Auto Classic

Cabrio quasi einen Ausleger zu verpassen. Und siehe da: Ein großer VW-Händler aus der Ruhrgebietsmetropole setzte seinen Wunsch professionell um, verlängerte den Wagen um satte 57 Zentimeter auf insgesamt 4,40 Meter. Womit der „Jetgo“ 20 Zentimeter gestreck- ter dastand als eine Jetta-Limo. Der Fami- lienvater bekam das professionell aufgebau- te Unikat zugelassen und ließ zur Feier des Tages das gute Stück in Weiß lackieren. Das stand dem Auto – wie ein Urlaubsfoto aus Italien bezeugt – trefflich, abgesehen vom damals schon montierten Heckspoiler. Erst weiß, dann schwarz Das findet auch Martin Damek (64), heu- tiger Besitzer des Zwitter-Modells, der Auto Classic die weitere Geschichte dieses in Deutschland nur einmal existierenden Cab- rios erzählte. „Der Erstbesitzer bezahlte da- mals 17.000 DM für den Umbau, was ziemlich genau dem Preis eines neuen Golf Cabrios entsprach“, entnimmt er seiner Dokumenten- sammlung. „Der Golf wurde regelrecht abgesägt und darüber der Kofferraum des Jetta gestülpt. Die Reserveradmulde ist geblieben, nur Rück- wand und Rückleuchten wurden entfernt. An der Bodengruppe wurde nichts gemacht, was vermutlich die Voraussetzung für den TÜV- Segen war. Auch das Verdeck, nicht aus Stoff, sondern Kunststoff und mit beheizter Glas- scheibe, ist original vom Golf Cabrio.“ Laut Damek fuhr der Rechtsanwalt seinen Weiß-

ling bis 1994, ehe er ihn an eine ebenfalls aus Essen stammende Familie verkaufte. „Danach erhielt der Wagen beim heute nicht mehr exis- tierenden VW-Autohaus Lilienthal in Essen- Kray seine jetzige Farbe – LZ 9Y, Phantom- schwarz Perleffekt – und wurde komplett mit Kautschuk versiegelt. Dadurch ist Rost bis heute kein großes Thema. Das Auto geht je- des Jahr anstandslos durch den TÜV, wird na- türlich auch wenig, sprich nur bei gutem Wet- ter bewegt und genießt einen Garagenplatz“, betont Damek. Tuninglook von Kamei Doch beim neuen Farbkleid beließ es der Zweitbesitzer nicht. Zusätzlich verpasste er dem zuvor so eleganten Cabrio einen damals populären, heute vielleicht etwas prollig wir- kenden Umbausatz von Kamei. Bestehend aus Zusatzschweinwerfern, einer Lippe vorn am Kühler sowie Schürzen an den Türschwel- lern und am Heck. Die Felgen von Intra äh- neln den vom Porsche 928 bekannten Rädern im Telefonwählscheiben-Design und sind farblich auf die Außenfarbe abgestimmt. „Die Familie behielt das von der Frau des Hauses bewegte Auto bis 2007 und schenk- te es dann mehr oder weniger dem Händler aus Kray. Wo er dann acht Jahre unbemerkt im Keller stand und erst 2014, als Lilienthal Insolvenz anmelden musste, wieder ans Ta- geslicht kam“, erzählt Damek. „2015 erwarb ihn mein Nachbar, der mit dem Auto einige Oldtimer-Rallyes bestritt, mich aber schon ein Jahr später fragte, ob ich Interesse an einem Kauf hätte.“ Und Damek, der schon zu Schulzeiten gern an Autos geschraubt hatte, bis dahin aber noch nie einen Klassiker besessen hat- te, biss an. Man wurde sich schnell handels- einig, doch stand statt spontanem Fahrgenuss zunächst viel Arbeit an. „Das Fahrzeug hat- te vorn ein Sportfahrwerk und hinten Feder- beine, die meine Werkstatt keinem Fabrikat

Die Talbot- Rückspiegel reduzieren den toten Winkel

Ursprüng- lich war das Cabrio elegant weiß lackiert

Die Intra-Fel- gen erinnern ans Telefon- wählscheiben- Design des Porsche 928

Cockpit mit Sportlenkrad – mangels Servolenkung kann Rangieren schweiß- treibend sein

Kamei-Umbausatz mit Doppelscheinwerfern und Lippe am Kühlerrand

Der 1,6-Liter-GLi-Motor leistet 110 PS – wie im GTI

AUTO CLASSIC 4/2022

41

Made with FlippingBook flipbook maker