BahnEpoche | PERSONEN
Massen. Das führte zu Rüttelschwingungen. Wir konstruierten einen durchgehenden Hilfsrahmen für Motor und Generator, der auf Gummischwingelementen im Maschi- nendrehgestell gelagert war. Die Eignung des Motors war nur im Fahrbetrieb zu ermit- teln. Neben Standversuchen und Versuchs- fahrten auf der Strecke Stendal – Nauen gab es ausgiebige Betriebsmessfahrten im Zug- verband FDt 179/180 Dresden – Stralsund – Dresden und später im FDt 143/144 Erfurt – Berlin-Friedrichstraße – Erfurt. Das Ergebnis war negativ. Dieser Motor war im Eisen- bahnbetrieb nicht brauchbar. Der VAMF oblagen eigentlich theoreti- sche Aufgaben und Standerprobungen von Bauteilen und Baugruppen. Streckenversu- che führte die FVA Halle durch. Halle beob- achtete deshalb argwöhnisch die Fahrten mit
geworden – die Arbeit im Bw auf. Anfang April ging es mir erneut miserabel. Der Haus- arzt überwies mich in das Krankenhaus. Dort verweilte ich die nächsten drei Monate we- gen Gelenkrheuma mit Endokard-Beteili- gung. Schließlich wurde ich mit einem zu- rückbehaltenen Herzklappenfehler und der Empfehlung für eine leichte Arbeit entlassen. Wechsel ins Zeichenbüro Wieder im Raw, schulte ich, dank meines Zeichentalents und vomVater gefördert, zum technischen Zeichner um. Wegen der gestie- genen Aufgaben für die anlaufende Ellok- Unterhaltung erfuhr das Zeichenbüro gera- de eine personelle Aufstockung. Vater (als Leiter des Konstruktionsbüros) und Sohn in einer Gruppe taten dem Arbeitsklima aber nicht gut. Ich bewarb mich deshalb bei der
Schraube“ für einen begrenzten, weiteren Betrieb flickte. Das war so ähnlich wie ei- nen Lederflicken auf einen alten Stiefel zu kleben. Die älteren Kollegen erklärten mir, dass ich eigentlich überflüssig sei. Meine Arbeit im Motorenbau war also nur sehr kurz. Der Produktionsbereich I schob mich zum Produktionsbereich II weiter. Der Be- reichsleiter schickte mich gleich zur Meis- terei 21. Der Meister übergab mich an den Brigadier Nagel der Rohrschlosserbrigade. Hier wurde im Leistungslohn gearbeitet. Arbeit in der Zeiteinheit hatten wir in der Lehre nicht gelernt. Der Polier stand des- halb die ersten Wochen fast ständig hinter mir. Er gab sich große Mühe, aus mir eine brauchbare Arbeitskraft zu machen. Bald konnte ich meine Aufgaben im erwarteten Tempo ausführen und es gefiel mir in der
dem VT 137 101. Da es sich aber nicht um klassische Messfahrten mit Zug- und Bremslokomotiven handel- te, verstand es Dessau, mit Unterstützung vom Techni- schen Zentralamt Berlin die Fahrten fortzusetzen. Parallel dazu erarbeiteten insbesondere die Kollegen der E-Gruppe die techni- schen Bedingungen für das zu errichtende E-Prüfgebäu- de mit vorgesetztem Labor- gebäude. Die Bezeichnung war dabei eine Verschleie- rung, denn der Bau eines Verwaltungsgebäudes wäre nicht genehmigt worden. Die Bauvorbereitungen be- gannen Ende 1957. Im
Sechs-Mann-Brigade. Wir arbeiteten in zwei Schich- ten.Wurde die Arbeit knapp, musste der Jüngste – das war ich – wandern, das heißt, ich wurde an eine an- dere Schlosserbrigade ver- liehen. So kam ich zur V 36 oder in die Kleinlok. Froh war ich, wenn mein Polier auftauchte und erklärte: „Kleener, ab Montag bist Du wieder bei uns!“ Ende Januar 1956 ent- stand über Mitteleuropa eine den ganzen Februar anhal- tende Wetterlage, bei der sibi- rische Kälte mit Tagestempe- raturen zwischen -10°C und -20°C herrschten. Das hatte für die DR gravierende Aus-
