Böser Blick: Die Front des 66er GTO wirkt im Vergleich mit dem frühen Cabriolet noch grimmiger.
Moderator der amerikanischen Fernsehshow „American Chopper“. Eine der Faszinationen amerikanischer Autos im Allgemeinen und Muscle-Cars im Besonderen liegt in der unglaublichen Viel- falt an Optionen, die einst zu bestellen waren. Vor allem der Käufer des 64er GTO hat hier keine Zurückhaltung geübt und in der lan- gen Liste mit Sonderausstattungen zahlrei- che Kreuzchen gemacht. An Bord finden sich eine Klimaanlage, elektrische Fensterheber, ein neigbares Lenkrad und ein elektrisch verstell- barer Fahrersitz. Die heißeste Option von allen ist zweifellos das Dreifach-Rochester-Doppel- vergasersystem, besser bekannt unter dem Na- men Tri-Power. Mit dieser Konfiguration leistet der 389-Kubikzoll-Motor anstelle der Version mit normalem Carter-Vierfachvergaser 348 PS (gegenüber 325 PS). Getriebeseitig bietet Pontiac anfangs ein Muncie-Dreiganggetriebe mit Mittelschaltung an. Später folgt auch ein Muncie-M20-Vierganggetriebe. Die Automa- tik-Option besteht aus mit einem Zweistufen- getriebe vom Typ Super Turbine 300. Letzte- res ist in unserem roten GTO eingebaut. Erst 1967 bietet Pontiac eine Dreistufenautomatik namens Turbo Hydramatic 400 an. Es verwun- dert nicht, dass noch 1966 fast doppelt so viele GTO-Kunden die manuelle Schaltung ordern statt der mutmaßlich trägen Automatik. Mit Einführung der Dreistufenvariante ziehen die Automatik-Käufe prompt an und erreichen an- nähernd das Niveau der Schalter. Schönstes „Coke-Bottle“-Design Beim Thema Motor gibt es keine Unterschie- de zwischen unseren beiden Autos. Das ’66er Coupé hat denselben 389-Kubikzoll-Motor wie das Cabrio, dieser leitet seine Kraft al- lerdings über das erwähnte Viergang-Schalt- getriebe mit verkürzter Übersetzung an die Hinterräder. Auch hier arbeitet die Tri-Power- Vergaseroption unter der Haube. Es ist das letzte Baujahr, für das diese beim GTO er- hältlich ist. Eine wichtige Änderung für 1966 besteht darin, dass der GTO nun ein eigen- ständiges Modell ist und keine Option des Tempest Le Mans. Das Auto erhält auch eine neue Karosserie: Anstelle der nebeneinander angeordneten Scheinwerfer von 1964 und 1965 gibt es ein Paar übereinandergesta- pelte Lampen; das „Coke-Bottle“-Profil ist ausgeprägter; und das Semi-Fastback-De- sign umfasst eine vertiefte Heckscheibe. In den Augen vieler Fans ist dies nicht nur der schönste aller GTO, sondern auch eines der stilvollsten Muscle-Cars überhaupt. Einen be- sonderen Touch erhält dieses Exemplar durch sein optionales Cordova-Vinyldach. Auweia, die Bremsen! Damit aber genug der technischen Details und hin zur Frage: Wie fahren sich diese Autos? Bestätigen sie das gängige Klischee, wonach amerikanische Autos viel Leistung in wenig Fahrdynamik verwandeln? Und wie um Him-
mels willen ist das mit den Bremsen gedacht?! Denn hoppla, ungeachtet der gewaltigen Mo- torleistung müssen die frühen GTO rundum mit Trommeln verzögern. Wir atmen auf, als wir hinter den Rädern bei beiden Probanden Scheibenbremsen entdecken. Offensichtlich wurde hier bereits nachgebessert. Offiziell gab es Scheiben erst ab dem Modelljahr 1967. Mit ein paar Tritten aufs Gaspedal springt der 6,4 Liter des Cabrios leicht an und läuft sofort gleichmäßig im Leerlauf. Kein Ver- gleich zu den damals ebenfalls anzutreffen- den nervösen Superstock-Sondermodellen mit scharfen Nockenwellen und erhöhter Ver- dichtung. Die Lenkung vermittelt einen posi- tiven ersten Eindruck. Für ein amerikanisches Auto bemerkenswert, lässt sich der GTO ge- fühlvoll, ohne dieses 20er-Jahre-Hollywood- Drehen am Lenkrad, auf einer geraden Linie halten. Es stellt sich heraus, dass das Lenkge- triebe nicht serienmäßig ist und eine schnelle- re Übersetzung als normal hat. Auch bei der Geometrie der Vorderachse wurde wohl etwas gezaubert. Diese Kombination aus präziser Lenkung und zuverlässigen Bremsen macht den GTO zu einem wunderbar entspannten Auto, selbst bei europäischer Autobahnge- schwindigkeit. Sicher, wir haben hier ein gro- ßes Auto, aber dank der guten Sichtlinien ent- lang der markanten Frontkotflügel fühlt man sich weniger entkoppelt als in manch moder- nem Fullsize-SUV. Mit einem Gewicht von 1860 Kilogramm ist dieser GTO auch spürbar leichter. Obendrein kaschiert der dicke V8 mit seinem gewaltigen Drehmomentberg sehr er- folgreich, dass die Automatik nur über zwei Stufen verfügt. Unter der langen Haube werkelt derweil meist nur der mittlere Zweikammervergaser. Zumindest bei leichter Drosselklappenöff- nung. Die beiden äußeren Vergaser werden über eine Vakuumverbindung gesteuert und
Klein, aber verchromt: zierliche Außen- spiegel angesichts 1,90 Meter Breite.
Die Buchstabenfolge GTO soll Assoziatio- nen mit europäischen Autos wecken.
Hübsch, aber ohne Funktion: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt’s nichts zu saugen.
„Im Vergleichstest des Magazins „Car and Driver“ liefert der Pontiac GTO gegen einen Ferrari 250 GTO eindrucksvoll ab. Kein Wunder, denn Pontiac hat einen 421 Kubikzoll großen Motor unter die Haube geschmuggelt.“
haben so lange Pause, wie der Fahrer sei- nen rechten Fuß unter Kontrolle behält. Bei unserem Fotomodell wurde die Unterdruck- technik durch eine mechanische Einrichtung ersetzt. Als Auto-Tester in den 60er Jahren die mit Tri-Power ausgestatteten GTO in die Finger bekamen, hatte GM angeblich große Sorge, dass die beiden äußeren Zylinder un- erwartet in Aktion treten könnten. Man fürch- tete, der plötzliche Leistungsschub würde die Autos samt überforderter Motorjournalis-
„Aerodynamik? Interessiert mich nicht.“ Wäre Chuck Norris ein GTO, würde ihm der Luftwider- stand aus dem Weg gehen.
AUTO CLASSIC 3/2025
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