Auto Classic

Na klar, der Heckdeckel steht offen! Schließen geht nicht, wegen großer Vergaser und üppigem Luftfilterkasten.

C a, das ist doch mal nett: ein Tun- nel. Wie Schrotladungen donnert es aus dem Auspuff. Man schwört, jeden einzelnen Zündtakt zu hören. Das al- lerdings tun auch die armen Büroangestell- ten, die sich zur Rushhour mit uns in ihren Opel Corsa und Peugeot 206 durch den Tun- nel in den Feierabend quälen. Huch, jetzt wird es hier drin auch noch ein bisschen rauchig, und dieses schwarze Vinyl ist hei- ßer als die Sonne. Dabei versuchen wir doch nur, den Motor auf eine zum Anfahren ge- eignete Drehzahl einzupegeln. Keine leich- te Sache mit wenigen Millimetern Pedalweg. Da macht unser NSU 1000 TTS auch schon einen wütenden Satz nach vorn. Wehe, du „Von vorne WZigVX]iZi l^g`iYZgLV\Zc aggressiv. 6WZg gleich- zeitig oVjWZgiZg ein Lächeln ^ch<Zh^X]i#µ reizt diese kleine Granate! Die Handys sind längst gezückt. Alle staunen, dass etwas so Kleines so viel Lärm machen kann. Als Zu- gabe gibt es für sie noch den Anblick eines verzweifelten Fahrers, von dessen knallro- tem Kopf der Schweiß in Strömen herab- rinnt. Ja, klar, für die Fotos sollen die Fenster geschlossen sein. Wir fühlen uns, als hätten wir literweise Espresso intus, voller Energie. „Nur noch eine Runde“, lügt der Fotograf. Gefühlt ist es seine fünfte letzte Runde. Im- mer dasselbe. Sorry Leute, nicht böse sein! Fans mit einem Blick für ausländische Kennzeichen haben es natürlich längst be-

merkt: Wir befinden uns in Portugal. Genau- er in einem Industriegebiet irgendwo bei Lissabon. Das Auto gehört Manuel Ferrao, einem Verlagsmagnaten, dessen Sammelins- tinkte sich auf die obligatorischen Ferrari, Aston, Maserati und dergleichen erstrecken. Auch eine Cobra 427, ein Ford GT 40, diver- se Lotus- und Lola-Sportrennwagen gehören zu seinem Besitz sowie Gruppe-B-Rallye- autos (mit und ohne Werkslackierung) und jede Menge Abarths. Was die Frage aufwirft: Warum hat so jemand auch einen NSU TTS? Weil der einfach riesig Spaß macht, lautet die knappe Antwort. Und, nach einem Moment des Überlegens, weil er den NSU als eine Art deutschen Abarth betrachtet. Die geöffnete Heckklappe bringt nichts Dieses Exemplar wurde 1969 gebaut, aber es ist nicht überliefert, ob es Rennen gefah- ren ist. Als Neuwagen kam das Auto zunächst nach Mosambik, das damals noch unter por- tugiesischem Einfluss stand. Später kam es im Besitz einer Frau zurück nach Europa in den Norden Portugals, bevor es 2020 von Manuel über einen Händler in Lissabon er- worben wurde. Von vorne betrachtet wirkt der Wagen aggressiv. Aber gleichzeitig zau- bert er ein Lächeln ins Gesicht, nicht zuletzt dank des Ölkühlers unter dem Frontstoßfän- ger und des Motorhaubenhalters. Theoretisch wurde der Motordeckel zur Kühlung hochge- klappt. Allerdings geht man heute davon aus, dass dadurch keinerlei Auswirkungen auf die Kühlung eintraten. Abtrieb entstand ebenso wenig. Aber immerhin bewirkte diese Pose einen ausgesprochen Abarth-esken Look. Davon abgesehen: In diesem speziellen Fall wäre es auch gar nicht möglich, den Deckel zu schließen. Im Weg stehen große Weber-Ver- gaser und ein opulenter Luftfilterkasten. So spektakulär und rennmäßig der TTS sich aufplustert, so nüchtern präsentiert sich der

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