf einer der Scheiben war für die Mannschaft noch Zeit für eine Pause mit leckerem Essen in der Kantine, welche sich unten im Wasserturm befand. Etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt des E 2182 war es Zeit, den Führerstand wieder aufzusuchen. Durch einen Tunnel erreich- ten wir mit der 50 die Abstellgruppe des Hauptbahnhofs, wo wir einen aus fünf Wa- gen bestehenden Reisezug an den Haken nahmen. Der ,,Zigarren“-Heizer sorgte in- zwischen für spitzen Druck und nach einem kurzen Halt am Bahnsteig donnerte 052 333 mit ihrem Eilzug los, um möglichst bald ihre Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h zu er- reichen. Wir nahmen nun den direkten Weg über Leiferde nach Wolfenbüttel, wo der erste Halt anstand. Wieder berührte die Aussteuerungsnadel meines Tonbandgeräts die rote Fläche wegen der Blasrohrgewalt. Um den Fahrplan trotz relativ geringer Höchstgeschwindigkeit halten zu können, war immer wieder eine rasante Anfahrt nö- tig. Welch eine mitreißende Dienstschicht! Viel zu schnell nach meinem Geschmack war die Fahrt in Goslar vorbei, wo die Lok wieder ins Bw fuhr, mit dem Fuchskran be- kohlt wurde und Wasser fasste. Weitere Ab- rüstungsarbeiten bestanden unter anderem aus dem Reinigen des Rostes, wobei ein Rostfeld heruntergeklappt werden konnte. Das machte mich ein bisschen neidisch auf die deutschen Kollegen, denn bei meiner Museumsbahn mussten wir immer die Ver- brennungsreste mühselig durch die Feuer- tür herausschaufeln. Fortsetzung der Mitfahrten Mein Begleiter meinte, damit müsse für mich der Spaß noch nicht aufhören. Für den nächsten Tag lud er mich ein, ihn bei seinem Dienst auf einer 94er von Seesen aus zu be- gleiten. Ich war hoch erfreut über diese Fort- setzung der Mitfahrten, die nun gewisserma- ßen „inoffiziell“ stattfanden. Die Fahrt von Seesen nach Großrhüden und zurück zeich- nete sich zwar nicht durch aufregende Blas- rohreffekte aus, aber dies war immerhin eine letzte Gelegenheit, die gute alte preußische T16 1 im Streckendienst zu erleben. Die Ab- lösung in der Gestalt fabrikneuer 290er-Die- selloks war ja längst angesagt, sie hatte sich nur immer wieder verzögert. Die 094 184 – mit kurzem Kamin – unterbrach für diese Fahrt ihr Rangiergeschäft in Seesen, fuhr rückwärts leer nach Großrhüden (an der Strecke nach Derneburg) und kehrte mit 127 Tonnen Wagengewicht wieder zurück. Der Fahrkomfort auf dieser laufachslosen Tenderlok war bei Geschwindigkeiten über 40 km/h erheblich geringer als auf einer 50er und an diesem Sommertag war es im ge- schlossenen Führerstand auch noch drü- ckend heiß. Aber das störte mich nicht; ich
Mit 2,78 Mark und einem Fahrschein 2. Klasse bin ich dabei! Die Dampfloktour Goslar – Oker – Braunschweig – Goslar wird mir viele neue Erkenntnisse bringen, nicht nur auf dem Führerstand der Maschine der Baureihe 50, sondern auch, was Strecken und Bahnanlagen betrifft
donnernden Auspuffschlägen los und der Heizer, der wegen der ständigen Krautstan- ge unter seiner Nase „Zigarre“ genannt wur- de, feuerte, was das Zeug hielt. InVienenburg war der für die Bundesbahn nicht ganz billi- ge Spaß vorbei und der Heizer hatte die Wet- te gewonnen: Die Nadel des Kesselmanome- ters zeigte noch stolze 16 atü, während der zum Teil nicht mehr benötigte Dampf sich über die Sicherheitsventile donnernd einen Ausweg ins Freie suchte, was mit Einsatz der Dampfstrahlpumpe gezügelt werden muss- te. Ich war beeindruckt von der großen Rost- fläche der 50, die immer wieder neuen Brennstoff verlangte; auf meinen „eigenen“ Loks waren kaum mehr als ein bis zwei Qua- dratmeter zu beschicken. Hier war es erheb-
lich mehr, sodass die entfernteren Bereiche nur mit schwingender Schaufel erreicht wer- den konnten. In flottem Tempo setzten wir die Fahrt nach Wolfenbüttel fort, wobei die Gleise manchmal hart an die Zonengrenze heran- führten. Um den Braunschweiger Rangier- bahnhof über die Westeinfahrt erreichen zu können, war ein Umweg über Groß Gleidin- gen vonnöten. Nachdem die Lok im Ran- gierbahnhof abgekuppelt worden war, suchten wir zum Wasserfassen das Bw Braunschweig auf; Kohle war noch ausrei- chend vorhanden. Diese Dienststelle hatte ein Ausmaß, das einen nachhaltigen Ein- druck auf mich machte: Es gab eine riesige Bekohlungsanlage mit Brückenkränen,
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BAHN EXTRA 4/2022
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