Präsidenten-Loge: Lederbezug war eine von nur drei offerierten Extras
V6 statt V8: „Downsizing“ der rabiaten Art ohne nennenswerte Verbrauchsvorteile
Notwendig waren dabei weder der 604 noch der ursprünglich geplant V8. Aber es ging um Image und Prestige. Denn British Leyland bot seit 1967 einen 3,5-Liter-V8 (Li- zenz Buick) bei Rover, MG und im Range-Ro- ver an. Darauf zog 1969 Mercedes-Benz mit hubraumreduzierten V8-Varianten aus dem
großen 600 in die darunter liegenden Modell- reihen nach. Da wollte die Konkurrenz – mehr für British Leyland, weniger für Mercedes – Peugeot, Renault und Volvo nicht nachstehen. Schon 1966 hatten sich Peugeot und Re- nault für die Entwicklung eines Alu-V8 verab- redet, um Kosten und Risiken zu teilen. Volvo
kam 1971 als Dritter hinzu. Aus den Anfangs- buchstaben des Trios entstand das Kürzel „PRV“ für den Motor. Der es später noch bis in den legendären DeLorean schaffte. Ein Oberklasse-Konzept Doch zunächst waren die Franzosen dran und so entstand mit dem 604 die erste Nach- kriegslimousine von Peugeot mit mehr als vier Zylindern. Und mit fast fünf Metern Länge. Wie schon bei anderen Peugeot-Modellen hatte Pininfarina Hand angelegt und einen Entwurf geschaffen, der in seiner formalen Strenge staatsmännische Seriosität ausstrahl- te. Damit gelang Peugeot der Sprung in den Fuhrpark des Élysée-Palasts und verschaffte dem mit 1,90 Meter groß gewachsenen Mon- sieur le Président ein neues, vorzeigbares Dienstfahrzeug. Doch die Karriere als Regierungslimousine verlief wegen diverser technischer Defekte etwas holprig, weshalb bald wieder verstärkt Citroën (DS, SM und CX) den pannenfreien Transport der honorigen Staatsgäste über- nahm. Technisch basierte der große 604 zwar auf dem kleineren und millionenfach bewähr- ten 504. Aber beim großen Bruder wurde alles irgendwie komplizierter und störungsanfälli- ger. Obwohl der 136 PS starke V6-Motor zur Sicherheit schon mal ab Herbst 1974 im 504 Coupé und Cabriolet installiert wurde. Ärgerlicherweise wurden Anfang 1975 Erlkönig-Fotos vom 604 in einer großen Ta- geszeitung gezeigt. Das beeinträchtigte den Absatz des 504, da potenzielle Käufer darin dessen Nachfolger vermuteten. Überstürzt zog Peugeot deshalb das Debüt vom Pariser Auto Salon im Oktober auf den Genfer Auto Salon im März vor. Botschaft: Der 604 spielt in einer eigenen Klasse und soll den 504 nicht ersetzen. Nachteil: Die finale Testphase wur- de um wertvolle Monate verkürzt, schon im April 1973 gingen die ersten Vorserien-Exem- plare als „604 V6 SL“ vom Band. Bescheidener Erfolg Wer den 604 kennt, vermeidet daher den Kauf eines Exemplars aus den ersten Baujah-
Der ganze Stolz in Chrom: Peugeots Spitzenmodell 1975
AUTO CLASSIC 4/2022
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