Auto Classic

B itten in unsere Diskussion über die Heftplanung platzte der Anruf unse- res Freundes und Unterstützers Klaus Pohland aus Salzwedel: „Ich habe ihn! Den müsst ihr euch anschauen!“ Gemeint ist der ursprüngliche Polonez 1500, den er gera- de eben in Polen erstanden hatte. Kein Caro, Celine oder Classic, sondern ein MR 78. Also ein Polonez in der originalen Ausführung, die 1978 in Warschau von FSO vorgestellt wur- de. Für unsere im Westen aufgewachsenen Leser: FSO (polnisch: Fabryka Samochodów Osobowych, deutsch: Fabrik für Personenwa- gen) war ein ehemaliger polnischer Automo- bilhersteller mit Sitz in Warschau. Nicht we- nige Polski-Fiat-Fahrer in der DDR ersehnten den zeitgemäß gestalteten und zugleich mit technischer Pfiffigkeit realisierten Nachfolger des 125p. Zudem verstanden es die DDR-Bür- ger vortrefflich, zwischen den Zeilen zu lesen: Eine Fahrzeugvorstellung im „Motor-Jahr“ versprach im kommenden Jahr die Ausliefe- rung über den IFA-Vertrieb. Weshalb wir hier im Vergleich zum 125p den Polonez vorstel- len, den wir 1980 gern gehabt hätten. Aber der Reihe nach. Ohne den 125p hät- te es keinen Polonez gegeben. Das klingt ba- nal, ist aber genau der richtige Denkansatz, um heute eine sachgemäße geschichtliche Be- wertung der Produkte der polnischen Fahr- zeugtechniker anstellen zu können. Die wirt- schaftspolitischen Hintergründe, die 1968 zum Produktionsstart des Polski-Fiat 125p in Warschau-Zeran führten, sind eine eigene Ge- schichte wert. Genau wie die vielen Details, die über das Fahrzeug und seine kontinuierli- che Fortentwicklung zu berichten wären. Alle Aspekte zusammen würden den Rahmen die- ses Beitrags sprengen. Deshalb hier in Kür- ze: Schon der 125p war für die VR Polen, die im RGW entsprechend eingebunden war, ein großer Wurf. So wurde überraschend offen im „Deutschen Straßenverkehr“ 1/1971 die Ka- rosserie des 125p als Weltstandard hoch gelobt und zugleich kritisiert, dass dem gegenüber die „handelsüblichen Wagen dieser Größen- ordnung“ den akustischen Eindruck vermit- teln würden, in einem nachgiebigen und nicht entdröhnten Blechgehäuse zu sitzen. Damit wurden die Zweifel, die zuvor in der „KFT“ 12/1969 geäußert worden waren, ob die Pro- duktion des 125p auf vorwiegend westlichen Bandanlagen „entsprechende volkswirtschaft- liche Ergebnisse bringt“, technisch klar wider- legt. Der Polski-Fiat 125p war in seiner Zeit hinsichtlich Karosserie und Innenraum ein perfekter Wagen, mit festigkeitsoptimierter Konstruktion und gekonnter Gestaltung. Übri- gens in Länge und Radstand etwas über den Maßen des Lada 2103 liegend. Auch die Ent- scheidung der Polen, Motor und Fahrwerk des Vorgängers Fiat 1300/1500 in die Karosserie des 125p zu integrieren, war pfiffig. Denn

Der Polski-Fiat 125p und der Polonez 1500 waren bei ihrer Präsentation jeweils auf der Höhe der Zeit. Beschränkt man sich auf den RGW- Bereich, waren sie jahrelang Spitzenniveau.

%JFQPMOJTDIF"VUPNPCJMJOEVTUSJFÙCFS SBTDIUFWPS[XFJ.BMNJU[FJUHFNÔFO .PEFMMFO EJFOJDIUOVSJNFJHFOFO-BOEIPDI CFHFISUXBSFO*OEFS%%3GVISNBOBC TFISHFSOJNQVOEIPGGUFOBDIEFSPGGJ[JFM MFO7PSTUFMMVOHEFT1PMPOF[JNu.PUPS+BIS hBVGEFO*NQPSUEFS'MJF”IFDLFMFHBO[BVT 8BSTDIBV&JO7FSHMFJDIEFTQNJUEFN /BDIGPMHFS EFSMFJEFSOJF[VVOTLBN Text: Dr. Rolf Mahlke Fotos: Günter Poley

*Dieser Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift „79 OKTAN“ erschienen. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

6JID8A6HH>8*$'%'*



Made with FlippingBook flipbook maker