Bei der Abschlussarbeit der Ingenieurschule für Eisenbahnwesen Dresden konnte ich meine im Raw Dessau erworbenen zeichnerischen Kenntnisse sehr gut einsetzen
neu geschaffenenVersuchsanstalt für Motor- fahrzeuge Dessau (VAMF) als technischer Zeichner und wurde eingestellt. Dieser VAMF stellte das Raw auf der Ostbühne der Halle 1 vier Büros zur Verfügung. Bei mei- nem Dienstantritt war ich der sechste Mitar- beiter. Neben dem Leiter, der Sekretärin, ei- nem Gruppenleiter „E“ mit einem Mitarbeiter gab es einen Gruppenleiter „V“ (Verbren- nungsmotor-Fahrzeuge), dem ich zugeteilt wurde. Nach und nach kam weiteres Perso- nal dazu. Das Problem für die meist verhei- rateten Mitarbeiter war fehlender Wohn- raum für einen Familienumzug. Die Kollegen fanden, meist für mehrere Jahre, nur in Dachkammern der Siedlungshäuser in Des- sau Süd eine Zweit-Unterkunft. Unsere erste Aufgabe war die Untersu- chung des Johannisthaler Acht-Zylinder- Motors 8 KVD 21T als Ersatz für die abgän- gigen Zwölf-Zylinder-Maybach-Motoren GO 56 in den vierachsigen Einheitstriebwa- gen. Der VAMF wurde dazu der Salontrieb- wagenVT 137 101 zurVerfügung gestellt. Der Dieselmotor baute breiter als der Maybach. Er litt unter unausgeglichenen rotierenden
Februar 1958 musste eine umfangreiche Bau- feldfreimachung erfolgen, denn ein mit Un- terwerks-Trafos des ehemaligen elektrischen Zugbetriebes vollgestelltes Gleis behinderte den weiteren Aushub der Baugrube.
wirkungen. Es gab Zugverspätungen bis zu zwei Stunden durch Personalausfälle im Fahrdienst. Die Bahnbetriebswerke riefen nach der bekannten „Sozialistischen Hilfe“. Dieser Hilferuf erreichte auch das Raw. Mit anderen wurde ich abkommandiert. Ich hatte mich im Bw Dessau zur Unterstützung in der TU-Gruppe zu melden. Nach einer kurzen Einweisung und Unfallschutzbelehrung stand ich in meinem Schlosseranzug, der in den normal beheizten Werkhallen genügte, im Dampflok-Schuppen. Zwei Hohenzoller- nöfen versuchten gegen die von allen Seiten eindringende Kälte anzuheizen. Nur in un- mittelbarer Nähe spendeten sie etwas Wär- me. Bei jeder Aus- oder Einfahrt einer P 8 oder 55er strömte durch die großen Tore die beißende Winterluft in das Halbrund. Die Dampffahnen der Lokomotiven und der Schuppennebel ließen mitunter meinen Ar- beitsanzug steif werden. Ich besorgte mir noch einen der schwarzen Drillich-Mäntel. Das Schicksal nahm aber seinen Lauf. An- fang März fiel ich wegen einer akuten Erkäl- tung zehn Tage aus. Danach nahm ich noch- mals – es war inzwischen etwas wärmer
Studium und Arbeit bei derVES-M
Ich besuchte inzwischen fleißig Vorberei- tungslehrgänge für das Fachschulstudium. Durch die Dienststellenleitung unterstützt, bewarb ich mich zum Studium und wurde zum Herbstsemester 1958 an der Ingenieur- schule für Eisenbahnwesen in Dresden, Fachrichtung Maschinentechnik, angenom- men. Die Studienbedingungen waren sehr gut. Wir bezogen Zweibettzimmer in einem großen, neu erbauten Internat. Während der dreijährigen Fachschulzeit bestand zu mei- ner Dienststelle immer ein guter Kontakt. So war klar, dass ich dort meine Arbeit wieder aufnehmen wollte. Inzwischen war das übergeordneteTechni- sche Zentralamt Berlin aufgelöst worden. Die FVA Halle, die VAMF Dessau und die VAEZ Halle wurden der Hauptverwaltung
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BAHN EXTRA 4/2022
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